Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Bumm Tschak, Ensemble © Tommy Hetzel

Bumm Tschak, Ensemble © Tommy Hetzel

BUMM TSCHAK wummern die Bässe im „Schafott“

Bumm Tschak, Ensemble © Tommy Hetzel

Bumm Tschak, Ensemble © Tommy Hetzel

Eine tröstliche Botschaft: Auch Autokraten könnten ihren Kopf verlieren.

Die Kanzlerin hat freie Wahlen gewonnen, angeblich mit absoluter Mehrheit. Eine ihrer ersten Maßnahmen soll die Wiedereinführung der Todesstrafe sein. Dazu braucht man allerdings auch einen Scharfrichter, der die Verurteilten todsicher exekutiert. Fündig wird sie im angesagtesten Club der Stadt, dessen Namen bereits Programm zu sein scheint. Geführt wird das „Schafott“ von Josef, der die Bedürfnisse seiner Gäste kennt. Die Zeiten sind düster und die von mächtigen Bässen getragene Musik erlaubt eine Flucht aus der tristen Wirklichkeit. Der bieder klingende Vorname des Managers ist ein Hinweis auf die Person, die eigentlich dahinter steckt. Ferdinand Schmalz, der Autor von „Bumm tschak oder der letzte Henker“, erinnert damit an Josef (Pepi) Lang, der bis zum Ende der Monarchie dieses harsche Amt virtuos ausgeführt hat. Lang war unter anderem Kaffeesieder und seltsamerweise äußerst populär. Seine Erinnerungen wurden noch zu Lebzeiten aufgeschrieben und enden mit dem tragischen Irrtum, das er der „Letzte seiner Zunft“ in Österreich gewesen sei. Nach einer kurzen Unterbrechung in der Ersten Republik gab es bis 1950 weit mehr Hinrichtungen als zu seiner Zeit.

Mehmet Ateşçi, Stefanie Dvorak, Sarah Viktoria Frick © Tommy Hetzel

Mehmet Ateşçi, Stefanie Dvorak, Sarah Viktoria Frick © Tommy Hetzel

Max Simonischek, Melanie Kretschmann © Tommy Hetzel

Max Simonischek, Melanie Kretschmann © Tommy Hetzel

Burgchef Stefan Bachmann hat dieses „Richtspiel“ in beklemmender Weise für das Akademietheater inszeniert. Der Club ist eine schiefe Ebene aus grauem Metall unter dem Fallbeil und braucht für die Gefängnisszene kaum Umbau. Darin krabbelt, klettert und balanciert ein Ensemble, das seine Botschaften aus einer nicht fernen Zukunft tapfer zu uns jetzigen herüber deklamiert. Wer Zutritt erlangt, bestimmt die „strenge Tür“, als die Stefanie Dvorak in übertrieben prächtiger Kleidung ihres Amtes waltet und in ihrer gespielten Ernsthaftigkeit sogar verlegene Lacher im traurigen Geschehen erntet. Als sie die beiden Schergen des Systems (Mehmet Ateşçi, Sarah Viktoria Frick) abweisen will, fällt ihr Josef in den Rücken und erlaubt ihnen den Zutritt. Max Simonischek ist der coole Betreiber des Lokals, dessen Attraktion eine Guillotine für mitternächtliche Spielchen ist.

Mit Flamboyanza (Thiemo Strutzenberger) scheint Josef eine Partnerschaft zu pflegen. Am Herzen liegt ihm aber auch Flo. Maresi Riegner ist die junge Frau, die einen Staatsakt durch eine Schüttaktion gestört hat. Sie wird aufgegriffen, eingesperrt und Josef von der Kanzlerin als Pfand gegen eine Gefälligkeit angeboten. Er soll einen Delinquenten hinrichten. Stefan Wieland legt als verurteilter „Zauberer“ wohltuende Gelassenheit an den Tag und macht dadurch dem Scharfrichter mit dem großen Beil die Ausführung nicht gerade leichter. Mit der einer Politikerin würdigen Überheblichkeit tanzt Melanie Kretschmann im Club ab und verkündet ein Regierungsprogramm, das auch in der Gegenwart nicht unbekannt ist. Sie will Autokratin sein und mit Willkür herrschen. Vorbilder hat sie derzeit ja genug. Ferdinand Schmalz will sich damit aber nicht abfinden. Leider, denn in dem Moment, in dem ihr Kopf in den Schwitzkasten von Josef gerät, erhält das Ganze einen optimistischen Touch und wird angesichts gegenwärtiger Trends sehr leicht zu einem utopischen Fake.

Maresi Riegner, Max Simonischek © Tommy Hetzel

Maresi Riegner, Max Simonischek © Tommy Hetzel

 Stefko Hanuschevsky © Tommy Hetzel

Stefko Hanuschevsky © Tommy Hetzel

Stefko Hanushevsky erzählt: DER GROSSE DIKTATOR

 Stefko Hanuschevsky als Hynkel © Tommy Hetzel

Stefko Hanuschevsky als Hynkel © Tommy Hetzel

Ein kleiner Friseur à la Charly Chaplin warnt vor der Wiederkehr von Anton Hynkel & Co.

Vor einigen Wochen hätte man noch gesagt: Der übertreibt, wenn er allüberall im Lande Nazis ortet. Seit der jüngsten Wahl zum Nationalrat muss man zugeben, Stefko Hanushevsky hat nicht unrecht. Bei einem solchen Rechtsruck läuft es einem kalt über den Rücken. Gemeinsam mit Rafael Sanchez (Schweizer Regisseur & Intendant) und petschinka (Maler, Schriftsteller & Regisseur) verbindet der Schauspieler das Leben eines kleinen Friseurs aus dem Mühlviertel (OÖ) im Einmannstück „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“ mit dessen Vorbild Charly Chaplin. Schauplatz der kabaretthaft witzigen und doch erschreckend ernsten Erzählung ist ein Reisebus der Firma Habermayr, der aufgrund eines Reifenplatzers auf dem Obersalzberg liegengeblieben ist (Bühne: Sebastian Bolz). Als Reisführer für Amis, die partout die Schauplätze des Dritten Reiches besuchen wollen, will sich Stefko das Geld für die Ausbildung zum Schauspieler verdienen.

Stefko Hanuschevsky © Tommy Hetzel

Stefko Hanuschevsky beim Bundesheer © Tommy Hetzel

Stefko Hanuschevsky in New York © Tommy Hetzel

Stefko Hanuschevsky in New York © Tommy Hetzel

Hanushevsky ist ein begnadeter Plauderwastl, sowohl in Deutsch als auch in Englisch, braucht sich also um Trinkgeld von den g´stopften Touristen keine Sorgen zu machen. Immer die rechte Geschichte am rechten Ort zur rechten Zeit, das ist seine Devise, mit der es ihm gelingt, nicht nur die aufgrund des unfreiwilligen Aufenthalts unrund gewordenen Herrschaften, sondern auch das Publikum des Akademietheaters bei Laune zu halten. Umständehalber hatte er als Fünfzehnjähriger den Friseurladen von seiner Mutter im Heimatort Krähwinkel übernommen.

Vom Bürgermeister abwärts schor er den rechten Recken von Trachtenverein und Kameradschaftsbund bis hinab zum alten Ewiggestrigen Otto Grauberger den Kopf. Schon als Kind spielte, sang und tanzte der Bub und wurde deswegen vom reichen Onkel aus Amerika nach New York eingeladen, um dort auf dem Broadway Karriere zu machen. Dass es nicht geklappt hat, lag an der neuen Frau des Onkels, die den jungen Mann ihrem alten Gemahl vorzog. Wieder zuhause geht es zum Bundesheer, wo ebenfalls Nazis ihr übles Spiel mit ihm treiben. Mit seinem Job bei Habermayr gelangt er an die Orte der NS-Verbrechen, die sich nicht nur bei den Besuchern aus Übersee, sondern auch bei der eigenen Bevölkerung größten Interesses erfreuen. Der große Diktator lebt, wenn Stefko einen strahlend weißen Hynkel seine absurde Rede halten lässt. Doch statt mit der Weltkugel zu spielen, ist sein Darsteller in ihr gefangen. Das Ende nach einer Stunde und zwanzig Minuten ist überraschend bitter – bis zum letzten Lacher – und wird doch mit großem Applaus für Darsteller und Leadingteam bedankt.

Stefko Hanuschevsky bei der Einleitung des Monologs © Tommy Hetzel

Stefko Hanuschevsky leitet den Monolog ein © Tommy Hetzel

Der eingebildete Kranke, Ensemble © Tommy Hetzel

Der eingebildete Kranke, Ensemble © Tommy Hetzel

DER EINGEBILDETE KRANKE Das Klistier mit dem Duft von 4711

Rosa Enskat, Ernest Allan Hausmann © Tommy Hetzel

Rosa Enskat, Ernest Allan Hausmann © Tommy Hetzel

Molière in deutscher Gründlichkeit zeitgemäß kritisch überschrieben

Den Argan hätte Regina Fritsch spielen sollen. Regisseur und Burgdirektor Stefan Bachmann erschien jedoch vor dem Vorhang, beruhigte das Publikum und teilte mit, dass die Schauspielerin aus gesundheitlichen Gründen nicht auftreten könne. Statt ihr sprang im letzten Moment die ursprüngliche Darstellerin der Hauptrolle im Schauspiel Köln ein. Rosa Enskat übertrug Charme und Witz vom Rhein an die Donau und begeisterte damit das Wiener Publikum. Ihre pointierten Überlegungen, die von der Colon Darmreinigung über Kolonisation bis zum Kölnischwasser führten, wurden dankbar mit Lachern quittiert. Der neue Schauplatz dieser Komödie war damit zur Nebensache geworden. Vielmehr ging es um die Geschlechterrollen, die von Bachmann zu einer humorigen Aufarbeitung jeder Spielart von LGBTQIA+ verwirrt wurden und sich in unserer von Social Media ohnehin vereinheitlichten Sprache kritisch Wehleidigkeit, Falschheit und Umständlichkeit ungemein aktuell ausnimmt.

Ulrike Greuter, Rosa Enskat © Tommy Hetzel

Ulrike Greuter, Rosa Enskat © Tommy Hetzel

Paul Basonga © Tommy Hetzel

Paul Basonga © Tommy Hetzel

Als Endpunkt allen Lebens, ob echt krank oder nur eingebildet, spielen alternierend Ulrike Greuter oder Sophie Hoidinger-Koch als Tod geschminkt mit einer Violine zu einem heiteren Totentanz auf. Dazu hüpft Paul Basogna als Angélique wie ein Teddybär um seinen Vater Argan. Der will den Sohn seines teuren Arztes Doktor Purgon (Barbara Fritsch in kriegerischer Aufmachung und mit männlich tiefer Stimme) zum Schwiegersohn und übersieht dabei geflissentlich, wie dumm und patschert der junge Mann ist (Justus Maier spielt den Thomas mit gekonntem Klamauk).

Angéliques Herzblatt heißt bekanntlich Cléante. Lola Klamroth stellt den jungen Mann in die woke Ecke, in der alles was Liebe und Sex betrifft, ungemein kompliziert ist. Die Böse schlechthin ist die attraktive Béline (eine Dragqueen der Sonderklasse: Tilmann Tuppy), die nunmehrige Gattin von Argon. Ihre Machenschaften wären erfolgreich, gäbe es nicht Béralde, den mit gesunden Ansichten und fester Stimme ausgestatteten Bruder des siechen Hausherren. Wenn Ernest Allan Hausmann erscheint, dann ist klar, dieser Mann wird sich durchsetzen, sowohl gegen Erbschleicherei als auch gegen die nicht existenten Krankheiten Argons. Köstlich und mit Sonderapplaus bedacht ist sein wortgewaltiges Plädoyer gegen die bei uns gebräuchliche Medizin. Für ihn ist sie nichts als ein riesiger Betrug. Mit tatkräftiger Hilfe der Dienerin Toinette (Melanie Kretschmann mit Micky Maus Haarschleife und verwegen hoch geschlitztem Kleid) schafft er es besser als jeder Arzt, den eingebildeten Kranken zu kurieren und diese in deutscher Gründlichkeit überschriebene Komödie des großen Molière einem von diesem vorgesehen Happy End zuzuführen.

Rosa Enskat, Tilman Tuppy © Tommy Hetzel

Ulrike Greuter, Rosa Enskat, Tilman Tuppy © Tommy Hetzel

Michael Maertens, Roland Koch © Matthias Horn

Der einsame Westen Michael Maertens, Roland Koch © Matthias Horn

DER EINSAME WESTEN Die düstere Seite der irischen Seele

Michael Maertens, Roland Koch © Matthias Horn

Michael Maertens, Roland Koch © Matthias Horn

Eine Handlung, getragen von Schnaps, Bosheit und leichtfertigem Umgang mit dem Leben

Zwei Brüder sind gemeinsam alt geworden. Zu ihren ständigen Ritualen zählt neben übermäßigem Alkoholkonsum der tägliche Streit bis zur handfesten Rauferei. Gründe dafür gibt es genug, angefangen von gegenseitigen Anfeindungen bis zu konkreten Streichen, die nur ein Ziel haben, dem anderen zu schaden. Keiner von den beiden hat es je zu einer Frau, geschweige denn zu einer Familie gebracht. Ihr Vater wurde von einem der Brüder erschossen, angeblich durch einen unglücklichen Unfall. Der Priester ihrer katholischen Pfarrgemeinde ist ein gern gesehener Saufkumpan. Mit dem Fusel versorgt werden sie von einer jungen Frau, die in der schwankenden Männerrunde für leise Unruhe sorgt. Ort des bizarren Geschehens ist eine kleine, anscheinend auch von Gott vergessene Ortschaft im Westen von Irland. Der Autor selbst ist ebenfalls Ire. Martin McDonagh erspart seinen Landsleuten in seinen Stücken keine Kritik, wenn er ihre Perspektivlosigkeit und alle ihre anderen Schwächen ungeschönt auf die Bühne stellt – mit grandiosem Erfolg als einer der meistgespielten britischen Autoren.

Lili Winderlich, Itay Tiran © Matthias Horn

Lili Winderlich, Itay Tiran © Matthias Horn

Lili Winderlich, Michael Maertens, Roland Koch, Itay Tiran © Matthias Horn

Lili Winderlich, Michael Maertens, Roland Koch, Itay Tiran © M. Horn

„The Lonesome West“ ist der dritte Teil einer Trilogie, der in der Übersetzung von Martin Molitor und Christian Seltmann unter dem Titel „Der einsame Westen“ im Akademietheater Premiere feierte. Inszeniert hat Mateja Koležnik, eine ausgewiesene Spezialistin für MacDonagh. Sie schafft gezielt die Tristesse, die weder von einer alterschwach blinkenden Neonröhre noch von den Blitzlichtern aus deftigem Wortwitz und bitteren Pointen wirklich aufgehellt wird. Auf der von Raimund Orfeo Voigt als herabgekommene Bleibe gestalteten Bühne machen einander Roland Koch als Coleman Connor und Michael Maertens als Valene in brüderlicher Gehässigkeit ein ohnehin sinnloses Leben schwer.

Der eine schneidet dem Hund des anderen die Ohren ab, bevor er ihn umbringt, der andere lässt seinen Bruder ätzend spüren, dass er, und nur er, das Geld hat, um Chips oder einen Backofen zu kaufen, in dem als Retourkutsche dessen Sammlung von Heiligenfiguren aus Plastik eingeschmolzen wird. Das einzig Verbindende ist die Flasche mit hochprozentigem Poitín, die sie nolens volens mit Pater Welsh (Itay Tiran) teilen. Der junge Geistliche zweifelt zutiefst an seiner Berufung zum Priester. Als Seelsorger kann er nicht verhindern, dass sich seine Pfarrkinder gegenseitig oder selbst am laufenden Band das Leben nehmen. Er flüchtet, wie seine beiden Freunde, in schweren Alkoholismus. Als seine letzte große Aufgabe sieht er die Versöhnung der Brüder. Dabei übersieht er die Signale der jungen, an sich fröhlichen Girleen Kelleher (Lili Winderlich). Sie gibt sich Männern gegenüber verschlossen und hat doch eine Sehnsucht nach Liebe, die sich aber zu spät offenbart, nämlich erst dann, als Pater Welsh bereits im Wasser den Freitod gesucht hat.

 Der einsame Westen Itay Tiran, Michael Maertens © Matthias Horn

Der einsame Westen Itay Tiran, Michael Maertens © Matthias Horn

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