Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Gut gewandet Romantik, Kunst und Geschichte erleben

Venedig im Winter -

mehr als Karneval

Richtig ist, dass einst der Karneval gut sechs Monate gedauert hat. Von Anfang Oktober weg mit ein paar Unterbrechungen herrschte in Venedig der Mummenschanz bis weit ins nächste Jahr hinein. Bei diversen Anlässen, so auch bei der Sensa, dem Fest der Auferstehung des Christi, dem wichtigsten Frühlingsfest in Venedig, bei öffentlichen Banketten und Amtseinführungen der Serenissima wurde immer wieder Maske getragen.

 

Die Zeiten freimütiger Ausgelassenheit sind längst Vergangenheit. Mit Napoleon und später mit den Habsburgern wurde sie von der Obrigkeit untersagt und die Lustbarkeit ähnlich wie bei uns in Wien in die Palazzi und damit in die Privatsphäre verlagert. Erst Ende der 1970er-Jahre hat man den Karneval als Touristenattraktion wieder aufleben lassen und überfüllt seither in den Tagen vor Aschermittwoch gnadenlos die engen Gassen der Stadt.

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l.g.o.: Santa Maria della Salute zeigt sich malerisch von der Ponte dell´Accademia aus.

l.o.: Maske der Colombine in der Werkstatt von Transparenze

l.u.: Der Musiker Bóka Bence mit einer Laute aus dem 19. Jahrhundert

r.o.: Verliebte Gondelfahrt in den schmalen Wassergassen Venedigs

r.u.: Kontrabass von Niccoló Amati, Cremona 1670


Die originalen Geigen, Mandolinen, Oboen und Gamben mit einem Kontrabass von Amati im Mittelpunkt finden sich ebenfalls. In San Maria del Giglio sind bei freiem Eintritt Instrumente aus der Zeit von Antonio Vivaldi (1648-1741) zu erleben. Zu sehen sind sie in großartiger Präsentation in Vitrinen. Zu hören sind sie in der Musik, von der man während des Rundgangs angenehm eingehüllt wird. Im Rahmen dieser Ausstellung ist auch die Werkstatt eines Instrumentenmachers dieser Zeit eingerichtet, mit allen Werkzeugen, die damals den Handwerkern zur Verfügung standen, bzw. heute noch stehen, denn in diesem Fach, im Bau edler Streich- und Blasinstrumente, hat sich bis in unsere Tage im Grunde nur wenig verändert.

 

Handwerkskunst ist an sich eine der Attraktionen Venedigs. Murano – Glas, Burano – Stickereien sind an sich weitgehend bekannt und somit auch überrannt, trotzdem ein Pflichtbesuch. Auf Burano, einer Insel im Norden, sind die Häuser unglaublich bunt, besser gesagt, jedes hat seine eigene intensive Farbe. Um sich von allen anderen abzusetzen, schreckt man auch vor abenteuerlichen Farben nicht zurück und lebt sich offenbar recht wohl in grellem Pink neben Nachbarn in giftigem Grün und knalligem Gelb.

r.o.: Schnitzer in seiner Werkstatt im Ghetto

r.u.: Ponte di Rialto in Weihnachtsbeleuchtung

l.o.: Glaskunst in Murano

l.u.l: Abenteuerliche Farben an den Häusern von Burano

l.g.r.: Meisterliche Stickarbeiten der Frauen von Burano


Die Masken selbst beherrschen das ganze Jahr über das Stadtbild. Damit behängte Standeln begleiten den Besucher auf den markierten Trampelpfaden durch das Gewirr der Kanäle zwischen Ferrovia (Bahnhof) und Markusplatz. Die meisten dieser Larven sind klarerweise Billigprodukte. Man braucht sich aber nur ein wenig umzusehen, um ein handbemaltes Stück als Souvenir erstehen zu können, beispielsweise in San Vio, wo man der jungen Malerin Elisa Zaffina dabei zusehen kann, wie sie mit feinem Pinselstrich das rotweiße Muster auf die Maske der Colombina aufträgt. In einer reizenden Mischung aus Italienisch und Englisch erzählt sie dabei, was es mit den einzelnen Figuren wie Harlekin, Zerbinetta & Co. auf sich hat.

Venedig macht eben kreativ...

Ein paar Schritte weiter sitzt auf einem kleinen Platz trotz empfindlich kalter Temperatur ein junger Mann mit Laute. Aus den warmen Handschuhen schauen nur die Fingerspitzen heraus. Er spielt eigene Kompositionen im Stil der Renaissance, wie er es ausdrückt.

 

Venedig macht eben kreativ, auch im Finden von Möglichkeiten, selbst geschaffene Kunst an den Mann zu bringen. Die Musik ist tatsächlich gut, klingt ganz so, wie sie vielleicht im 17. und 18. Jahrhundert bei den Festen der Patrizier zu hören war, wenngleich sein Instrument, wie der Musiker einräumt, „nur“ ein Nachbau aus dem 19. Jahrhundert ist.

Handwerkskunst ist an sich eine der Attraktionen Venedigs.

Das Ghetto im Nordwesten der Stadt, in Cannaregio, ist der Teil, der 1516 den Juden zugewiesen wurde. Angesiedelt war dort ursprünglich eine Gießerei für die Kanonen, mit denen Venedig verteidigt wurde (gettata – Guss). Die Juden waren stets ein wichtiges Bindeglied zwischen der Republik und den Muslimen der Levante, gleichzeitig waren sie Geldverleiher und damit für gedeihliche Handelsbeziehungen unerlässlich.

 

Heute wäre im Ghetto weder etwas von den Juden noch von den Gießereien zu bemerken, wäre da in einer Seitengasse nicht die Tür zu einer kleinen Werkstatt offen. „Permesso?“ „Si, avanti!“ Ein älterer Herr heißt den Besucher willkommen und stellt ihn im selben Atemzug vor das Problem, wie der Judenstern mit dem Weihnachtstern verbunden werden könnte. Die Menschen an der Krippe seien ja bis auf wenige Ausnahmen allesamt Juden, einschließlich „Gesù“ selbst, sinniert er und legt die beiden Sterne immer wieder anderes übereinander. Obwohl er im Ghetto seine Werkstatt hat, ist er kein Jude, sagt er, aber er hat viele jüdische Freunde in diesem Viertel.

In diesem Teil der Stadt verlaufen die Wasserwege gerade und werden als Rio bezeichnet. Befahren werden sie nicht von mit Touristen besetzten Gondeln, sondern von Frachtbooten. Sie versorgen die Stadt mit Waren. Deren Verteilung im Einzelnen besorgen Lastenfahrer, die per Hand hochbeladene Karren geschickt über die Brücken zwischen den Kanälen hieven. Folgt man ihnen neugierig, kann es passieren, dass man sich in diesem Labyrinth von abrupt endenden Gassen verirrt. Im Grunde führen aber alle Wege irgendwann zum Canal Grande.

 

Vaporetto Linie 1 ist eine praktische Verbindung vieler der Sehenswürdigkeiten Venedigs. Mit schwerem Motorengeräusch pendelt es gemächlich zwischen den Stationen, hindurch unter Ponte di Rialto und Ponte dell´Accademia. An dieser Brücke befindet sich eine Station, an der man quasi zur Kunst aussteigen kann. Die Akademie selbst bietet die klassischen Meisterwerke. Nicht weit davon entfernt wartet ein Best of der Kunst des 20. Jahrhunderts.

l.o.: Eingang zur Peggy Guggenheim Collection

l.u.: Verbeugung vor Giorgio de Chirico

r.o.: Frachtboote am Rio di S. Girolamo


Im Grunde führen alle Wege irgendwann zum Canal Grande.


1948 erwarb hier Peggy Guggenheim den Palazzo Venier die Leoni, oder exakt, das erste Geschoss, denn der Rest dieses Gebäudes wurde nie gebaut. Über die Gründe, warum es bei diesem baulichen Torso geblieben ist, wird viel gemunkelt. War es das von den anderen Palazzi abweichende Aussehen (vier gleichmäßige Fenster neben den Bögen in der Mitte anstelle der nach außen gesetzten Fenster) oder Eifersucht von Gegenüber, das keinen ebenso prachtvollen Palast vis-a-vis vor der Nase sehen wollte, man weiß es nicht genau.

 

Die Kunst eines Max Ernst, eines Pablo Picasso, Giorgio de Chirico oder Jean Arp hätte jedoch keinen passenderen Rahmen finden können, hätte sich vielleicht in der klassischen Architektur eines venezianischen Palazzos eigenartig ausgenommen. Die Sammlerin Peggy Guggenheim lebte hier 30 Jahre, um Künstler wie Bacci oder Tancredi zu fördern. Sie verstarb am 23. Dezember 1979. Bestattet ist sie im Garten ihres Museums.

Sehnsucht nach Venedig scheint eine weltweite Epidemie zu sein. Man begegnet allen Ethnien unserer Erde, die sich dem Zauber dieser Stadt ergeben, unabhängig von der Jahreszeit und vom Wetter. Ein nebeliger Tag hat ebenso seinen Reiz wie ein glühend roter Sonnenuntergang oder eine Nacht mit Vollmond. Die Massen von Besuchern ziehen natürlich auch Massen von Leuten an, die davon in irgendeiner Weise profitieren. Neben den Tauben bevölkern Schwärme von Straßenhändlern den Markusplatz und man sollte stets auf den Inhalt seiner Taschen achten.

 

Fremdenführer haben selbstverständlich auch durchgehend Saison, wobei eine Führung durch den Palazzo Ducale (Dogenpalast) oder San Marco garantiert eine Bereicherung des Besuches darstellt.

 

Doménica, der Tag des Herrn, bietet jedoch eine Möglichkeit, Venedig besonders intensiv zu empfinden. Der Markusdom ist für Touristen geschlossen. An der Seite darf man ihn aber zum Messbesuch betreten. Man sollte das Versprechen einhalten, sich hinsetzen, während die Messe gelesen wird und sich von den phantastischen Klängen, mit denen ein Chor die mit goldenen Mosaiken geschmückten Bögen und Kuppeln des Domes erfüllt, in das Venedig der eigenen Träume entführen lassen.

 

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