Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Entdeckungsreise in die Vergangenheit

Der Waldviertler Poststraße auf der Spur

Die kleine Reisegesellschaft hatte eben die Donau bei Melk übersetzt und schickte sich nun an, vor dem Schlösschen Luberegg eine Postkutsche zu besteigen. Unter ihnen befand sich auch ein berühmter Musicus aus Wien: Ludwig van Beethoven. Genaue Details und die Gründe, die den Meister zu dieser Fahrt durch das Waldviertel bewogen haben mögen, sind nicht bekannt, lediglich der Name des Komponisten hatte sich auf einer der wenigen erhaltenen Passagierlisten dieser Postverbindung von Luberegg nach Gutenbrunn gefunden.

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Panorama: Der Edlesberger See diente auch als Wasserreservoir für die Holzschwemme und ist heute ein Paradies für Sportfischer

r.g.o.: Brücke der alten Poststraße nahe der heutigen Bundesstraße bei Weitenegg

r.: Doppeladler auf der Alten Post in Melk, erbaut von Joseph Edler von Fürnberg 1792

l.o.: Hinweistafel auf die alte Posststraße nördlich von Pöggstall

l.u.: Streckbank in der original erhaltenen Folterkammer in Schloss Pöggstall

Leiste: Laterne mit dem Logo des Joseph Fürnberg in Schloss Gutenbrunn

Man weiß an sich nur mehr wenig von dieser Straße. Mit geübtem Auge erkennt man stellenweise noch die Trassenführung, fallweise wurde in unserer Zeit ein Hinweisschild auf die ehemalige Poststraße angebracht und immer wieder stößt man auf Steinbrücken, deren Herkunft aber so gründlich vergessen wurde, dass heute sogar von Römerbrücken die Rede ist. Diese Brücken waren allerdings so solide gebaut, dass über eine von ihnen bis in die 1960er Jahre der Schwerverkehr von der Donau nach Zwettl und weiter in den Norden über sie rollte.

 

Beethoven und seine Reisegefährten waren Fahrgäste eines gewissen Joseph Freiherr von Fürnberg, seines Zeichens Unternehmer mit Weitblick und Visionen, letztlich jedoch zu großer Risikofreude. Er betrieb nicht nur Postlinien, sondern wirtschaftete auch mit Energie. Er versorgte Wien mit Brennholz aus seinen weitläufigen Besitzungen im südlichen Waldviertel und hatte sich dafür sowohl die entsprechenden Privilegien besorgt als auch die notwendige Logistik geschaffen.

Die unwegsame, weil gebirgige Landschaft des Weinsberger Waldes wurde durch Saumpfade erschlossen. Über die Flüsse Weiten, Krems und Kamp wurde geschwemmt. Vor allem im Quellgebiet der Weiten wurden zur Sicherung der entsprechenden Wassermengen Schwemmteiche angelegt, Geflüder (hölzerne Kanäle) und Klausen (Stauwerke) gebaut, sogar ein Tunnel, die sogenannte Berglucken, gebohrt, um eine Wasserscheide auszutricksen. Aufgefangen wurde das Holz im Rechen bei Weitenegg und in Luberegg auf Kehlheimer Kähne verladen und in die Kaiserstadt verschifft.

Zum endgültigen Glück fehlte Fürnberg noch eine Postlinie entlang des Weitenbaches. Ein erstes Ansinnen an den Kaiser wurde abgelehnt, 1791 gab es jedoch das ersehnte Privileg. Er durfte entlang der Strecke zwischen Melk, Luberegg und Gutenbrunn Poststationen einrichten, Expeditoren, also Postbeamte, beschäftigen und eine Straße anlegen. Darüber hinaus hatte er das Recht, Reisende auf ihren Wunsch nach Böhmen und an alle Orte, die ohne Berührung einer anderen Poststation waren, zu bringen.

 

An Auflagen wurden Fürnberg unter anderem die Einhaltung der Vorschriften der k. k. Postverwaltung, die Bereitstellung von Schiffleuten an beiden Ufern der Donau, die Erhaltung der Straße in chausseeartigem Zustand und der Verkehr einmal in der Woche in beiden Richtungen aufgetragen.

 

Für die damalige Zeit war die Überwindung des äußerst schwierigen Geländes mit seinen engen Schluchten und steilen Anstiegen eine Genieleistung der Straßenbaukunst. Im Grunde folgte die Straße der Weiten, verließ das Tal aber bei Schloss Leiben und führte bis Pöggstall über die Höhen des südlichen Waldviertels.

o.: Unter der Ruine Weitenegg biegt die Poststraße hinauf ins Waldviertel

u.: Kanzel mit dem Wappen von Joseph Fürnberg in der Pfarrkirche von Ebersdorf

o.: Ein Meisterwerk von Joseph Mildner im Museum von Gutenbrunn

u.: Am nördlichen Ende der Posstraße liegt Schloss Gutenbrunn, das Gegenstück zu Schloss Luberegg

Mit Fürnberg erlebte die Region einen ungeheuren wirtschaftlichen Boom. Nicht nur Scharen von Waldarbeitern wurden gebraucht. Die bereits seit 1599 bei Gutenbrunn bestehende Glasindustrie blühte wieder auf. Gefertigt wurden dort unter anderem die Mildner Gläser, benannt nach dem genialen Glasmaler Joseph Mildner (1765-1808). Sie zählen heute zu den Prunkstücken großer Sammlungen in aller Welt.

 

Dem grandiosen Aufstieg folgte jedoch ein tiefer Fall. Für Fürnberg selbst erwiesen sich seine Unternehmungen insgesamt als wenig erfolgreich. Er geriet in Schulden und musste schließlich verkaufen. Über Umwege wurde sein Herrschaftsgebiet von Kaiser Franz II. (I.) dem k. k. Familienfonds einverleibt. Aufgrund von Holzmangel wurde die Schwemme eingestellt und die Poststraße wohl wegen zu geringer Auslastung aufgelassen.

 

Eine Reise entlang der Fürnberg´schen Poststraße heute

Europaschloss & Folterkammer

Whisky & Sonnenuhren

Auch heute noch ist eine Fahrt entlang dieses alten Verkehrsweges eine phantastische Reise voller Geschichten und wunderbaren Gelegenheiten für einen abwechslungsreichen Kurzurlaub. Schloss Luberegg beispielsweise wurde zum stimmungsvollen Landhotel ausgebaut. Nur wenig später im Weitental kann man neben der Bundesstraße noch über die alte Brücke fahren, bevor man zum Europaschloss Leiben mit seiner wunderschönen Kassettendecke aus dem 17. Jh. kommt. Bleibt man im Tal, trifft man in Weiten auf die Schlosserei Jindra, in der kunstvolle, vor allem aber exakte Sonnenuhren entstehen.

Wer die originale Route der Poststraße wählt, gelangt von Leiben direkt nach Pöggstall mit dem Museum für Rechtsgeschichte und einer original erhaltenen Folterkammer, aber auch mit moderner Kunst und einer launigen Einführung in das Handwerk des Glasblasens im Hotglass Atelier Walter Faffelberger.

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r.g.o.: Sonnenwinkeluhr aus dem Hause Jindra

r.o.l.: Das mächtige Rondell von Schloss Pöggstall

r.o.r.: Der Glasbläser Walter Faffelberger an der Flamme

r.u.: Fässer voll mit Whisky am Roggenhof in Roggenreith

l.o.: Beeindruckende Granitformation im Weinsberger Wald

l.u.l.: Teichschleuse bei Gutenbrunn

l.u.r.: Detail der Kassettendecke im Europaschloss leiben

Von Pöggstall, dem Meran des Waldviertels, weg lässt es sich wunderbar entlang der Poststraße wandern, mit einem kurzen Abstecher zur Whiskyerlebniswelt am Roggenhof und weiter bis Gutenbrunn. Ein kleines Museum erinnert dort an den Glaskünstler Josef Mildner. Das Bühnenwirtshaus Juster bietet ein tolles Kulturprogramm mit Musik und Kabarett. Der Wintergast wird im Gasthof Marschall-Stuben, er liegt genau gegenüber, in die Kunst des Langlaufs eingeweiht. Wer den Sommer als Reisezeit vorzieht, findet als passionierter Fischer im nahen Edlesberg im gleichnamigen See reiche Beute für seine Angel.

Der Weinsberger Wald selber, der einst Aufstieg und Fall von Joseph Fürnberg bedeutet hat, hat sich seit der Abstockung im 18. Jh. wieder prächtig erholt und bietet ausgedehnte Wandermöglichkeiten vorbei an bizarren Granitformationen, die seit jeher die Phantasie der Menschen zu den tollsten Deutungen verleitet haben.

 

Noch mehr von diesen Geschichten entlang der alten Poststraße sind nachzulesen in unseren Büchern G´schichten vom Land, Wachau mit Strudengau und Nibelungengau und Geheimnisvolles Waldviertel.


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