Kultur und Weindas beschauliche MagazinBILD MACHT POLITIK, Ausstellungsansicht BILD MACHT POLITIK Fotos aus dem Nachkriegsösterreich
Wien war nach dem Zweiten Weltkrieg von Bomben zerstört. Die Menschen hatten sich neben Hunger und Wohnungslosigkeit mit einer von den vier Besatzungsmächten geteilten Stadt zu arrangieren. Damals dachte kaum jemand daran, die dramatischen Zustände zu fotografieren. Dass wir dennoch beeindruckende Bilddokumente aus diesen Jahren besitzen, ist einem amerikanischen Offizier zu verdanken. Der in New York geborene Yoichi Robert Okamoto, Sohn japanischer Einwanderer, kam im Sommer 1945 als Militärfotograf nach Österreich. General Mark W. Clark, Oberkommandierender der amerikanischen Streitkräfte, holte ihn als persönlichen Fotografen nach Wien. Über die dienstlichen Aufgaben hinaus sah sich Okamoto in der ihn umgebenden Tristesse um und begann seine persönlichen Eindrücke festzuhalten. So entstanden berührende Aufnahmen von einer Wäscherin am Donaukanal, einer Gemüsehändlerin am Marktstand und des abgebrannten Riesenrades, neben einem Schnappschuss über die Schultern der Vier im Jeep, die sich gerade Zigaretten anzünden.
Okamoto war gekommen, um etliche Jahre zu bleiben. 1948 wurde er Leiter der Fotoabteilung des amerikanischen Informationsdienstes in Österreich – dem USIS. Mit der Ausbildung von jungen Leuten in der Dokumentationsfotografie im amerikanischen Stil wurde er zum Mentor der österreichischen Pressefotografie. Hier lernte er auch seine Frau Paula kennen und wurde mit ihr bis in die 1980er-Jahre zum regelmäßigen Besucher seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Denn nach seiner Rückkehr in die USA war er von Präsident Lyndon B. Johnson zum offiziellen Fotografen des Weißen Hauses ernannt worden. Mit ausdrücklicher Erlaubnis von Mr. President durfte er ihn mit der sogenannten „candid photography“ überall und jederzeit heimlich fotografieren. Dazu kam Yoichi Okamotos Interesse für die Kunst, die in der Nachkriegszeit in Österreich eine bemerkenswerte Präsenz entwickelte. So kamen der Choreograph Harald Kreuzberg bei einer Probe des Jedermann in Salzburg ebenso vor seine Linse wie Künstler des Art Club oder die Darsteller des 1952 sensationell inszenierten Musicals Porgy and Bess.
Die Sammlung umfasste über 22.000 Negative und 900 Originalprints. Es handelt sich dabei – neben dem unschätzbaren dokumentarischen Wert der Bilder über eine entscheidende Phase der 2. Republik – um Aufnahmen, die Yoichi Okamoto ausdrücklich einer seine besten erachtete. Jedes einzelne für sich ist ein Kunstwerk, das von einer Zeit erzählt, die längst aus der Vergessenheit geholt werden musste; nicht zuletzt wegen einer eminenten Wichtigkeit für unsere Gegenwart. Gartenplan für einen Landschaftsgarten in Laeken bei Brüssel, 1782 © Österreichische Nationalbibliothek VON GÄRTEN UND MENSCHEN Künstliche Natur vom 16. bis ins 21. Jh.
Die Ausstellung will erzählen und macht mit ihren wundervollen Geschichten gleichzeitig Lust, die grauen Wände des Arbeitsraumes mit dem Grün zu tauschen, das sich in Wien wie selten wo so vielfältig natürlich und gleichzeitig kunstvoll gestaltet bietet. Gemeint sind die Parks, in denen sich einst die Großen des Reiches ergingen, bis sie nach und nach für deren Untertanen zum demokratischen Lustwandeln geöffnet wurden. Es scheint ein zutiefst menschliches Bedürfnis zu sein, die Natur nach eigenen ästhetischen Maßstäben zu dressieren und der angeborenen Bequemlichkeit gefügig zu machen. Man scheute nicht davor zurück, dafür bedeutende Architekten zu verpflichten, die dem jeweiligen Zeitgeschmack huldigend die Alleen als eine Armee gestutzter Gardisten antreten ließen oder romantische Wildheit einem sorgsam entworfenen System unterwarfen. Geblieben sind davon großteils die Gärten selbst, vor allem aber die Pläne, die für sich bereits grandiose Kunstwerke darstellen. So sammelten sich schon früh in der damaligen Hofbibliothek und in privaten Archiven der kaiserlichen Familie Objekte mit hohem Schauwert, anders gesagt, Abbildungen, in die man genussvoll die Augen versenken kann, um in der Phantasie durch baumumstandene Gassen zu wandeln und sich von raffinierten Sichtachsen zu Denkmälern und Schlossfassaden überraschen zu lassen.
In diesem Sinn ist die Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek mit dem fröhlich wuchernden Titel „Von Gärten und Menschen. Gestaltete Natur, Kunst und Landschaftsarchitektur“ (bis 5. November 2023) eine unwiderstehliche Einladung, in eine Jahrhunderte lange Geschichte einzutauchen. Man lernt die Meister der Gestaltung kennen, deren Auftraggeber und diejenigen, die sich bemüßig fühlten, darüber ausführlich ihre Gedanken für die Nachwelt niederzuschreiben. Ein anschauliches Beispiel ist der Gartenplan des Augartens (Lužánky) in Brünn, der 1787 von einem gewissen Anton Bisinger „inventiert, gezeichnet und angelegt“ wurde. Gezeigt wird auch das Buch von Marie Luise Gothein, in dem sie 1914 den Versuch unternimmt, eine „Geschichte der Gartenkunst“ umfassend festzuhalten. Es gäbe die Gärten jedoch nicht, hätte es nicht die potenten Geldgeber aus Adel und Klerus gegeben. Franz II./I. wurde schmeichelhaft als Blumenkaiser bezeichnet, dem man in Padua im Palazzo della Ragione (Justizpalast) einen temporären achtzig Meter langen Indoor-Garten im englischen Stil anlegte. An dieses seltsame Unternehmen erinnert ein Kupferstich aus dem Jahr 1816. Mit Erfindung der Fotografie war es möglich geworden, Gärten und deren stolz darin posierende Benutzer abzulichten.
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