Kultur und Wein

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Eisenbahn heiraten, Ensemble © Barbara Pálffy

Eisenbahnheiraten, Ensemble © Barbara Pálffy

EISENBAHNHEIRATEN Mit Volldampf in copulative Verwirrungen

Rafael Schuchter, Markus Weitschacher, Bella Rössler © Barbara Pálffy

Rafael Schuchter, Markus Weitschacher, Bella Rössler © Barbara Pálffy

Ein neuer Bahnhofsvorstand als vielversprechender Weichensteller in Nestroy´sche Zukunft

In Frankreich gab es bereits das Vaudeville „Paris, Orléans et Rouen“, das die Möglichkeiten des neuen Verkehrsmittels, der Eisenbahn, für Unterhaltung im Eilzugstempo erfolgreich auf Schiene setzte. Für Johann Nestroy, der nach einem kurzen Durchhänger auf der Suche nach einem zugkräftigen Stoff war, kam diese Lokomotive für seinen Wortwitz gerade recht. Der Schlankel namens Patzmann, seines Zeichens mittelloser Porträt- und Zimmermaler, wurde fahrplanmäßig auf den Wiener Theatermann zugeschnitten. Als der konnte Nestroy die ihm immanente Bosheit an einem Waggon voller Fahrgäste auslassen, um am Ziel aller Bahnfahrten die in seinen Augen böseste Ankunft, nämlich die „Copulation“, per Durchsage verkünden zu lassen und damit dem diesbezüglich unbelehrbaren Publikum ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es heißt also heuer „Bitte einsteigen! Abfahrt des Vergnügungszuges pünktlich um 20.30 Uhr in Schwechat, Station Schloss Rothmühle“ bis 5. August 2023.

Mario Santi, Rafael Schuchter, Susanne Adametz © Barbara Pálffy

Mario Santi, Rafael Schuchter, Susanne Adametz © Barbara Pálffy

Stefan Rosenthal, Markus Weitschacher, Rafael Schuchter © Barbara Pálffy

Stefan Rosenthal, Markus Weitschacher, Rafael Schuchter © B. Pálffy

Als Lokomotivführer gab heuer erstmals Christian Graf Destination und Tempo vor. Mit dem entsprechenden Respekt vor dem Autor der Posse „Eisenbahnheiraten“ hat den ambitionierten Regisseur dennoch der Hafer gestochen. Wie viele seiner Kollegen ist er in eine Zeitfalle getappt. Aus einem im Programmheft ausführlich dargelegten Grund hat er die Handlung in die 1980er-Jahre verlegt. Da aber die beiden Ziele als die Neustadt im Süden von Wien und Brünn an der Nordbahn im Original angeführt sind, wird das Ganze kompliziert. Damals lag Brno hinter dem Eisernen Vorhang und war mehr oder weniger unerreichbar. Weiters war die Donaustadt Krems längst an das Österreichische Einsenbahnnetz angebunden. Man darf also verwundert sein, wenn der Blasinstrumentenmacher Peter Stimmstock so um 1985 herum per Kutsche zu seinem Bruder Ignaz nach Wien anreist und noch nie im Leben einen Bahnhof, geschweige denn einen Zug gesehen hat.

Sam Trohar, Markus Weitschacher © Barbara Pálffy

Sam Trohar, Markus Weitschacher © Barbara Pálffy

Rafael Schuchter, Maria Sedlaczek © Barbara Pálffy

Rafael Schuchter, Maria Sedlaczek © Barbara Pálffy

Aber was soll´s?! Die paar temporialischen Ausrutscher überhört man gern, wenn alles andere stimmig ist. Dafür sorgt nicht zuletzt ein von Graf grandios aufgestelltes Bahnpersonal, angefangen von der professionellen Ansage (bei der Premiere Chris Lohner höchstpersönlich, sonst Gabi Herbsthofer) bis zur Zeitungsverkäuferin (Sissy Stacher). Markus Weitschacher treibt als Patzmann ein hinterlistiges Spiel, um den beiden heiratswilligen Junggesellen Ignaz (Mario Santi) und dem virtuos dummen Peter Stimmstock (Rafael Schuchter) die in Aussicht gestellten Bräute abzuluchsen. Dagegen hat nicht einmal die routinierte Kupplerin, Frau Zaschelhuberinn (Susanne Adametz), eine Chance. Objekte bindungswilliger Begierden sind zwei Bäckertöchter.

In der Neustadt wartet Franz Steiner als Kipfl auf den versprochenen Bräutigam seiner Theres (Maria Sedlaczek), in Brünn Bella Rössler als böhmakelnder Meister Zopak mit der liebreizenden Babette (Sophie Hörlezeder). Dazwischen stehen allerdings zwei junge Männer, die ebenfalls ein Recht auf die jungen Damen geltend machen. In Wien ist es Edmund (Sam Trohar), Geselle bei Geigenmacher Stimmstock, der anlässlich eines Besuches in Brünn ein Auge auf Babette geworfen hat, und in der Neustadt ist es der Brandenburger (Stefan Rosenthal), der beim Semmelverkaufen mit Theres poussiert. Eigentlicher Auslöser des Verwirrspiels ist jedoch Zopaks Mündel Nanny, als die sich Michelle Haydn in den Maler verknallt. Nach abenteuerlichen Fahrten gen Süd und Nord, arrangiert von Patzmann, lassen sich die Väter umstimmen und die richtigen Kandidaten copulieren. Garniert ist diese aufregende Partnersuche mit Couplets in bester Nestroy´scher Manier, wenn Otmar Binder vom E-Piano aus Markus Weitschacher beim pointierten Räsonieren über mangelndes Geld und heimliche Eisenbahnen begleitet.

Michelle Haydn, Rafael Schuchter © Barbara Pálffy

Michelle Haydn, Rafael Schuchter © Barbara Pálffy

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