Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Erwin Bail als Hans Zach  © Karin Vogt

Erwin Bail als Hans Zach © Karin Vogt

Mitterers MEIN UNGEHEUER als Parabel aus persönlicher Erinnerung

Erwin Bail und Helga Leitner als Rosa © Karin Vogt

Erwin Bail (Zach), Helga Leitner (Rosa) © Karin Vogt

Wenn sich das Leben weigert, mit dem Tod ins Grab zu gehen.

Trotz Saufen und Kartenspielen hatte Hans Zach ein stolzes Alter erreicht, als er im Qualm eines Schwelbrandes erstickt ist. Seine Rosa ist heilfroh darüber, diesen faulen und arbeitsscheuen Kerl endlich los zu sein. Aber nichts da! Zu früh gefreut! Er kommt wieder, ganz genauso, wie man ihn in den Sarg gelegt hat, mit verkohltem Gesicht und schwarzer rechter Hand. Das Hinscheiden hat ihren Zach in keiner Weise verändert, geschweige denn gebessert. Außer ihr sieht ihn freilich niemand. Man wundert sich höchstens, wenn sie anscheinend mit sich selbst hitzig verrückte Selbstgespräche führt. Hans redet noch genauso unnötiges Zeugs daher wie zu seinen Lebzeiten, wenn er angesoffen vom Wirtshaus heimgewankt ist. Trotzdem kommen nach und nach die einzelnen Stationen des unerträglichen gemeinsamen Daseins zur Sprache. Von der schnellen Heirat wegen ihrer Schwangerschaft, von den verunglückten Geburten und dem Hausbau, von dem er nicht das Geringste gehalten hat, von all dem ist die Rede. Sie gesteht ihm, ihn einmal betrogen zu haben, mit einem vierzehnjährigen Hüterbuben, besteht aber darauf, dass der erwachsene Sohn Felix von ihm und nicht von dem Franzosen im Arbeitsdienst ist. Zwei armselige Leben werden Punkt für Punkt aufgearbeitet, von einem Wiedergänger und dessen Witwe. Sie wird ihn erst los, als sie ihm widerstrebend die Hand zur Versöhnung reicht.

Helga Leitner (Rosa), Erwin Bail (Zach) © Karin Vogt

Helga Leitner (Rosa), Erwin Bail (Zach) © Karin Vogt

Helga Leitner (Rosa) © Karin Vogt

Helga Leitner (Rosa) © Karin Vogt

Felix Mitterer hat in diesem düsteren Drama Versatzstücke aus der eigenen Biografie verwendet. In berührender Offenheit erklärt er dazu, dass für Rosa seine leibliche Mutter, die ihn weggegeben hat, und seine Adoptivmutter untrennbar gemeinsam als Patinnen standen. Mit dem toten, aber hübschen Baby in der Schuhschachtel, mit dem Hans von Wirtshaus zu Wirtshaus zieht, ist seine Zwillingsschwester gemeint. Sie fehlt ihm bis heute. Die brutale Vaterfigur in diesem Stück wiederum treibt die Frau fast in den Wahnsinn. In „Mein Ungeheuer“ eröffnet Mitterer diesen zwei in ihrem Jammer gefangenen Leuten dennoch eine Tür zur Erlösung.

Er lässt sie ihren Frieden finden, wenn nach Jahrzehnten gegenseitigen Anschweigens oder noch schlimmer Anbrüllens alles ausgesprochen ist; wenn nicht anders, dann in einer fiktiven Reflektion zwischen Diesseits und Jenseits.

 

Im Theater Experiment steht dieses Werk noch bis 11. März 2023 auf dem Programm. Die Gelegenheit, diesen selten gespielten Mitterer auf dieser stimmungsvollen kleinen Bühne, bekannt für ihre engagierten Produktionen, zu erleben, sollte man nicht versäumen. Helga Leitner und Erwin Bail sind Rosa und Hans Zach, zwei authentische Darsteller, denen man auf der Stelle ihre Rollen abnimmt. Schauplatz dieser erbitterten „Wortschlacht“ (© Felix Mitterer) ist ein Friedhof und das Bett, in dem der Tote mit seiner Frau so gerne noch einmal liegen möchte, eine kalte Grabplatte. Schräge Töne einer Art musikalischer Begleitung kommen aus dem Theremin (ein 1920 erfundenes elektronisches Musikinstrument), bedient von Georg Albert. Die Ausstattung stammt von Erwin Bail, der mit Fritz Holy auch Regie geführt hat.

Erwin Bail (Zach), Helga Leitner (Rosa) © Karin Vogt

Erwin Bail (Zach), Helga Leitner (Rosa) © Karin Vogt

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