Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Helga Leitner, Erwin Bail © Karin Vogt

Helga Leitner (Liesl Karlstadt), Erwin Bail (Karl Valentin) © Karin Vogt

VALENTINADEN Bekannte und unbekannte Streiche

Helga Leitner als musizierende Chinesin © Karin Vogt

Helga Leitner als musizierende Chinesin © Karin Vogt

Erinnerungen an den Meister eines bitter schrägen Humors

Vor 75 Jahren ist Karl Valentin verstorben. Es geht das Gerücht um, dass er schlicht verhungert sei. Sein Unterhaltungsgeschäft florierte damals wirklich nicht. Man hat ihn offenbar nicht mehr verstanden. Der große Erfolg hatte sich bei ihm auch vorher nie eingestellt, weder mit seinen Filmen, seinen Kleinkunstprogrammen und schon gar nicht beim „Panoptikum“, einem Museum mit Gruselexponaten und dem Nagel, an den Valentin einst seinen bürgerlichen Beruf gehängt hat. Er war nie ein Belami, aber dennoch brachten ihn die Frauen ganz schön ins Schleudern. Obwohl er Familienvater war, hat er sich mit der Kollegin Elisabeth Wellano ein Gspusi angefangen. Als Liesl Karlstadt stand sie ihm über Jahre bei bösesten Blödeleien zu Seite, bis er, der zaundürre alte Kerl, diese treue Seele – saudumm! – gegen eine viel Jüngere eingetauscht hat. Trotz eines namhaften Verehrerkreises zu Lebzeiten, zu dem Thomas Mann, Bertolt Brecht oder sogar Samuel Beckett zählten, dauerte es nach seinem Tod einige Jahrzehnte, bis Karl Valentin zur Kultfigur wurde, zur Anerkennung als Erfinder einer unnachahmlichen Komik gelangte und den deutschen Zitatenschatz mit einer Fülle von ans Absurde grenzenden Grübeleien bereicherte.

Erwin Bail (Karl Valentin) © Karin Vogt

Erwin Bail (Karl Valentin) © Karin Vogt

Helga Leitner (Liesl Karlstadt) © Karin Vogt

Helga Leitner (Liesl Karlstadt) © Karin Vogt

Weithin gilt die Überzeugung, dass Karl Valentin nicht nachgespielt werden kann. Dennoch wagen sich immer wieder sowohl Komiker als auch ernsthafte Schauspieler an ihn heran. Unter diesen kaum zu erfüllenden Voraussetzungen ist als durchaus gelungenes Beispiel das „theater experiment am liechtenwerd“ zu nennen. Erwin Bail und Helga Leitner treffen einander in München, er mit dem Fahrrad und sie als Polizistin, die Probleme mit dem Notieren des Namens Wrtlbrmft hat. Sie werfen sich in schönen Worten die ärgsten Grobheiten ins Gesicht und treffen einander vor Gericht, um als Richterin und Angeklagter ein Feuerwerk an Sinnlosigkeiten abzubrennen. Eher unbekannt sind die Rede anlässlich einer Sitzung des Vereins der Katzenfreunde, die Geschichte vom Handel um den Preis für Ohrfeigen oder der im Grund tieftraurige „Brief an meine Tochter Bertl“. Erfreulicherweise wird nicht versucht, Bayerisch zu reden, und es wird penibel auf den Ernst in Gags und Pointen geachtet, um ein dickes Andenken an das wohl dünnste aller humoristischen Sprachgenies hochzuhalten.

Erwin Bail, Doris Drechsel, Alexander Nowotny © Karin Vogt

Erwin Bail, Doris Drechsel, Alexander Nowotny © Karin Vogt

NORA ODER EIN PUPPENHEIM Henrik Ibsens Plädoyer für Emanzipation

Doris Drechsel © Karin Vogt

Nora (Doris Drechsel) © Karin Vogt

Jeder Mensch muss ein selbstbestimmtes Leben führen dürfen (H. Ibsen)

„Das Puppenheim“ gilt als das erfolgreichste Stück des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen. Seine Botschaft ist zeitlos, da sie sich um Frauenemanzipation dreht, die bis heute ein großes Thema ist. Nicht zuletzt deshalb haben es die beiden Theatermacher Fritz Holy und Erwin Bail in das Programm ihres kleinen, aber traditionell mutigen Kellertheaters im 9. Bezirk übernommen. Verwendet wurde dafür die Übersetzung von Marie von Borch, die das Problem dieses Dramas bereits zu Beginn in der Wortwahl in den Dialogen deutlich erkennen lässt. Nora wird von ihrem Gatten nur mit kindlichen Kosenamen aus der Tierwelt angesprochen und wohl auch so betrachtet. Wenn sie sich nicht streicheln lassen will oder eine eigene Meinung zu äußern versucht, ändert sich schlagartig der Ton von liebevoll auf streng erzieherisch bis aggressiv bösartig.

Krogstad (Thomas Bauer), Christine Linde (Elisabeth Balog) © Karin Vogt

Krogstad (Thomas Bauer), Linde (Elisabeth Balog) © Karin Vogt

Nora (Doris Drechsel), Dr. Rank (Alexander Nowotny) © Karin Vogt

Nora (Doris Drechsel), Dr. Rank (Alexander Nowotny) © Karin Vogt

Neben dem todkranken Doktor Rank (Alexander Nowotny), der verarmten Freundin Christine Linde (Elisabeth Balog), dem in seinen Machenschaften gescheiterten Anwalt Krogstad (Thomas Bauer) und der Hausdame Anne-Marie (Biggy Waite) gibt Erwin Bail selbst den Hausherren Torvald Helmer. Energisch versucht er seine männliche Verbohrtheit gegen die vitale, aber über viele Ehejahre verkuschte Nora durchzusetzen. Doris Drechsel macht die Angst um ihr Geheimnis (sie hat aus Liebe zu Torvald Geld geborgt und dabei eine Unterschrift gefälscht) spürbar, lässt diese Frau zuletzt aber über sich hinauswachsen und sie nachvollziehbar den nicht nur für die damalige Zeit enorm mutigen Schritt setzen: Sie verlässt Kinder und Ehemann, ohne jede finanzielle Absicherung, um dem verhassten Puppenheim zu entkommen und sich selbst finden zu können.

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