Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Tenuta di Morzano: Vinnovo, Vin Santo und weiße Trauben im Chianti

Der neue Wein des Nonno Nanni

C´era una volta... also, es war einmal an einem Herbsttag des Jahres 1974, als der Vater von Luciano Mignolli in Paris Zeuge eines gewaltigen Spektakels wurde. Die erste Flasche des Beaujolais Nouveau wurde feierlich geöffnet und mit unbeschreiblicher Begeisterung verkostet. Das könnte man doch auch in Montespertoli versuchen, dachte sich Mignolli, holte sich von erfahrenen Önologen guten Rat und präsentierte bereits am 15. Oktober des nächsten Jahres den Vinnovo, den ersten Jungwein Italiens. Beschrieben wird dieser Rotwein als fröhlich und verspielt, mit einem berauschenden Duft nach herbstlichen Weinstöcken, als Wein, der ein Lächeln und schönste Erwartungen hervorruft, oder kurz, als Poesie, abgefüllt in Flaschen.

o.: In Caratelli aus Kastanie gärt unter dem Dach der Vin Santo

u.: Bögen aus fünf Jahre altem Holz

Heute betreiben Luciano Mignolli und seine Frau Francesca die Tenuta di Morzano an der Via di Montelupo in Montespertoli. Den schönsten Blick auf das Anwesen genießt man von einer Anhöhe gegenüber. In stolzer Breite erstreckt sich jenseits eines kleinen Tales auf dem Rücken eines Hügels die Tenuta, geteilt in Le Cantine, also das eigentliche Weingut, und Borgo Filicardo – La Foresteria, einem Komplex aus 16 Apartments mit Piscina und großzügigen Gasträumen. „Die Weingärten rundum gehören alle dazu“, versichert Camilla Mignolli. Die junge Verwandte der Besitzer führt die Besucher durch die Anlage, die seit 1973 zu diesen stattlichen Ausmaßen angewachsen ist. Nonno Nanni, Opa Giovanni, hatte bis dahin mit einem Hektar sein Auslangen gefunden gehabt, mittlerweile sind es 140 Hektar, 60 davon sind Weingärten, auf ca. zwei Hektar stehen Olivenbäume.

Alle Produkte, so erklärt Camilla voller Stolz, stammen aus dem Weingut. „Vom Weinstock in die Flasche“, fügt sie mit einem Lächeln hinzu. Geerntet wird selbstverständlich nur per Hand. Verarbeitet werden die Trauben jedoch auf dem jüngsten Stand der Technik. Die Vinifikation der Roten erfolgt in einem ausgeklügelten System von exakt 121 Barriquefässern, so Camilla, „hauptsächlich aus französischer Eiche. Sie geben dem Wein Zartheit und lassen ihm die Eigentümlichkeit der Traube.“ In neue Fässer kommt nur Morzano Riserva, der Chianti di Montespertoli Riserva (18 Monate). Im zweiten Durchgang reift in diesen Fässern ein Jahr lang Emilio, der Chianti Superiore. Drei Jahre altes Barrique ist dem Chianti D.O.C.G. vorbehalten. Länger als fünf Jahre werden sie nicht verwendet.

 

Die Lebendigkeit und Frische dieses D.O.C.G. erinnert an Zeiten, als ein Fiasco voll Chianti noch als Ausdruck purer italienischer Lebenslust gegolten hat. Einen wesentlichen Anteil an dieser Stimmung haben weiße Trauben. Neben 70% Sangiovese und 10% Canaiolo sind sie mit 10% Trebbiano und 10% Malvasia vertreten. Im Podere Nonno Nanni, wie das Weingut im Andenken an den Großvater liebevoll genannt wird, hat sich damit eine Tradition erhalten, die überall sonst größtenteils verloren gegangen ist. Für Camilla schaffen die weißen Beeren Balance. Die Mächtigkeit der roten Trauben verträgt sich damit ausgezeichnet.

o.: Camilla Mognolli, charmante Führerin durch das Weingut

u.: Winemaker Mauro Sticconi

o.: Erinnerung an alte Zeiten wird sorgsam gepflegt

u.: Die Apartments Borgo Filicardo – La Foresteria

Dass sich deren Qualität noch um eine Spur verbessern lässt, ist der Erfahrung von Mauro Sticconi zu verdanken. Er ist verantwortlich für Weingarten und Keller und damit letztlich für den Erfolg des Weingutes. Seine Weinstöcke haben Ende April bereits prächtig ausgetrieben. Die grünen Blattknospen sprießen jedoch aus altem Holz. „Der Bogen ist fünf Jahre alt“, erklärt Mauro sein System, das extrem wenig Ertrag, dafür aber umso mehr Qualität bringt, „damit erhalten wir mehr Kraft und mehr Farbe im Wein.“ Der lehmige Boden, alte Weinstöcke und ein spezieller Klon aus Montespertoli sind überdies ideale Voraussetzungen für den Sangiovese, der Rotweintraube der Toskana schlechthin.

 

Das Allerheiligste der Tenuta di Morzano findet sich unter dem Dach der Kellerei. In kleinen Fässern aus Eichenholz, den Caratelli, gärt langsam, langsam der Vin Santo seiner Vollendung entgegen.

Ob der Vin Santo süß oder trocken wird, erfährt man erst, wenn er seinen Reifungsprozess abgeschlossen hat, jedenfalls ist er eine Spezialität der Toskana. Trotz seines hohen Restzuckers unterscheidet sich Vin Santos grundlegend von anderen Dessertweinen. Die weißen Trauben werden zeitgleich mit den anderen Weißweinen gelesen, auf Matten aus Bambusstroh getrocknet und erst Monate später gepresst. Der süße Saft wird in die Caratelli abgefüllt und deren Spundloch mit Lehm verschmiert. Eine sanfte Gärung setzt ein, die durch die Temperaturunterschiede von Sommer und Winter von der Natur gesteuert wird und diesem Wein erstaunlich hohe Alkoholwerte (16-18% vol.) beschert.

Zur Entstehung seines Namens gibt es einige Deutungen und Legenden. So wird von einem Konzil in Florenz anno 1439 berichtet, bei dem Griechisch Orthodoxe und Katholiken über eine Wiedervereinigung verhandelten. Kredenzt wurde Wein, der den griechischen Patriarchen zum begeisterten Ausruf veranlasste: „Das ist Wein aus Xantos!“ Er spielte damit auf eine griechische Insel an, auf der Wein ebenfalls aus getrockneten Trauben hergestellt wurde. Die Italiener aber hörten „Santos“, was möglicherweise auf die Verwendung als Messwein zurück zu führen ist. Ganz profan genossen wird Vin Santo zum Dessert, um keinen Traditionsbruch zu begehen, am besten mit Cantuccini di Prato, einem Mandelgebäck, das behutsam in den Vin Santo getunkt und so geschmacksvoll aufgeweicht verzehrt wird.

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