Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Women at Work, Ausstellungsansicht © Technisches Museum Wien

Women at Work, Ausstellungsansicht © Technisches Museum Wien

WOMEN AT WORK Frauenpavillon Wiener Weltausstellung 1873

Weißnäherinnen bei der Anfertigung von Hemdkrägen, um 1910  © Technisches Museum Wien/Archiv

Weißnäherinnen um 1910 © Technisches Museum Wien/Archiv

Weibliche Lebens- und Arbeitsrealität im späten 19. Jahrhundert

Ausgerechnet Deutsch sprechende Hinterwäldler haben international Maßstäbe gesetzt. Vor 150 Jahren wurde auf der Wiener Weltausstellung neben den vielen anderen beeindruckenden Beweisen männlich dominierter Großtaten auch vor den Frauen eine Verbeugung gemacht. In der Österreichischen Monarchie hatte man offenbar den Wert erkannt, der von der weiblichen Hälfte der Bevölkerung ausging. Präsentiert wurde er im „Pavillon für Frauen-Arbeiten“. Was damals vielleicht kaum jemand geahnt hätte: Die Einrichtung wurde zu einem Fixpunkt aller folgenden EXPOs bis herauf nach Dubai und auch in Osaka in zwei Jahren wird diesem gesellschaftlich nach wie vor relevanten Thema ein eigener Pavillon gewidmet. Mittlerweile aber geniert man sich für die Erfinder dieser revolutionären Idee und nennt eine Hommage an diese Pioniertat in Hinsicht auf weltweite Verständlichkeit „WOMEN AT WORK“, mit dem verschämten Zusatz „150 Jahre Frauenpavillon der Wiener Weltausstellung“. Zu besuchen ist sie bis 2. Juli 2023 vor und im Festsaal des Technischen Museums Wien, sowie in einem übersichtlich organisierten Webauftritt (hier geht es zur Online-Ausstellung), in dem sie wohl als bleibende Einrichtung abrufbar bleiben wird.

Sträußchen mit Kunstblumen, um 1900 © Technisches Museum Wien/Archiv

Sträußchen mit Kunstblumen, um 1900 © TMW/Archiv

Telegrafistinnen im Postamt © Technisches Museum Wien/Archiv

Telegrafistinnen im Postamt © Technisches Museum Wien/Archiv

Es geht darin um die weiblichen Lebens- und Arbeitsrealitäten um 1873. Wer Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ gelesen hat, weiß, dass in Kakanien nichts ohne eine „leitende Central-Commission“ möglich war. Vertreter aus Adel und liberalem Bürgertum waren mit der Durchführung betraut und kamen aufgrund einer Flut von Einreichungen bald dahinter, dass die vorgesehen 300m2 zu wenig waren. Immer mehr kam zu Tage, wie viel Arbeit von den Frauen geleistet wurde. Es war zumeist schlecht bezahlte Beschäftigung in Fabriken, aber auch unsichtbare Tätigkeiten in der damals noch jungen Fotobranche oder den „Gewerben und Verkehrsanstalten“ der Habsburgermonarchie, in denen 1873 mehr als 150.000 Frauen und Mädchen Beschäftigung gefunden hatten. Angesichts der Unterlagen, die von einem Team um Mag. Dr. Martina Griesser-Stermscheg in diversen Archiven aufgestöbert werden konnten, bleibt nur das Staunen, was vor 150 Jahren Frauenhände geschafft und geschaffen haben. Zu sehen sind Telegrafistinnen im Postamt, Arbeiterinnen in der Zucht von Seidenraupen und bei der Verarbeitung dieses feinen Stoffes, „Künstlerinnen“ in einer Schmuckfedernfabrik oder die Fotografie einer Dame nach gefühlvoller Retusche.

 

Die Hauptverantwortung für die gelungene und wahrlich nachhaltige Gestaltung des Frauenpavillons hatten neben 20 Männern zweifellos die 32 Kuratorinnen in der Kommission.

Etliche von ihnen werden mittels eines Porträts vor den Vorhang geholt. So führte Auguste von Littrow-Bischoff (1819-1890) einen berühmten Salon und widmete sich unter dem Pseudonym Otto August schon früh der Frauenfrage. Wie sie war auch Gabriele von Neuwall (1824-1873) Mitglied im „Wiener Frauen-Erwerb-Verein“. Die Gattin des Burgtheaterdirektors Iduna Laube (1808-1879) war ebenfalls eine der Gründerinnen des Vereins. Standesgemäßen Unterrichts durfte sich Julie Freiin von Helfert (1832-1907) in ihrer Jugend erfreuen. Als Ehefrau eines Unterstaatssekretärs im Unterrichtsministerium war sie engagierte Vermittlerin zur Hohen Politik. Sie alle waren durchwegs Expertinnen für die mehr als komplizierten Frauenfragen ihrer Zeit. Es ging um elementare Bildung, um das Erlernen von Praktiken wie der Kunststickerei, um das Heranziehen von weiblichen Fachkräften in den steigenden Herausforderungen einer galoppierenden Technik und nicht zuletzt um die Überwindung eines Frauenbildes, das von einer spezifisch „weiblichen Natur“ und einer damit verbundenen Hemmung individueller Anlagen der Kinder geprägt war.

Iduna Laube, um 1870 © Technisches Museum Wien/Archiv

Iduna Laube, um 1870 © Technisches Museum Wien/Archiv

Ein Kunstwerk: Sujet der Ausstellung Bioinspiration © Technisches Museum Wien/Heimat Wien

Ein Kunstwerk künstlicher Intelligenz: Sujet der Ausstellung Bioinspiration © Technisches Museum Wien/Heimat Wien

BIOINSPIRATION Der Schöpfung auf die Finger geschaut

Tentakel von Kraken als Vorbild  für Saugnäpfe  © Parque de las Ciencias Granada

Kraken als Vorbild für Saugnäpfe © Parque de las Ciencias Granada

Eine Sonderausstellung als Einführung in Bionik und deren Potenzial für Innovation und Nachhaltigkeit

Die Lösung für so manches technische Problem liegt ganz offen vor unseren Augen. Man muss nur genau hinschauen. Leonardo da Vinci hat uns schon im 16. Jahrhundert mit der Nase drauf gestoßen, als er meinte, dass den Erfindungen der Natur nichts fehlt und nichts überflüssig ist. Immerhin hatte die Evolution an die 3,8 Milliarden Jahre Zeit, aus Trial & Error und beinharter Selektion das Optimum aus der Schöpfung herauszuarbeiten. Die Bionik ist ein relativ junger Zweig der Forschung. Der Begriff wurde 1960 erstmals vorgestellt. Das Kofferwort aus Bios (Leben) und dem Suffix „onics“ für Studium wird heute für ein mittlerweile weites Feld der Wissenschaft angewendet, das sich natürliche Phänomene, Prozesse und Mechanismen als Vorbilder zahlreicher technischer Entwicklungen zunutze macht.

Bioinspiration, Ausstellungsansicht © Technisches Museum Wien

Bioinspiration, Ausstellungsansicht © Technisches Museum Wien

Früchte der Klette und Klettverschluss © Parque de las Ciencias Granada

Klette und Klettverschluss © Parque de las Ciencias Granada

Ein gutes Jahr ist dazu im Rahmen von Alliance4Science nun die Ausstellung „BioInspiration – Die Natur als Vorbild“ im Technischen Museum Wien zu Gast. Konzipiert wurde sie ursprünglich für den Parque de las Ciendas in Granada, um Beispiele aus Architektur, Verkehr, Ingenieurwesen, usw. einem breiten Publikum im wahrsten Sinn des Wortes begreifbar zu machen. An einer stattlichen Anzahl von Stationen darf gestaunt werden, wie viel HighTech beispielsweise in einer Katzenpfote, den Flügelns eines Greifvogels oder einer Klette im Fell des Haushundes steckt. Der 1941 erfundene Klettverschluss ist mittlerweile allgegenwärtig. Die aufgebogenen Spitzen von Adlerschwingen kennt man von den Winglets an den Enden der Tragflächen moderner Jets.

Sie optimieren den Auftrieb. Just den Forschern in der Raumfahrt fiel die sanfte Landung des Heimtigers auf. Sie übertrugen die Dämpfsysteme auf Raumschiffe, ließen sich zudem von der Belastbarkeit von Schwammknochen zum Entwurf einer Mondbasis inspirieren, die den extremen kosmischen Belastungen in der Schutzlosigkeit des Alls standhalten soll, und kupferten von der Bienenwabe die effizienteste Form zum Ausfüllen einer Ebene ab. Nicht so neu sind die Schildkrötenformation römischer Legionäre oder die Anwendung der Strategie eines Schiffsbohrwurms im 1843 eröffneten Themse-Tunnel. An Ort und Stelle kann man nun selbst diese bionischen Entwicklungen testen und erkunden. Wenngleich die ganze Welt Natur ist, stellt sich am Ende dennoch die Frage, wie weit deren Kopie nachhaltig ist. Allerdings wird nach dem Rundgang klar, dass angesichts von Energiewende, Klimakrise und Umweltschutz gerade die Bionik die effizientesten Lösungsansätze für die größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt.

Bioinspiration, Ausstellungsansicht © Technisches Museum Wien

Bioinspiration, Ausstellungsansicht © Technisches Museum Wien

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