Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Der König und ich, ein prächtiges Bühnenbild © Jerzy Bin

Der König und ich, ein prächtiges Bühnenbild © Jerzy Bin

DER KÖNIG UND ICH Ein Trip zu Siams königlichen Palästen

Milica Jovanovic, Kok-Hwa Lie © Marco Sommer

Milica Jovanovic, Kok-Hwa Lie © Marco Sommer

Wenn ernsthafte Fragen der Vergangenheit mit Musik zur Unkenntlichkeit behübscht werden

Thailand, im 19. Jahrhundert noch Siam genannt, ist bis heute ein Königreich. Der einst absolut regierende Herrscher ist in der Zwischenzeit jedoch das gekrönte Haupt einer konstitutionellen Monarchie geworden. Als 1860 die verwitwete Engländerin Anna Leonowens als Lehrerin für die stattliche Kinderschar des Königs engagiert wird, haben sich dessen Untertanen noch in der Haltung einer Kröte ihrem Herren zu nähern. Die Lady ist bemüht, eine Spur der von ihr vertretenen Kultur in dieses archaische System einfließen zu lassen, nicht zuletzt deshalb, um die Begehrlichkeiten ihres Heimatlandes auf dieses fernöstliche Reich abzuwenden. Die Briten hätten für eine Übernahme, sie nennen es Patronanz, eine herrliche Ausrede parat gehabt: Der König ist ein Barbar, der sein Volk unterdrückt und Sklaverei praktiziert. Man kennt diese Taktik der Aggressoren, die bis heute mit perfider Scheinheiligkeit angewendet wird. Zu seiner Zeit hat sie über den Umweg des britischen Empire zum heute längst verfemten Kolonialismus geführt. In westlicher Überheblichkeit wurde all das zerstört, was in den Augen der Invasoren einfach nicht funktionieren konnte. Das Faktum „andere Länder, andere Sitten“ wurde und wird schlicht ignoriert.

Frauen des siamesischen Königs © Jerzy Bin

Frauen des siamesischen Königs © Jerzy Bin

Milica Jovanovic, Kinder © Jerzy Bin

Milica Jovanovic, Kinder © Jerzy Bin

Aus diesem Zusammenprall vollkommen diverser Weltsichten ist in den 1950er-Jahren die Geschichte von „The King and I“ entstanden. Als „Der König und ich“ wurde das Musical von Richard Rodgers (Musik) und Oscar Hammerstein II (Text) auch in unseren Landen ein Erfolg. Alfons Haider, Generalmusikintendant des Burgenlandes und damit auch Chef der Seefestspiele Mörbisch, vertraute auf die Erfolgsgarantie des von ihm bereits zuvor inszenierten Stücks und hat es mit entsprechendem Pomp an die Ufer des Neusiedlersees transferiert, jedoch ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, wie sehr diese Story aus der Zeit gefallen ist und von subtilen Übertretungen heutzutage erwarteter Political Correctness nur so strotzt. So amüsiert sich das Publikum köstlich über einen König von Siam, der beim Polkatanzen patschert herumhüpft, mit Tricks sein Gegenüber stets überragen muss und wie ein Papagei „et cetera, et cetera, et cetera“ repetiert. Kok-Hwa Lie verleiht dieser Gestalt durchaus Authentizität, aber auch emotionale Distanz zu Anna Leonowens (eine kühle, aber resolute Milica Jovanovic); ein Umstand, der z. B. im Film mit Deborah Kerr und Yul Brunner als durchaus prickelnde Beziehung abgehandelt wird.

Eine traurige Love Story spielt sich in der Nebenhandlung ab. Die blutjunge Tuptim (liebreizend und mit energischer Stimme: Marides Lazo) wird dem König als Geschenk des Nachbarlandes Burma verehrt. Sie hat ihr Herz jedoch dem armen Lun Tha (Robin Yujoong Kim mit toller Röhre) geschenkt. Die beiden scheitern auf ihrer Flucht. Sie wird gefangen, er tot aufgefunden. Kopfschütteln zeitigt der Versuch, den königlichen Harem in westliche Kleidung zu stecken. Der Effekt ist ein Lacher über die Unbeholfenheit der bemitleidenswerten Frauen, wenn sie in weiten Krinolinen ohne Unterwäsche vor dem König einen Baufleck machen. Ähnliches passiert, wenn es ans Theater im Theater geht und eine Aufführung von „Onkel Toms Hütte“ in siamesischem Stil gezeigt wird. Ein Erlebnis sind allerdings die Kinder, die sich schon in jüngsten Jahren als Bühnenprofis erweisen. Eine Wucht ist die Ausstattung mit Pagoden und Palast (Inszenierung: Simon Eichenberger, Bühnenbild: Walter Vogelweider), die unter den üppigen Klängen des hauseigenen Orchesters (Leitung: Michael Schnack) mit goldenem Glanz Bedenken aller Art gnädig zum Schweigen bringt.

Marides Lazo, Robin Yujoong Kim © Marco Sommer

Marides Lazo, Robin Yujoong Kim © Marco Sommer

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