Kultur und Weindas beschauliche MagazinEisenbahnheiraten, Ensemble © Barbara Pálffy EISENBAHNHEIRATEN Mit Volldampf in copulative Verwirrungen
In Frankreich gab es bereits das Vaudeville „Paris, Orléans et Rouen“, das die Möglichkeiten des neuen Verkehrsmittels, der Eisenbahn, für Unterhaltung im Eilzugstempo erfolgreich auf Schiene setzte. Für Johann Nestroy, der nach einem kurzen Durchhänger auf der Suche nach einem zugkräftigen Stoff war, kam diese Lokomotive für seinen Wortwitz gerade recht. Der Schlankel namens Patzmann, seines Zeichens mittelloser Porträt- und Zimmermaler, wurde fahrplanmäßig auf den Wiener Theatermann zugeschnitten. Als der konnte Nestroy die ihm immanente Bosheit an einem Waggon voller Fahrgäste auslassen, um am Ziel aller Bahnfahrten die in seinen Augen böseste Ankunft, nämlich die „Copulation“, per Durchsage verkünden zu lassen und damit dem diesbezüglich unbelehrbaren Publikum ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Es heißt also heuer „Bitte einsteigen! Abfahrt des Vergnügungszuges pünktlich um 20.30 Uhr in Schwechat, Station Schloss Rothmühle“ bis 5. August 2023.
Als Lokomotivführer gab heuer erstmals Christian Graf Destination und Tempo vor. Mit dem entsprechenden Respekt vor dem Autor der Posse „Eisenbahnheiraten“ hat den ambitionierten Regisseur dennoch der Hafer gestochen. Wie viele seiner Kollegen ist er in eine Zeitfalle getappt. Aus einem im Programmheft ausführlich dargelegten Grund hat er die Handlung in die 1980er-Jahre verlegt. Da aber die beiden Ziele als die Neustadt im Süden von Wien und Brünn an der Nordbahn im Original angeführt sind, wird das Ganze kompliziert. Damals lag Brno hinter dem Eisernen Vorhang und war mehr oder weniger unerreichbar. Weiters war die Donaustadt Krems längst an das Österreichische Einsenbahnnetz angebunden. Man darf also verwundert sein, wenn der Blasinstrumentenmacher Peter Stimmstock so um 1985 herum per Kutsche zu seinem Bruder Ignaz nach Wien anreist und noch nie im Leben einen Bahnhof, geschweige denn einen Zug gesehen hat. Aber was soll´s?! Die paar temporialischen Ausrutscher überhört man gern, wenn alles andere stimmig ist. Dafür sorgt nicht zuletzt ein von Graf grandios aufgestelltes Bahnpersonal, angefangen von der professionellen Ansage (bei der Premiere Chris Lohner höchstpersönlich, sonst Gabi Herbsthofer) bis zur Zeitungsverkäuferin (Sissy Stacher). Markus Weitschacher treibt als Patzmann ein hinterlistiges Spiel, um den beiden heiratswilligen Junggesellen Ignaz (Mario Santi) und dem virtuos dummen Peter Stimmstock (Rafael Schuchter) die in Aussicht gestellten Bräute abzuluchsen. Dagegen hat nicht einmal die routinierte Kupplerin, Frau Zaschelhuberinn (Susanne Adametz), eine Chance. Objekte bindungswilliger Begierden sind zwei Bäckertöchter.
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