Kultur und Weindas beschauliche MagazinAusstellungsansicht MAK Kunstblättersaal © kunst-dokumentation.com/MAK ZUR FREIEN ENTNAHME 30 Jahre Plakate von Julius Deutschbauer
Über sein Gesicht huscht kaum ein Lächeln, wenn er den amtlichen Text eines Magistratsbeamten von einem seiner Plakate abliest, als wäre es feinste Literatur. Das Grinsen ist viel mehr ein gut verstecktes Lachen über so manche Unbegreiflichkeit, der Julius Deutschbauer in den 30 Jahren begegnet ist, in denen er mit diesem klassischen Reklamemedium Kunst für eine breite Öffentlichkeit gemacht hat. Seine „Galerie“ ist das Stadtbild Wiens, das zur unendlich aufnahmefähigen Litfaßsäule voll mit verunsichernden Fragen und Feststellungen wird. Model ist immer er selbst, manchmal in Gesellschaft des Künstlers und Autors Gerhard Spring. Dann wird aus den beiden Männern eine der One-Minute-Sculptures unter dem Motto „Wurmfortsatz“ oder mittels Fotomontage das Kreuz der Bergpredigt. Sprüche wie „Jedes Vollbad kostet mindestens zwei Ukrainer:innen das Leben“ oder in Polnisch die Information, dass Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Kulturstaatssekretär Franz Morak den österreichischen Pavillon im polnischen Pavillon am 7. Juni, 17 Uhr, 49. Biennale Venedig 2001 eröffnen, erheitern und bleiben wie Gedanken saugende Zecken im Gedächtnis hängen.
Neben dem Affichieren derart irritierender Botschaften ist Julius Deutschmann ein strenger Bibliothekar. Im grauen Arbeitsmantel befragt er angeblich lesende Zeitgenossen zu Büchern, deren Titel jeder kennt, die aber kaum wer gelesen hat. Spitzenreiter ist die Bibel, dicht gefolgt von Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“, das seit dem Bekenntnis von Bruno Kreisky als dessen Lieblingsbuch in Kreisen von Möchtegernintellektuellen ungemein populär ist.
![]() dead stock von Birke Gorm, Ausstellungsansicht FALTEN, TOTES ZEUGS & AMÖBEN Drei weiblich konnotierte Ausstellungen
Welche Frau mag schon Falten in ihrem Antlitz?! Dennoch sind diese untrüglichen Zeichen alternder Haut eine natürliche Gegebenheit, der man im günstigsten Fall mit Schminke zu Leibe rücken kann. Dass Falten ein vielschichtiges Phänomen sind, mit gestalterisch, körperlich, philosophisch und kulturellen Dimensionen, mag nur ein schwacher Trost angesichts des Plissees auf Wangen und Dekollete sein. Aber genau das ist das Thema der von Mio Wakita-Elis gestalteten Ausstellung FALTEN (bis 21. Mai 2023 im MAK Design Lab). Die Kustodin der Sammlung Asien zeigt deren immanente Bedeutung in Design-, Kultur- und Ideengeschichte anhand, wie sie selbst sagt, „höchst heterogenen Exponaten“. Ein guter Teil ihres Interesses galt dabei der Mode, genau gesagt, den Textilien. Faltenröcke ziehen seit Urzeiten männliche Blicke auf deren Trägerinnen und fein gefaltete Tücher vermögen manches unliebsame Detail an Hals oder Armen zu kaschieren. Darum geht es hier aber nicht, oder nur sekundär. Männer haben in dieser Schau nichts verloren, es sei denn, es handelt sich um einen kürzlich verstorbenen Modedesigner namens Issey Miyake.
Auf Englisch kling es ja viel besser. „Unbrauchbares, unverkäufliches, kaputtes altes Zeugs“ lässt sich in aller Kürze mit „dead stock“ (bis 24. Juni 2023) übersetzen und beschreibt das Arbeitsmaterial von Birke Gorm. Nachdem es sich um eine Künstlerin handelt, geht es in erster Linie um die Demontage patriarchaler Geschlechterhierarchien. Wie Betrunkene lehnen am Boden sitzende Gestalten mit den Rücken an der Wand. Ihre Haut sind Jutesäcke, die Köper wurden mit zerknülltem Zeitungspapier in Form gebracht und vorsorglich mit Tragegriffen am Kopf ausgerüstet. Sind es die armen Frauen, die zum Sammeln von Resten der Ernte verdammt sind, während Bauer und Knecht die vollen Ähren in die Scheune bringen? Wohl doch, denn Birke Gorm sagt klar: „Oft suche ich auch nach Überbleibseln oder Spuren von gewissen Arbeitsschritten oder historischen handwerklichen Tätigkeiten, die mittlerweile so nur mehr selten, wenn überhaupt, stattfinden.“
Ein weiterer englischer Titel: „Entangled Relations-Animated Bodies“ von Sonja Bäumel. Zu erleben war diese Aktion (Installation und Performance) im Rahmen der Triennale di Milano 2022.
Gelatin, Qu’ils mangent de la brioche, 2006, Courtesy of the artists and Perrotin, Paris THE FEST Vom steifen Bankett bis zur zügellosen Orgie
Übermütig veranstalten edle Damen und Herren eine Kostümprobe. Sie bestehen allerdings aus Porzellan und sind Teil des sogenannten Zwettler Tafelaufsatzes. Über mehrere Meter ziehen sich fröhliches Treiben und Mummenschanz, die seinerzeit – man lese und staune – die Mönche dieses Waldviertler Zisterzienserstiftes ergötzten. Äbte waren im 18. Jahrhundert weltlichen Herrschaften gleich gestellt, ein Umstand, dem die geistlichen Herren mit entsprechendem Prunk eifrig gleichzukommen versuchten. Sie haben dabei geflissentlich auf das Armutsgelübde und einen wesentlichen Charakterzug ihres Ordens vergessen. Wo ursprünglich vom Gründer in aller Bescheidenheit sogar farbiges Glas in den Fenstern ihrer romanischen Kreuzgänge als unheiliger Luxus betrachtet wurde, war den barocken Kirchenfürsten nichts zu kostbar, wenn es galt, das eigene Prestige zu heben und anstelle von Gottes zur eigenen Ehre rauschende Feste zu veranstalten.
Zu bewundern ist dieses Prachtstück aus der Wiener „Porcellain-Fabrique“ bis 7. Mai 2023 in der Ausstellung „THE FEST. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“, die das Phänomen des Ausbruchs aus dem Alltag in wahrhaft opulenter Weise deutlich zu machen versucht. Man könnte sagen, mit voller Hose ist´s gut stinken, wenn es darum geht, in den reich bestückten Sammlungen des Hauses nach Objekten zu suchen. Eine Riege von Kuratorinnen (Brigitte Felderer, Olga Wukounig, Anne-Katrin Rossberg) wurde fündig, dort und bei etlichen festlich gestimmten Leihgebern.
Franz Hagenauer, Tafelaufsatz, 1930 Alpaka, versilbert © MAK/Georg Mayer WERKSTÄTTE HAGENAUER Design, Kunst und Aschentöter
„Wiener Metallkunst 1898-1987“ als Untertitel der Ausstellung im MAK deutet bereits den weiten Bogen an Artefakten, Stilen und Techniken an, die auf die „Werkstätte Hagenauer“ zurückzuführen sind. Grundlage für die Schau war das Familienarchiv, das sich seit 2014 in der sicheren Verwahrung des Museum befindet. Darin befinden sich nicht nur Geschäftunterlagen, sondern auch Fotos, Skizzen, Entwürfe, Modelle, Formen, Rohlinge und Halbfertigprodukte, wie sie der letzte Inhaber Franz Hagenauer hinterlassen hat. Den Anfang gemacht hat Gürtlermeister und Ziseleur Carl Rudolf Hagenauer (1872-1928), der in den Ende des 19. Jahrhunderts boomenden Zweig der kunstindustriellen Metallverarbeitung erfolgreich eingestiegen ist. Über Wiener Bronzearbeiten fand er zum floralen Jugendstil und gelangte schließlich zur reduzierten Formensprache der Wiener Werkstätte. Seine Söhne Karl (1898-1956) und Franz (1906-1986) wurden an der Kunstgewerbeschule ausgebildet und studierten unter anderem bei Josef Hoffmann. Die Palette an Produkten war umfangreich. Sie reichte vom Korkenzieher und Aschentöter über Schalen, Dosen, Vasen, Besteck oder Kerzenleuchter bis zur Ausstattung öffentlicher Gebäude, denen man teilweise bis heute Türschnallen, Portale und Stiegengeländer entdecken kann. Neben dem Inlandsmarkt wurde die Werkstätte bald auch international geschätzt, so auch in den USA, wo im Film „Grand Hotel“ mit Greta Garbo eine Tischlampe prominent ins Bild gesetzt zu bewundern ist. MAK Ausstellungsansicht, 2022 WERKSTÄTTE HAGENAUER. Wiener Metallkunst 1898–1987 MAK, Wiener Werkstätte © MAK/Georg Mayer Die Gestaltung der Ausstellung „Werkstätte Hagenauer“ (bis 3. September 2023) entspricht ihrem „metallischen“ Gegenstand insofern, als die Objekte mit ihrem Schimmer sofort den Blick und damit auch das Interesse für „Papier“ in Form von Dokumenten oder Zeichnungen auf sich ziehen.
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