Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


ROSENKAVALIER eingeholt von der Moral der Gegenwart

Katharina Hauer (Octavian), Johanna Hoblik (Marschallin) © Rodauner Theater Sommer

Katharina Hauer (Octavian), Johanna Hoblik (Marschallin) © Rodauner Theater Sommer

Eine Überschreibung des Librettos mit klarer Rollenzuteilung: Böse Männer, gute Frauen

Dass die verheiratete Feldmarschallin ganz ungeniert einem adoleszenten Lover die Ohren schlackern lässt, daran hat sich auch der strengste Apostel gewöhnt. War weder damals, noch ist es heute etwas Besonderes. Aber dieser Baron Ochs von Lerchenau, der hinter jedem Rockzipfel her ist und sogar den Polterabend mit einem neuen Aufriss feiern möchte, der hat es verdient, als Lüstling durch den Fleischwolf gedreht zu werden. Vor mehr als 110 Jahren, exakt am 26. Jänner 1911, als im Königlichen Opernhaus in Dresden die Uraufführung dieses Geniestreichs von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss über die Bühne gehen sollte, hatte der Intendant Bedenken, derlei (wienerische) Zügellosigkeit eines Adeligen dem Dresdner Hof zumuten zu können. Die Streichungen sind Geschichte. Die Oper hat längst ihren Siegeszug durch die Häuser der Welt angetreten. Man amüsiert sich und schunkelt heimlich zu den Walzern, ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass Hofmannsthal damit Kritik an den zügellosen Umständen seiner Zeit anbringen wollte.

Kamerafrau Anna Jacobson, Lichtmeisterin Isolde Cronenberg © Rodauner Theater Sommer

Kamerafrau Anna Jacobson, Lichtmeisterin Isolde Cronenberg © Rodauner Theater Sommer

Reinhard Schäfer (Ochs von Lerchenau) © Rodauner Theater Sommer

Reinhard Schäfer (Ochs von Lerchenau) © Rodauner Theater Sommer

Nicht so im Rodauner Theatersommer! Intendant Marcus Marschalek hat mit Bettina Schimak aus dem Opernlibretto ein ganz neues Sprechstück kreiert. In zwei Ebenen spiegeln sich Operngestalten und reale Personen wider. Eine Filmproduktion soll den Rosenkavalier, unterlegt mit einigen wenigen Takten aus der Musik von Richard Strauss (bearbeitet von Ulrich Dallinger), in die Kinos bringen; starring Johanna Hoblik (Marschallin) und Katharina Hauer (Octavian). Erfunden wurde dafür ein Dinosaurier von Regisseur, denn einen Typen wie Otto Lercher, überzeugend widerlich umgesetzt von Roland Stumpf, wird man heute nur schwerlich mehr finden.

Er dünkt sich Gott gleich und unwiderstehlich, ist zudringlich und von seinem Genius überzeugt. Sein Vorbild und Alter Ego ist der Ochs (sehr gut, aber fast zu sympathisch für diese Figur: Reinhard Schäfer). Mit Solina (Katja Lee) und Tavia (Sophie Nawara) ist Lercher jedoch an die falschen geraten. Diese beiden Frauen zeigen ihm ihre Krallen, ohne Rücksicht auf Produktionskosten oder Konventionalstrafen. Mit Männern haben sie nichts am Hut und finden sich als glückliches Paar. Ob sich das Herr Hofmannsthal, der ganz in der Nähe des Aufführungsortes den Originaltext geschrieben hat, so gedacht hat, lässt man ihn höchstselbst im Zwiegespräch mit Richard Strauss (Marcus Marschalek und Gernot Maxa zitieren Ausschnitte aus deren Briefverkehr) bestätigen. Wo die Worte fehlen, tritt ein Schattenspiel in Aktion, das diesem brandneuen Rosenkavalier eine weitere Dimension verleiht. Dass darin die Männer generell schlecht wegkommen, ist nicht mehr als ein Kollateralschaden, der einer Moral geschuldet ist, die das Lächeln über menschliche Schwächen verlernt hat.

Katja Lee (Solina) © Rodauner Theater Sommer

Katja Lee (Solina) © Rodauner Theater Sommer

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