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 Ausstellungsansicht "Hannah Höch. Montierte Welten"  Foto: kunst-dokumentation.com, Manuel Carreon

Ausstellungsansicht "Hannah Höch. Montierte Welten" Foto: kunst-dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez; © Bildrecht, Wien 2024

MONTIERTE WELTEN Die vielschichtige Sicht der Hannah Höch

Hannah Höch, Um einen roten Mund, 1967 Foto: © Christian Vagt; © Bildrecht, Wien 2024

Hannah Höch, Um einen roten Mund, 1967 Foto: © Christian Vagt; © Bildrecht, Wien 2024

Dadaismus mit Leim und Schere im Kampf gegen allgemeine Gedankenlosigkeit

1918 entstanden die ersten Fotomontagen der damals 29jährigen Hannah Höch. Geboren wurde sie in Gotha und fand 1916 über den Maler Raoul Hausmann Anschluss an den in Zürich entstandenen Dada-Kreis, der von Beginn an auch in Deutschland auf fruchtbaren Boden fiel, zumal dort die Schrecken des Ersten Weltkrieges die Kunstszene von der ersten Begeisterung ernüchternd geheilt hatten. Für viele Protagonisten der jungen Moderne war diese Form der Anti-Kunst die einzig mögliche Antwort auf den unbegreiflichen Wahnsinn des gegenseitigen Umbringens.

Dem Waffenstillstand folgten politische Wirren, die zwischen kommunistischen und nationalsozialistischen Umsturzversuchen keine Mitte fanden. Ein großer Teil der Bevölkerung hatte resigniert und war zur leicht lenkbaren Schafherde für obskure Hirten geworden. Dieser fatalen Gleichgültigkeit setzte der Dadaismus seine „Montagen“ entgegen. Aus Zerlegen und neu Zusammensetzen von Fotos und Druckwerken entstanden zynische Kommentare, die einerseits Ärgernis erregen, andererseits auch eine neue Welt erschaffen wollten.

 Doppelt belichtetes Porträt von Hannah Höch, Fotograf unbekannt, o. J.  Berlinische Galerie
Hannah Höch, Staatshäupter (Detail), 1918-1920  Foto: © Christian Vagt; © Bildrecht, Wien 2024

o.: Hannah Höch, Staatshäupter, 1918-1920 Diese Arbeit ist Teil der ifa Kunstsammlung. Foto: © Christian Vagt; © Bildrecht, Wien 2024

l.: Doppelt belichtetes Porträt von Hannah Höch, Fotograf unbekannt, o. J. Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Repro: Anja Elisabeth Witte / Berlinische Galerie, © Bildrecht, Wien 2024

Hanna Höch nimmt als einzige Frau an der ersten Berliner Dada-Ausstellung 1918 teil. Sie ist bestens vernetzt und wird von ihren männlichen Kollegen in Deutschland und Frankreich (u. a. Tristan Tzara, Man Ray, Piet Mondrian) anerkannt. Dabei kommt sie auch mit dem noch jungen Film in Berührung. Durch Übereinanderlegen der Motive versucht sie die sich bewegenden Bilder in ihren Montagen in einem Stück (ähnlich den viel späteren Single-Frame-Movies des US-Fotografen Gregory Crewdson) zu kombinieren. Die Botschaften ihrer Werke sind deutlich, so klar, dass sie 1933 von den Nazis als „kulturbolschewistisch“ abgewertet werden. Hannah Höch zieht sich bis 1945 aus der Öffentlichkeit zurück. Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt wieder ihre Ausstellungstätigkeit, verbunden mit der Annäherung an einen lyrischen Surrealismus. In diesen Jahren schafft sie auch den Sprung über Europas Grenzen hinaus. Ihre Arbeiten werden beispielsweise 1948 im MOMA (NYC) und 1974 im National Museum of Modern Art in Kyoto gezeigt. 1978 stirbt Hannah Höch mit 88 Jahren.

 Hannah Höch, Liebe, 1926  Diese Arbeit ist Teil der ifa Kunstsammlung.  Foto: © Christian Vagt;

Hannah Höch, Liebe, 1926 Diese Arbeit ist Teil der ifa Kunstsammlung. Foto: © Christian Vagt; © Bildrecht, Wien 2024

Im Unteren Belvedere ist ihr nun die Ausstellung „Hannah Höch. Montierte Welten“ (bis 6. Oktober 2024) gewidmet. Möglich wurde die erstaunlich umfangreiche Schau dank einer Kooperation mit dem Zentrum Paul Klee in Bern. Anhand von 80 Fotomontagen, einer Auswahl von Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken und Archivalien aus ihrem Nachlass, nicht zuletzt auch mit Filmprojektionen von Hans Richter, László Moholy-Nagy oder Fernand Léger wird dem Wiener Publikum eine hierzulande eher unbekannte deutsche Künstlerin nahegebracht. Eröffnet wird damit ein Blick auf den Anfang der Moderne, den Höch nicht unwesentlich mitgeprägt hat, auch auf den Dadaismus, der nach wie vor als eine sperrige Materie der Kunstgeschichte gilt, und auf eine Frau, die ihre kritisch-provozierende Sicht der Welt den Zeitgenossen mit Leim und Schere erfolgreich vor deren verwirrte Augen geführt hat.

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