Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Kreuzgarten von Stift Zwettl

MELCHIOR VON ZAUNAGG, der Barock-Abt von Stift Zwettl

Abtstab aus 1250

Das Waldviertler Kloster öffnet seine Schatzkammern für die Besucher

Der Kreuzgang empfängt den Eintretenden mit gebietender Ruhe. Man ist unversehens eingetaucht in eine Welt, die sich grundlegend von der draußen unterscheidet. Die herbe Landschaft, durch die man zum Stift Zwettl angereist ist, der erste Anblick des strengen granitenen Kirchturmes, der über die Felder aus dem tiefen Kamptal hervorschaut, und zuletzt das offene Kammertor, durch das man in den mächtigen Gebäudekomplex gelangt, das alles sind wesentliche Elemente, um nicht nur physisch, sondern auch mit der Seele in diesem Waldviertler Kloster anzukommen. Seit 1138 leben hier Zisterzienser, Mitglieder des vom Benediktiner Robert von Molesme 1098 gegründeten Reformordens nach der Regel des heiligen Benedikt. Ihr Tagesablauf wird bestimmt Ora et labora , also bete und arbeite, aber auch von lege, dem Lesen geistlicher Literatur. Damit nimmt die Bibliothek des Stiftes eine zentrale Stellung ein und entwickelte sich im Lauf der Zeit zu einer der bedeutendsten Sammlungen wertvoller Bücher Österreichs mit Beständen ab dem 11. Jahrhundert.

Schmerzensmann von Ignaz Bendl

Es handelt sich dabei um Werke aus dem überaus produktiven Scriptorium des Stiftes selbst. 420 Codices sind hier entstanden. Sie werden gemeinsam mit 377 Inkunabeln (zwischen 1450 und 1500 gedruckte Bücher) unter idealen Bedingungen gelagert und sind aus Sicherheitsgründen selbstverständlich für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, ebenso wie das 37.000 Bände aus dem neueren Bestand umfassende Depot, das sich mit einer Regallänge von ca. zwei Kilometern unter dem barocken Saal befindet.

Fresko an der DEcke der Bibliothek von Paul Troger

Offen für den Besucher, zumindest im Rahmen von Führungen, ist jedoch die barocke Stiftsbibliothek selbst. Sie ist bis 31. Oktober 2017 überdies der passende Ort für die Sonderausstellung „Melchior und die Kaiserin“. 300 Jahre Maria Theresia und 350 Jahre Abt Melchior von Zaunagg war ein würdiger Anlass, die beiden für das Stift wesentlichen Gestalten zu würdigen. Maria Theresia ist unter anderem mit Ölgemälden vertreten, auf denen die Herrscherin mit ihrem Gatten gezeigt wird.

Im Zentrum steht aber der 1667 in der Stadt Zwettl geborene Melchior von Zaunagg. Mit 22 Jahren trat er im Stift Zwettl ein, durchlief verschiedene Ämter und wurde 1706 zum Abt gewählt. Mag. Andreas Gamerith, Bibliothekar des Stiftes und Kurator der Ausstellung, hat versucht, der Person dieses Prälaten, der dem Stift sein barockes Gesicht gegeben hat, näher zu kommen.

Mittelalterlliche Elfenbeinmadonna mit barocker Assemblage

Er fand in den vielen schriftlichen Zeugnissen, die Zaunagg selbst angefertigt hat, eine äußert strenge und disziplinierte Persönlichkeit, gleichzeitig aber auch einen melancholischen Menschen, den jahrzehntelang ein schmerzhaftes Gichtleiden plagte. „Zaunagg war eine zeitlang auch für die Sängerknaben des Stiftes zuständig“, erzählt Gamerith mit einem Schmunzeln, „und er hat für sie eine Hausordnung erstellt. Unglaublich, wenn man das heute liest. Die durften ja gar nichts.“ Der Historiker führt diese Einstellung darauf zurück, dass sich der Abt noch als Vertreter der Gegenreformation gesehen und jesuitisches Gedankengut sein Verhalten geprägt hat. Der Besucher hat dabei Gelegenheit, die im Faksimile aufgelegten Dokumente anzugreifen, um sie zu entziffern zu versuchen. Man darf über den Kommentar zu den im Stift getrunkenen Weinen lächeln – der Nussberger wird als der beste, der Wachauer als der schlechteste erwähnt – und findet erboste Töne im Brief an die Maurer in Nussdorf, in dem er jede Anbringung von „zierräden“ am eben entstehenden Freihof bei Wien verbietet.

Über den Objekten erstreckt sich auf den Feldern zwischen den Gewölbebögen ein Herkuleszyklus, geschaffen von Paul Troger ausgerechnet im Winter. Vorgeschlagen hatte der Bildhauer Josef Matthias Götz den damals bereits renommierten Barockmaler mit dem Argument, dass er „malet noch um einen leidlichen Preis.“ Das Thema, das einen Heros zeigt, der sich nicht für das mühelose und verwerfliche, sondern für ein beschwerliches , aber glückhaftes Leben entscheidet, mag dem Abt fürbass gekommen sein, allein, der Stuckateur, der bereits mit seiner Arbeit angefangen hatte, musste, so weiß Gamerith, wieder einen Teil des schon gefertigten Zierrats abschlagen.

Bildtafel auf einem gotischen Seitenaltar von Jörg Brau d.Ä.

Jeden Bücherfreund werden aber am meisten die prächtigen Bände entzücken, deren lederne Rücken dem Betrachter zwar zugekehrt sind, in ihrer Würde aber keinen unbedachten Zugriff und schon gar kein Blättern erlauben würden. Die gemeinhin als Hauptattraktion der Bibliothek angesehene Bärenhaut (aus dem Leder eines Saubären), eine Handschrift aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts, ist natürlich wie alle anderen Bücherschätze bestens verwahrt. Im Faksimile kann man jedoch die Malereien und die feine Schrift der Mönche aus der Nähe bewunderen. Ausgestellt ist sie in der mittelalterlichen Schatzkammer, die seit Kurzen in der Nähe des Kreuzgangs eingerichtet ist.

Sie ermöglicht unter anderem einen Blick auf eine Elfenbeinmadonna, die in der Tradition der Zwettler Zisterzienser als Geschenk von Ludwig IX. (1214-1270) angesehen wird, und einen prächtig gearbeiteten Abtstab, dessen ebenfalls aus Elfenbein geschnitzter Oberteil aus 1250 stammt.

Kreuzgang von Stift Zwettl

Abt Zaunagg selbst hat das Oratorium der unter seiner Regentschaft umgebauten Stiftskirche als Schatzkammer angelegt. Andreas Gamerith hat daraus nun ein übersichtliches Museum gestaltet, das anhand von Modellen die Schwierigkeiten mit dem barocken Hochaltar zeigt, gleichzeitig aber auch den Blick auf Kunstwerke freigibt, die auf einen ausgezeichneten Geschmack des damaligen Prälaten schließen lassen. Als umsichtiger Leiter des Klosters hat er auf ein akkurates Inventarisieren großen Wert gelegt.

So notierte der Prälat persönlich hinten auf einer Skulptur, einem beeindruckenden Schmerzensmann, den Namen Bendl (gemeint ist der Hofjuwelier Ignaz Bendl, von dem auch die Pestsäule am Graben geschaffen wurde) und auf eine Mater Dolorosa den Vermerk „Spöckstein“ als Hinweis auf das besondere Material dieser ergreifenden Frauenbüste. Zu sehen ist eine feine Auswahl weniger Werke, „von denen wir jedoch den Einkaufszettel haben“, so Gamerith, der seine Besucher zum Abschluss noch zu einem besonderen Kleinod in einem der Seitenräume der Kirche führt. Das Heilige Grab des Stiftes ist großes Barocktheater.

Die aus Weichholzbrettern geschnittenen Kulissen erscheinen aufgrund raffinierter Scheinarchitektur dreidimensional und bilden den Schauplatz für das Leiden Jesu am Karfreitag. Gemalt wurden sie 1744 von Franz Anton Danne, einem damals gesuchten Architektur- und Hoftheatermaler, im Stile einer Hofopernaufführung. Es ist Barock in Reinkultur, dem man seit Abt Melchior von Zaunagg im Stift Zwettl bis heute auf Schritt und Tritt begegnet.

Das Heilige Grab von Stift Zwettl von Franz Anton Danne
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