Kultur und Weindas beschauliche MagazinMALINA, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater MALINA Das Protokoll einer gequälten Seele
Regisseurin Claudia Bauer beschreibt MALINA als einen „Liebesroman aus Notwehr“. Tatsächlich sind es zwei Männer, die um die weibliche Hauptperson eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Der eine ist Ivan, ein Lebemann aus der Nachbarschaft, mit dem sie eine intensive Beziehung einzugehen versucht und es mit ihm bis ins Bett schafft. Das Wort Liebe wäre zu stark für dieses Zusammentreffen zweier Menschen, aber es entwickeln sich Gefühle und Sehnsüchte, vor allem aber das Bewusstsein der Erzählerin, der Welt nicht abhanden zu kommen. Das andere männliche Wesen ist MALINA, eine geheimnisvolle androgyne Erscheinung, die sich im Schachspiel als Gewinner und bei der Warnung vor übertriebenem Tablettenkonsum manifestiert. Im Übrigen ist er nicht mehr als ein Mitbewohner in der Ungargasse 6 im dritten Wiener Gemeindebezirk, ohne den sie aber nicht existieren will. Das ist, kurz gesagt, der Inhalt des einzigen Romans von Ingeborg Bachmann, der dennoch für eine Verfilmung und nun für ein Theaterstück gereicht hat. Die Sprache Bachmanns entbehrt jeder Lesefreundlichkeit. Assoziativ reihen sich Gedanken aneinander, tief verwoben in der lyrischen Domäne der Dichterin, schwer verständlich, schillernd und weit weg davon, persönliche Geheimnisse preiszugeben. Um damit über zwei Stunden ein Publikum bei der Stange zu halten, bedarf es einer Fülle an Ideen seitens der Regisseurin. Claudia Bauer setzt auf ein lebhaftes Bewegungsprogramm und zum guten Teil auf Musik. Peer Baierlein hat dafür die Kompositionen geschaffen, die unter dem Dirigat von Alexander Znamensky und den Soundscapes von Igor Gross im Graben vor der Bühne umgesetzt werden.
Irem Gökçen, Friederike Tiefenbacher © Marcel Urlaub / Volkstheater ÖL! Der böse, böse Sprit unseres Daseins
Upton Sinclair (1878-1968) war ein ungemein produktiver Autor, dessen Ideen nahezu unerschöpflich wie eine kalifornische Ölquelle sprudelten. Sein auch in Europa bekannter Roman „Oil!“ erschien 1927. Die Namensgleichheit mit dem Unternehmen Sinclair Oil dürfte ein Zufall sein. Die in dem Buch erzählte Geschichte entzaubert den amerikanischen Mythos vom allgewaltigen Segen des Erdöls, sie schildert anschaulich und mitreißend das gewissenlose und erfolgreiche Vorgehen der Ölbarone in der Person von J. Arnold Ross ebenso wie frühe Gegnerschaften und gegen diesen Rausch aufkeimende Bedenken seitens seines Sohnes Bunny und erster Mitstreiterinnen. Man sollte das Werk allerdings gelesen haben, bevor man sich der Bühnebearbeitung von Sascha Hawemann und Anne-Kathrin Schulz im Volkstheater aussetzt. Sie degradiert die literarische Vorlage zu einer Rahmenhandlung und versucht in einer wenig logischen Aneinanderreihung von Szenen, einer Art krampfhaft lustiger Sketches, Probleme wie Erderwärmung, Kriege, Faschismus oder soziale Missstände sicht- und hörbar zu machen. Ist ja alles gut gemeint, genauso wie die Aktionen der Klimakleber, nervt aber auch gutwillige Zeitgenossen, da keine Lösung angedacht oder in emotionalen Vorträgen von der Rampe zur Diskussion gestellt wird.
Die Bühne (Wolf Gutjahr) bietet ein in diesem Haus bereits gewohntes Chaos, ähnlich einem unaufgeräumten Kinderzimmer mit Minibohrtürmen auf dem mit Federn überdeckten Boden vor einem aufdringlich bedeutsam strahlenden Kreuz. Von dort geht´s hinauf zu riesigen Projektionsflächen mit schlecht synchronisierten Videos (die Mundbewegungen gehen dem Ton deutlich voran, wofür der umtriebige Georg Vogler an der Livecam das wenigste kann) zurück zu Darstellern, deren Fähigkeiten nicht selten auf dümmliches Kasperln reduziert werden.
APOKALYPSE MIAU von Kristof Magnusson / Regie Kay Voges Ensemble © Birgit Hupfeld APOKALYPSE MIAU Ein schwarzes Loch frisst das Theater Kaum eine andere Community spiegelt deutlicher gesellschaftliche Diversität als eine zufällige Versammlung von Theaterleuten. Für ein solches Meeting schien dem isländisch-deutschen Schriftsteller Kristof Magnusson eine Preisverleihung als der ideale Ort, um Eitelkeiten, seltsame Ideale, allerhand kuriose Moden und reinsten Egoismus auf großer Bühne zu zelebrieren. Das Publikum wird mit einer Komödie angelockt, um den hemmungslos sich selbst Feiernden entsprechenden Applaus zu sichern. Dass der rote Teppich schlussendlich in den Weltuntergang führt, ist nur ein Gag, der sich aber zum Träger einer an sich knappen Handlung auswächst. „Apokalypse Miau“ lässt knapp drei Stunden anhand der Verleihung dieser Auszeichnungen darüber schwanken, ob man lachen darf, wenn um Nebensächlichkeiten wie Gendern, Veganismus oder Leuchtstifte im Arsch von Tänzern erbittert gestritten wird. Oder ist eher Weinen angesagt, wenn Teile eines Meteoriten krachend die Stadt treffen, Häuser in Flammen aufgehen und der Strom mitsamt dem Internet ausfällt. Unwillkürlich stellt sich eine Ahnung ein, dass es so und nicht anders derzeit in Cherson oder Kiew nach Bombardements durch Putins Raketen zugehen muss. Michael Sieberock-Serafimowitsch hat für das Volkstheater die Bühne dieser üppigen Satire gestaltet. Zuerst darf ganz unbedarft geklatscht werden, wenn Evi Kehrstephan als unerschütterlich optimistische Moderatorin Bonnie van Klompp mit dem üblichen strahlenden Gesicht hartnäckig den Genetiv des „Destroy Preis“ ignoriert. Charmant begleitet wird sie von Irem Gökçen und Magdalena Simmel, die später als reizend piepsende Teletubbies jede noch so angespannte Atmosphäre – winke, winke – auflockern. Aufklärung über die tatsächlichen Befindlichkeiten gibt es erst, wenn die Protagonisten in der Lounge auf ihren großen Auftritt warten. Vor dem großen Fenster mit grandioser Aussicht auf die Stadt erinnert sich der Vertreter unerbittlichen Regietheaters, Wenjamin Olinde (Andreas Beck), mit der von Träumen zur Weltverbesserung besessenen Kollegin Meta Gleiberg (Anke Zillich) an eine epochale Faust-Inszenierung im Stadttheater St. Pölten.
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