Kultur und Weindas beschauliche MagazinSchöner Wohnen im Roten Wien, Ausstellungsansicht SCHÖNER WOHNEN 100 Jahre Gemeindebau im Roten Wien
Mit 100 Punkten war man (unter Umständen) dabei, um aus einer überbelegten „Gangküchenwohnung“ in mindestens 38 Quadratmeter nutzbare Bodenfläche mit Abort, Wohnküche und einem Zimmer umziehen zu können. Was sich heute nicht gerade üppig ausnimmt, grenzte damals bereits an Luxus. Um 1900 waren die Verhältnisse für die Mehrheit der Wiener Bevölkerung äußert trist. Man fristete sein Dasein in hoffnungslos überbelegten Schlafstellen, ohne fließend Wasser und ohne Elektrizität. Erst mit dem Erringen der absoluten Mehrheit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei am 4. Mai 1919 konnte mit einem damals längst fälligen Reformwerk begonnen werden. Die Bedingungen waren äußerst schwierig. So meldete die Arbeiter-Zeitung nach den Wahlen: die christlichsoziale Hinterlassenschaft ist entsetzlich: „Die Kassen der Gemeinde sind leer.“ Der Gerechtigkeit halber muss erwähnt werden, dass in den Jahren zuvor der Erste Weltkrieg allgemein für Not und Elend gesorgt hatte. Was blieb Finanzstadtrat Hugo Breitner anderes übrig, als eine neue Abgabe, die Mietzinsabgabe, einzuführen, die ab 1923 als zweckgebundene Wohnbausteuer einen bis dahin ungekannten Aufschwung ermöglichen sollte. Ein Punktesystem, das die Wohnungswerber in Dringlichkeitsstufen einteilte, schuf Transparenz. 1927 herrschte bereits Optimismus: „Bis zum Jahre 1932 wird die Gemeinde rund 65.000 neue Wohnungen besitzen.“
In den Wohnungen der Gemeinde herrschten strenge Vorschriften. Wer einen Schlüssel für eine solche Bleibe ergattert hatte, wurde rundum versorgt, aber auch belehrt und ermahnt. Stadtrat Julius Tandler brachte es auf den Punkt: „Die Menschen, die in unseren neuen Häusern wohnen, sind neue Menschen, leben und atmen nicht nur in neuen Räumen, sondern fühlen und denken auch anders.“ Aber auch diese Leute wollten ihre Räume hübsch und mit ein bisschen großbürgerlichem Schischi herausputzen, ganz gegen die Intentionen der Architekten, denen eine proletarische Wohnung mit eigenem Stil und eigener Kultur, vor allem aber Bescheidenheit vorschwebte.
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