Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

FLEDER.STRAUSS Boarding zum makaberen Geburtstagsflug

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

Kann der weltberühmte „Komponist mit einem Huscher“ überhaupt abstürzen?

Aus dem Publikum kullert in Zeitlupe ein Ensemble, das an sich mit einer Operette über das Leben von Johann Strauss als musikalischer Botschafter auf Welttournee ist. Schuld daran, so wird vermutet, sei ein unziemliches Verhalten an Bord gewesen. Man hätte wild drauflos geprobt und so das Flugzeug über einem einsamen Gebirge in Turbulenzen und zur Notlandung gebracht. Auf dem Boden der Bühne zu liegen kommen die Mitglieder von „das.bernhard.ensemble“ und des Serapions Theaters. Sobald sich alle halbwegs gefangen haben, wird die unterbrochene Probe fortgesetzt, mit dem Kapitän als Schani Strauss, der als Dirigent eine anzügliche Show abzieht und sich ungeniert von den anderen zum Geburtstag gratulieren lässt. Fragt sich natürlich, wo in dieser Bergeinsamkeit die Musik herkommt. Gespielt wird eine Polka schnell in variablen Tempi und damit gleitenden Tonlagen. Vielleicht funktioniert die Bordanlage noch einigermaßen, aber sei´s wie´s sei, es wird jedenfalls temperamentvoll getanzt.

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Guenther Macho

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Guenther Macho

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

Die Choreografie von Leonie Wahl trägt diese von Max Kaufmann & Ernst Kurt Wengel erdachte bizarre Posse auf Johann Strauss Sohn, dem angenlich ein „Huscher“ nachgesagt wird. Neben Tanzeinlagen ist es in der Hauptsache eine etwas durchsichtige Pantomime, mit der diese seltsame Handlung erzählt wird; was nicht bedeutet, dass dabei nicht gewaltig körperliche Herausforderungen an die Ausführenden gestellt wären. Gezielte Köpfler in das die Szene beherrschende Düsenaggregat, Entengang und gemeinschaftliches Dauerzittern in der Kälte oder minutenlanges Totstellen mit einem Arm oder Bein steif in die Höhe gehalten, das muss ihnen erst jemand nachmachen. Es gibt auch Text. Die Wortspenden sind in der Hauptsache den Mitgliedern der Familie Strauss vorbehalten. Neben weiblichen Verwandten ist es in erster Linie der schöne Edi, der seinen erfolgreichen Bruder hasst und sich an brennenden Notenblättern wärmt. Ein aus allen Löchern qualmender Josef wird nebenbei als Erfinder des Kettenrauchens und diverser technischer Novitäten vorgestellt.

Bei Johann Strauss Vater hat man sich einen subtilen Gag erlaubt. Wenn der alte Mann erscheint, um seinem Sohn die Leviten zu lesen, ertönen die ersten Takte von „Also sprach Zarathustra“, ebenfalls von Strauss komponiert, allerdings von Richard, der mit den Wiener Namensvettern nicht einmal weitschichtig verwandt war. Das Verhalten der Gestrandeten wird mehr und mehr dystopisch, bis zum Kannibalismus. Spätestens dort hört sich allerdings der Spaß auf! Dass sich bei dem Unglück mit der Maschine der Lauda Air 1991 auch Mitglieder eines Orchester auf dem Heimflug von einer Tournee befunden haben, ist an sich als Motiv für ein Libretto schon problematisch. Aber die Schmatzerei in diesem „Fleder.Strauss“ erinnert zu unmittelbar an den Absturz am 13. Oktober 1972, bei dem sich die Überlebenden mit dem Verzehr von Menschenfleisch gerettet haben. Bei diesem Gedanken erstickt das Lachen auf dieser launig und poetisch makaber gedachten Geburtstagsparty im Hals und lässt einen zynisch bitteren Nachgeschmack zurück.

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

Fleder.Strauss, Szenenfoto © Nadine Melanie Hack

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