Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Die unentdeckte Toskana: Montespertoli bei Florenz

I Contadini di Val d´Elsa, die Bauern aus dem Elsatal

Wein und Olivenöl, mehr scheint der Mensch nicht zu brauchen, um sich ein Leben lang zufrieden zu fühlen. Weinstöcke und Olivenbäume beherrschen auch die Hänge rund um die Stadt Montespertoli. Malerische Zypressenalleen leiten den Blick zu Burgen und Bauernhäuser, hinweg über eine Landschaft, deren sanftes Auf und Ab endlos zu sein scheint und sich erst im Blau eines fernen Gebirges verliert. Beschaulichkeit ist angesagt in diesem Teil der Toskana, dem Val d´Elsa, das großteils noch unter sich geblieben ist, trotz seiner Nähe zu touristischen Zentren wie Florenz, Pisa, San Gimignano und Siena.

Panorama: Montespertoli

r.g.o.: Oliven, Wein & Zypressen

l.o.: Toskana nach einer Gewitternacht

l.u.: Denkmal für Boccaccio in Certaldo

Die kulturellen Schätze im Val d´Elsa drängen sich nicht gerade auf. Man muss sie entdecken. Das Städtchen Montelupo Fiorentino, gelegen am Arno, ist bekannt für seine große Keramiktradition. Von dort sind es nur einige Kilometer nach Empoli, dem Hauptort der Region Empolese Valdelsa. Man ist hier stolz auf reges Kulturleben, für dessen Teilnehme jedoch eine genaue Abstimmung mit dem örtlichen Veranstaltungsplan empfohlen wird. Etwas nördlich liegt Vinci, Geburtsort von Leonardo da Vinci – ein Name, der als Grund für einen Besuch seines Geburtshauses und des Museo Leonardiano ausreichen dürfte.

 

Die Stadt Montespertoli hat sich mit gutem Erfolg dem Wein verschrieben. Sie ist Hauptort und Namensgeberin der jüngsten Sottozona des Consorzio Vino Chianti. Teile des Gemeindegebietes liegen überdies in den Colli Fiorentini. Wichtiger als dieser eher nur für Weinfreaks wesentliche Vorteil dürfte den Reisenden die Infrastruktur sein, die ihm Montespertoli in ausreichendem Maße, aber unaufgeregt bietet. Es gibt keinen touristischen Rummel, sondern nur die schlichte Einladung, sich für die Dauer eines Urlaubs in einem unentdeckten Teil der Toskana in die Gelassenheit des Alltags dieser Stadt einzuklinken.

Früher hat auf diesen Feldern die Mezzadria geherrscht, ein System aus Grundherren und kleinen Bauern, die den unter sie aufgeteilten Grund in Halbpacht bearbeitet haben. Das heißt, vom Ertrag mussten sie die Hälfte an den Landbesitzer abgeben. Erst in den 1960ern wurde die Mezzadria abgelöst, die Industrie hat auch in dieser bäuerlich geprägten Umgebung Einzug gehalten. Die kleinen Bauernhäuser verfielen, oder sie wurden von ihren neuen Besitzern umgewidmet, zum Beispiel zu den vielen Ferienhäusern, die meist als Agriturismo der Azienda oder dem Podere (Bauernhof) angeschlossen sind.

 

Interessanterweise wurde auf den Feldern des Val d´Elsa noch vor hundert Jahren Getreide angebaut, nicht so sehr der Körner wegen, sondern um Stroh zu gewinnen, erzählt Marco Simoncini vom Weingut Casa di Monte. Seine Vorfahren haben dort noch die berühmten Florentiner Strohhüte gefertigt, wo heute Wein gekeltert wird. Billigimporte aus China um 1920 haben dieser häuslichen Fabrikation ein Ende bereitet. Die Bauern sind auf Wein und Olivenöl umgestiegen und haben damit vor gar nicht allzu langer Zeit das so ursprünglich anmutende Erscheinungsbild ihrer Umgebung geprägt.

 

Die Städte haben den Wandel der Zeiten äußerlich durchaus überstanden. Von weitem besehen bieten sie noch ihr historisches Gesicht. Ein positives Beispiel ist Certaldo, der Geburtsort Boccaccios. Burg und Altstadt thronen auf einem Felsen und sind Anziehungspunkt von Besucherscharen, die per Standseilbahn aus der Gegenwart eines Industrieortes hinauf in die Vergangenheit transportiert werden. Ernüchternd ist dagegen die Begegnung mit dem Städtchen Castellfiorentino. In den engen Gassen zwischen alten Häusern dominieren Schilder mit „Affitasi“ (zu vermieten) und „Vendesi“ (zu verkaufen).

o.: Alte Stadtmauer von Castellfiorentino

u.: Abend im Olivenhain

g.u.: Vollmond über der Toskana

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