Kultur und Weindas beschauliche MagazinAlexander Nowotny © Rolf Bock DIE seltsame ERZÄHLUNG DER MAGD ZERLINE
Herr A., mehr ist nicht von ihm bekannt, will die Ruhe eines Sonntagnachmittags zu einem Schläfchen auf der Couch nützen. In die geplante Beschaulichkeit bricht jedoch das „Zimmermädchen“ der Baronin, bei der Herr A. zu Gast ist. Sie fängt zu reden an und gedenkt damit auch nicht aufzuhören, obwohl sie das Desinteresse des Mannes bemerken müsste. Aus Höflichkeit legt der nicht die Beine hoch, sondern hört ihr mit einem Ohr zu. Er sitzt dort stellvertretend für die Zuschauer, die ebenfalls lang im Unklaren gelassen werden, warum die alte Frau justament ihre Lebensbeichte loswerden will. Der Programmzettel verrät dazu, dass es sich um die legendäre Geschichte der Magd Zerline handelt, einer der elf Erzählung aus dem letzten Roman „Die Schuldlosen“, den Hermann Broch kurz vor seinem Tod 1950 veröffentlicht hat. Herr A. wird darin zum Moderator, dem es überlassen bleibt, mit den in feinsten Formulierungen geschilderten Nebenumständen den Redefluss von Zerline fallweise zu unterbrechen. Die betagte Magd wiederum erinnert sich wortreich an ihre Jugend, Dabei deckt sie Familiengeheimnisse ihres Brotgebers auf und schwelgt in erotischen Reminiszenzen mit einem Liebhaber.
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