Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 Paul Wiborny, Stephanie-Christin Schneider, David Czifer, Elsa Schwaiger © Fabian Steppan

Paul Wiborny, Stephanie-Christin Schneider, David Czifer, Elsa Schwaiger © Fabian Steppan

DER GOTT DES GEMETZELS Genüsslich beim Streiten zusehen

Der Gott des Gemetzels, Ensemble © Fabian Steppan

Der Gott des Gemetzels, Ensemble © Fabian Steppan

Aus „Shakespeare in Mödling“ wurde ein begeisterndes „Theater ab Hof“.

Es sind zwei vordere Zähne, die von Ferdinand Reille durch einen Schlag mit einem Stock ins Gesicht von Bruno Houillé beschädigt wurden. Die französische Autorin Yasmina Reza nimmt diesen Vorfall zum Anlass, die Eltern der beiden Knaben miteinander bekannt zu machen. Beide Ehepaare, wohnhaft in Paris, wähnen sich höchst kultiviert und wären bereit, das Malheur in eben dieser Weise zu bereinigen. Doch aus der anfangs distanziert freundlichen Diskussion wird nach und nach ein veritabler Streit, der aus allen vier Beteiligten Kontrahenten mit wechselnden Koalitionen macht. Die dünnen Fassaden, aufgetragen aus erwachsener Vernunft, bröckeln dramatisch, bis jede und jeder der Beteiligten ganz im Sinne eines unerbittlichen Gottes des Gemetzels in seinen Schwächen vorgeführt ist. Angesichts dieser bis zu körperlichen Übergriffen reichenden Auseinandersetzung erscheint die Rauferei der Buben nahezu unbedeutend und macht den eigentlichen Reiz dieser Komödie aus.

Paul Wiborny, Elsa Schwaiger © Fabian Steppan

Paul Wiborny, Elsa Schwaiger © Fabian Steppan

David Czifer, Elsa Schwaiger, Stephanie-Christin Schneider © Fabian Steppan

David Czifer, Elsa Schwaiger, Stephanie-Christin Schneider © Fabian Steppan

Das neue THEATER / AB / HOF unter der Intendanz von Clemens Fröschl, Samantha Steppan und David Czifer gibt mit diesem gern und oft gespielten Stück seinen absolut gelungenen Einstand im „Konzerthof“ des Stadtamts Mödling. Samantha Steppan als Regisseurin lässt die beiden Elternpaare mit ungemein realistischen Emotionen aneinander und ineinander prallen. Stephanie-Christin Schneider als Véronique Houillé gibt die sozialkritische Schriftstellerin und eine Mutter, die keinen Spaß versteht, wenn es um das Wohlsein ihrer Kinder geht. Sie weigert sich beharrlich, ihrem Sprössling zumindest eine Teilschuld an seinem ramponierten Gebiss anzulasten. Eine derartige Uneinsichtigkeit ist freilich jedem Versuch einer gedeihlichen Verhandlung bzw. Lösung abträglich.

Ihr Gatte Michel (David Czifer), ein Händler mit Metallgeschirr, sieht die Sache wesentlich pragmatischer, zumal er zugeben muss, selbst einst ein Bandenchef gewesen zu sein und überdies den Goldhamster seiner achtjährigen Tochter herzlos auf der Straße ausgesetzt zu haben. Ihnen gegenüber steht die elegante Annette Reille (Elsa Schwaiger), eine Vermögensberaterin. Sie neigt dazu, im Stress kotzen zu müssen und verliert ihre Souveränität vollends, als eine Rumflasche die Runde macht und sie zu herzhafte Schlucke davon nimmt. Paul Wiborny ist ein Alain, dem das Handy wesentlich wichtiger als ein Friedensschluss ist. Er lässt die anderen bei diesen Anrufen lautstark wissen, dass er als Rechtsanwalt den Skandal eines Pharmazie-Unternehmen zu decken versucht. Nicht nur für die Kampfhähne, sondern auch für das vom ständigen Klingeln genervte Publikum ist es eine Wonne, als sein Smartphone in der Schbeibe seiner Gemahlin landet. Es sind die feinen Gags, derentwegen man diese Farce auf unsere Gesellschaft immer wieder anschauen und dabei seine reiste Freude an den Querelen anderer haben kann.

David Czifer © Fabian Steppan

David Czifer © Fabian Steppan

THEATER / AB / HOF Logo 300