Kultur und Weindas beschauliche MagazinWiener Blut, Ensemble © Victoria Nazarova WIENER BLUT als Ursache erotischer Eskapaden
Auch als Hiesiger genießt man touristisches Feeling, wenn mitten im Hochsommer im barocken Schlosstheater Schönbrunn ein angeblich typisch Wienerisches Stück zum Besten gegeben wird. Grund dafür ist das Jubeljahr „Johann Strauss 2025“, eine schuldige Verbeugung vor dem 1825 in Wien geborenen Walzerkönig. Der gefeierte Komponist befand sich schon im vorgerückten Alter, als er von mehreren Seite her bedrängt wurde, eine neue Operette zu schreiben. Da er selbst gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage war, willigte der 74jährige ein, eine von Kapellmeister Adolf Müller jun. vorgeschlagene Kompilation seiner Melodien zu autorisieren. Für das Libretto wurden Victor Léon und Leo Stein gewonnen. Sie versetzen die Handlung in die Zeit des Wiener Kongresses, der zwar getanzt hat, aber sonst nicht von der Stelle gekommen ist. Statt ein neues Europa zu verhandeln, wurde das süße Leben der Stadt genossen. Schuld daran war, so die Moral dieser Operette, nur das „Wiener Blut“, das sich als Text für den gleichnamigen Konzertwalzer aufgrund kurzer Verse bestens eignete: Wiener Blut, Wiener Blut! Eig'ner Saft, Voller Kraft, Voller Glut. Wiener Blut, selt'nes Gut, Du erhebst, Du belebst Unser’n Mut!
Dieses mit Liedtexten versehene Neujahrskonzert wurde erst im zweiten Anlauf zum Publikumshit, doch dann zu einer der meistgespielten Operetten von Johann Strauss, also nicht ganz, korrekt müsste es heißen, Operette von Adolf Müller jun. nach Motiven von Johann Strauss. Der Schürzenjäger ist kurioserweise ein Deutscher, der aufgrund seiner Berufung zum Gesandten von Reuß-Schleiz-Greiz nach Wien gekommen ist. Anfänglich muss er ein fader Zipf gewesen sein, denn seine Ehefrau Gabriele, eine lebenslustige Wienerin, hat ihn deswegen bald nach der Trauung verlassen. Was immer der Grund für den Sinneswandel von Balduin Graf Zedlau gewesen sein mag, abseits der Ehe entpuppte sich der junge Mann als Frauenheld. In der Villa wohnt bei ihm die Tänzerin Franzi Cagliari, ins Auge gefasst wird auch die Probiermamsell Pepi, die allerdings die Freundin seines Kammerdieners Josef ist. Auf Dauer kann nicht verhindert werden, dass die drei Frauen aufeinandertreffen. Schauplatz dieses Showdowns ist ein Heuriger „draußt in Hietzing“, der wegen seiner „Remasuri“ sprichwörtlich geworden ist. Wenn Nikolaus Habjan Regie führt, dürfen Puppen nicht fehlen. Der greise Graf Bitkowski spricht mit großem Klappmaul Einladungen aus und matschkert recht Wienerisch. Grund dazu gäbe es genug. Es geht beim Kongress ja wirklich nichts weiter. Leid- und Aktentragender ist Boris Eder als Kammerdiener Josef, der seinem Chef vergeblich mit einem dicken Stapel von Papieren hinterher rennt. Graf Zedlau (David Kerber) ist schließlich mit seinen amourösen Angelegenheiten ausreichend beschäftigt. Dazu kommt ein Vorgesetzter in Gestalt von Fürst von Ypsheim-Gindelbach. Alexander Strömer wird zum sympathischen Piefke, der seine Probleme mit dem Wienerischen spaßig bis zum letzten Klischee abhandelt. Recht aufsässig benimmt sich Anett Fritsch, deren Franziska Cagliari sich ihrem Vater gegenüber als Ehefrau von Zedlau ausgibt.
Waldmeister, Ensemble © Marie-Laure Briane_DE WALDMEISTER Im Rausch des botanischen Champagners
Wohin machen Forststudenten ihre Exkursionen? Natürlich in den Wald. Damals, also Ende des 19. Jahrhunderts, waren es ausschließlich Burschen, denen dabei aber ohne Mädchen fad gewesen wäre. Der österreichische Dramatiker Gustav Davis hat das erotische Potential solcher Ausflüge ins Grüne erkannt und für den Walzerkönig ein Libretto voll jugendlicher Vitalität verfasst. Eine Reihe von amourösen Verwicklungen wird durch den „wissenschaftlichen“ Einsatz eines jungen Professors und der Selbstlosigkeit einer bildhübschen, aber in Liebesdingen nicht zimperlichen Sängerin gelöst. Dank eines botanischen Elixiers, eben der Waldmeister Bowle, finden sich schlussendlich die richtigen Paare. Der damals schon 70jährige Johann Strauss hat die sinnlich prickelnde Herausforderung angenommen und 21 Jahre nach der Fledermaus ein von ohrgängigen Melodien sprühendes Loblied auf die Leichtigkeit des Daseins komponiert. Mit der Neufassung der Operette „Waldmeister“ für das Münchener Staatstheater am Gärtnerplatz und einem Gastspiel im Rahmen „Johann Strauss 2025“ im MQ (am Pult: Michael Brandstätter) erschließt sich nicht, warum dieses Werk für lange Zeit aus den Spielplänen verschwunden ist. Überlebt haben die Ouvertüre in den Programmen von Militärkapellen und damit auch der zentrale Walzer. Dabei wäre gerade die vor jugendlichem Übermut schäumende Handlung seelische Medizin in Zeiten, in denen es ohnehin nicht viel zu lachen gibt. Josef E. Köpplinger hat gemeinsam mit der Choreographin Ricarda Regina Ludigkeit der Inszenierung ein strahlendes Lächeln verpasst, ohne Scheu vor turbulenten Massenszenen und falscher Rücksichtnahme auf allgemein grassierende menschliche Schwächen. Wenn sich die von der Bowle besoffene Gesellschaft am nächsten Morgen halbnackt aufrappelt, dann sollten sich alle eines moralischen Ausrutschers gewärtig sein, auch die sittenstrenge Malvine (Regina Schörg), Gattin des Amtshauptmanns Christof Heffele.
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