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 Ausstellungsansicht "Radikal! Künstlerinnen* und Moderne 1910–1950", Unteres Belvedere

Ausstellungsansicht "Radikal! Künstlerinnen* und Moderne 1910–1950", Unteres Belvedere Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

RADIKAL! Kunst von Frauen und queeren Menschen

Elizabeth Catlett, I Have Special Reservations... Pennsylvania Academy of the Fine Arts

Elizabeth Catlett, I Have Special Reservations... Pennsylvania Academy of the Fine Arts, Philadelphia © Bildrecht, Wien 2025

Geschlechtliche Zuordnung als neue kunsthistorische Kategorie

Das Gender-Sternderl steht ab nun am Ende des Wortes, zumindest im Belvedere, dessen Generaldirektorin unter dem Motto „Künstlerinnen* und Moderne 1910-1950“ Frauen und geschlechtsdiversen Personen eine umfangreiche Ausstellung gewidmet hat. Stella Rollig dazu im O-Ton: „Das Projekt hinterfragt die Vorstellung einer linearen Abfolge von Avantgarden und löst die präsentierten Künstlerinnen* aus tradierten kunsthistorischen Ordnungsmodellen, die zu ihrem Vergessen und ihrer fehlenden Repräsentation in musealen Sammlungen beigetragen haben.

In die gleiche Kerbe schlägt Kuratorin Stephanie Auer, wenn sie diesen künstlerisch tätigen Menschen für ihre Zeit ungewöhnlich selbstbestimmte Lebensentwürfe konzediert, „die sich gegen patriarchale Strukturen behaupten. Ihre Werke sind Akte der Emanzipation – Zeugnisse des Wandels traditioneller Rollen- und Geschlechterbilder.

 

Tatsächlich hat man die meisten der im Unteren Belvedere bis 12. Oktober 2025 vorgestellten Namen noch nie gehört. Dabei stellt sich natürlich auch die Frage, warum sie vergessen wurden. Beispiele dafür gibt es in jedem Genre. Opern, die nach der ersten Aufführungsserie im Archiv verschwunden sind, gibt es zuhauf. Bibliotheken sind voll mit Romanen, die über eine erste Auflage nie hinaus gekommen sind. Warum sollen nicht auch Massen von ungekauften Gemälden ihr Dasein in einem längst vergessenen Nachlass fristen. Solch traurige Ignoranz seitens der Nachwelt betrifft Männer, Frauen und alle, die sich ihrer geschlechtlichen Identität unsicher sind, gleichermaßen.

Was zum Erfolg führt, ist schwer zu sagen, am wenigsten ist es jedenfalls das persönliche Befinden derer, die diese Werke geschaffen haben, egal ob Musik, Literatur oder bildende Kunst. Das Kramen in derlei Depots ist jedoch spannend und birgt Überraschungen, die ein Revival dieser Schöpfungen geradezu herausfordern. Sie sind einfach stark, haben eindringliche Wirkung und zeugen von großem Können sowie faszinierenden Ideen. Damit ist auch die aktuelle Schau, entstanden in Kooperation mit dem Museum Arnhem und dem Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken, ein Beweis, wie viel große Kunst bis dato unbeachtet irgendwo geschlummert hat. Dank des unbestechlichen Urteilvermögens von Frauen wie Stella Rollig oder Stephanie Auer wurde sie mit Fug und Recht ans Licht der Öffentlichkeit geholt. Die Promenade vorbei an den irritierenden „Frauenfiguren“ (1932-1932) einer Charley Toorop, der kühlen „Braut mit Zigarette“ (1933) von Milada Marešová oder der surrealistisch anmutenden „Vogelscheuche“ (1945) als erschreckendes Symbol für den Krieg von Toyen ist unabhängig von der gutgemeinten gesellschaftlichen Botschaft ein tiefes Erlebnis des allgemeinen Aufbruchs der Kunst Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts.

oyen, Krieg (Die Vogelscheuche), 1945  8smicka Foundation, Humpolec / Foto: Polak

oyen, Krieg (Die Vogelscheuche), 1945 8smicka Foundation, Humpolec / Foto: Polak

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