Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Claudia Marold, Jörg Stelling, Christopher Korkisch © Fabian Steppan

Claudia Marold, Jörg Stelling, Christopher Korkisch © Fabian Steppan

ES WAR DIE LERCHE Tragische Fortsetzung: R & J als Ehepaar

Jörg Stelling, David Czifer © Fabian Steppan

Jörg Stelling, David Czifer © Fabian Steppan

Zum Abschied zitiert Nicole Fendesack den alten Shakespeare persönlich auf die Bühne.

Man stelle sich vor: Die größte Liebetragödie der Weltliteratur hätte ein Happy End. Julia erwacht just in dem Moment, als sich Romeo aus Verzweiflung umbringen will. Jubel, Kuss und allgemeine Freude! Nachdem die beiden bereits verheiratet sind, müssen sich auch die verfeindeten Familien zähneknirschend versöhnen und dem jungen Paar Glück wünschen. Aus der anfänglichen Begeisterung über die glückliche Fügung wird jedoch bald der öde Alltag einer Ehe wie in jeder anderen. Es fehlt an Geld, die Tochter pubertiert und im Schlafzimmer tut sich nichts. Julia schnarcht gottserbärmlich und Romeo schenkt den letzten Rest sinnlicher Zuneigung einer Wärmeflasche namens Rosalinde. Die Tragödie wird quasi unter anderen Vorzeichen weitergeschrieben und nur dank des unvergleichlichen Witzes von Ephraim Kishon zu einer grandiosen Komödie.

Patrick Kaiblinger, Claudia Marold © Fabian Steppan

Patrick Kaiblinger, Claudia Marold © Fabian Steppan

Jörg Stelling, Laura Oedendorfer © Fabian Steppan

Jörg Stelling, Laura Oedendorfer © Fabian Steppan

Nicole Fendesack erfüllte sich mit „Es war die Lerche“ einen persönlichen Wunsch. 25 Jahre lang hat sie für „Shakespeare in Mödling“ dessen Werke durch pointierte Überschreibung für ihr Publikum gut verdaulich gemacht und so gemeinsam mit einer engagierten Truppe erfolgreiches Sommertheater geschaffen. Nun ist die Prinzipalin der Meinung, dass es „Time to Say Goodbye“ sei. Bevor sie sich aber zurückzieht, hat sie noch mit dem größten aller Theaterdichter ein Hühnchen zu rupfen. Gelegenheit dazu bietet sich in diesem humorigen Stück, in dem nach 29 Ehejahren einige der bekannten Gestalten aus Jugendtagen bei Familie Montague vorbeischauen. Für Fendesack sind Jörg Stelling und Claudia Marold die Idealbesetzung für das in die Jahre gekommenen Pärchen.

Romeo verdient seine Brötchen mit respektabler Stimme als Gesangslehrer und wird von einer nachvollziehbar frustrierten Julia schon beim Frühstück lustvoll gepiesackt. Seine Hoffnung ruht auf der Amme (David Czifer), die doch die steinreiche alte Capulet geschickt über die Stiegen poltern lassen und so das Erbe frei machen könnte. Julia versucht beim greisen Pater Lorenzo (Patrick Kaiblinger) die Beichte abzulegen, wenngleich sich der mittlerweile demente Gottesmann in diversen anderen Dramen verheddert. Es ist ein vergebliches Hin und Her, das William Shakespeare persönlich aus dem Grab lockt. Er ist des sich ständig darin Umdrehens überdrüssig und versucht Ordnung in die von ihm geschaffenen Figuren zu bringen. Da Christopher Korkisch trotz deutlicher Anzeichen anhaltender Toten(un)ruhe noch immer ein fescher Bursch ist, verliebt sich Töchterchen Lucretia (Laura Oedendorfer) in den Dichter und brennt mit ihm durch. Das Chaos scheint perfekt, aber – offenbar hat Kishon nichts daraus gelernt – gibt es auch hier ein gutes Ende, das gewiss die Saat für eine weitere Tragödie in sich birgt.

Christopher Korkisch als William Shakespeare © Fabian Steppan

Christopher Korkisch als William Shakespeare © Fabian Steppan

Romeo & Julia, Ensemble © Fabian Steppan

Romeo & Julia, Ensemble © Fabian Steppan

ROMEO & JULIA Historisch, aktuell und witzig pointiert

Patrick Kaiblinger (Tybalt), Nick Harras (Mercutio) © Fabian Steppan

Patrick Kaiblinger (Tybalt), Nick Harras (Mercutio) © Fabian Steppan

Darf man denn eine solche Tragödie kritisch hinterfragen und dazu noch lachen?

Wer die mutig humorvollen Produktionen von „Shakespeare in Mödling“ kennt und schätzt, darf diesmal ganz besonders neugierig sein. Auf dem Programm steht die Tragödie der Tragödien, die beste Reklame für Papiertaschentücher, weil üblicherweise Tränen fließen, wenn sich die beiden verliebten Sprosse zweier verfeindeter Familien aufgrund eines blöden Missverständnisses ihres jungen Lebens berauben. Nicole Fendesack, Mastermind der Truppe „Shakespeare in Mödling“, hatte auch dazu ein ganzes Paket von Ideen, um die von Shakespeare vorgegebene Handlung von ihrer süßlichen Traurigkeit zu erlösen und trotzdem gehörigen Respekt vor dem Original zu bewahren. Gemeinsam mit Helena Scheuba wurde zum alten Titel ein neues Stück getextet, eine Überschreibung, die sich nicht mit hergebrachten Klischees abfindet, sondern mit neuen, durchaus frechen Gedanken aufhorchen lässt.

Christopher Korkisch (Romeo), Johannes Petautschnig (Julia) © Fabian Steppan

Ein inniger Kuss: Christopher Korkisch (Romeo), Johannes Petautschnig (Julia) © Fabian Steppan

Der Chor: Claudia Marold, Elsa Schwaiger, Laura Oedendorfer © Fabian Steppan

Der kritische Chor: Claudia Marold, Elsa Schwaiger, Laura Oedendorfer © Fabian Steppan

Fendesack nimmt die Verantwortung insoweit auf sich, als sie den neutralen Fürsten in ihre Rolle als Prinzipalin umdeutet und das Geschehen per Megaphon kommentiert. Die übrige Besetzung der Hauptfiguren nimmt sich radikal historisch aus. Frauen- und Männerrollen sind wie zu Shakespeares Zeit mit Herren besetzt. Den weiblichen Anteil stellt ein aufsässiges Trio, das im Publikum platziert ist und von dort aus lautstark auf das Bühnengeschehen Einfluss nimmt. Es wird dabei vieles infrage gestellt, das tatsächlich eine neue Sichtweise unserer Zeit erfordert.

Im Programmblatt sind Elsa Schwaiger, Laura Oedendorfer und Claudia Marold als Chor angeführt. Sie werden dieser Bezeichnung insofern gerecht, als sie die schwungvollen Songs, mit der Gitarre begleitet von Nick Harras & Felix Engelmeier, stimmgewaltig unterstützen. Die beiden Musiker erledigen zusätzlich weitere Rollen. Harras schiebt als Mercutio seine Bonmots und wirbt als alternder Paris um die blutjunge Julia, während Engelmeier als Benvolio vergeblich um Frieden bemüht ist. Patrick Kaiblinger ist sowohl der rauflustige Tybalt als auch der in einer Kutte versteckte Pater Lorenzo. Die Amme, diese gute Seele, erhält mit David Czifer erstaunliche Lebens- und Liebeslust, der ihre elegante Lady Capulet (René Huget) beinahe ratlos ausgeliefert ist. Als sympathisch draufgängerischer Romeo wirbt Christopher Korkisch zärtlich um eine kindlich übermütige Julia (Johannes Petautschnig). Dank der Spielfreude aller Beteiligter vergisst man die seltsame Zuordnung der Geschlechter und trotz vom Chor vehement eingeforderter LGBTQ+ überwiegen Spaß und Emotionen in dieser „Mödlinger“ Fassung von „Romeo & Julia“.

Johannes Petautschnig (Julia) © Fabian Steppan

Johannes Petautschnig (Julia) © Fabian Steppan

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