Kultur und Weindas beschauliche MagazinEnsemble © Gregor Nesvadba MY FAIR LADY hots va Graz nach Bodn vaschlogn
Dieser Professor Henry Higgins ist ja wirklich ein Ekel, wenn er das Blumenmädchen namens Eliza bis aufs Blut quält, sie tage- und nächtelang die Konsonanten hersagen lässt und dabei so grob über sie d´rüberfährt, dass man aufspringen möcht´, um ihn zur Rede zu stellen. Der einzige, der das könnte, ist ein gewisser Oberst Pickering, aber der hält sich fein heraus, weil es ihm um eine Wette geht, die menschenverachtender nicht sein könnte. Eine Frau wird zum Gegenstand, zum Kunstprodukt eines Mannes, der schließlich seiner eigenen Überheblichkeit unterliegt. Nur ein Zyniker wie Bernard Shaw konnte sich eine solche Handlung erdenken, angeregt von der mythologischen Gestalt des Bildhauers Pygmalion, der sich in die von ihm geschaffene Statue verliebt hat. Über Umwege wurde daraus das Musical „My Fair Lady“, vertont von Frederick Loewe, der mit dem Libretto von Alan J. Lerner einen Broadwayhit geschaffen hat, der in kürzester Zeit die Musiktheater der Welt erobert hat und mit seiner beachtlichen Reihe von ohrgängigen Melodien bis heute ein Erfolgsgarant ist.
Wenn Eliza auf der Bühne Baden auftritt, dann muss sie wie die anderen Beteiligten auch aus Österreich stammen, ist Hausherr Michael Lakner als Regisseur überzeugt. Statt in Cockney Englisch macht Patrizia Unger mit charmantem „Stoasteirisch“, ihrer Grazer Muttersprache, Oliver Baier als Sprachwissenschaftler Henry Higgins auf sich aufmerksam. Ort der ersten Begegnung ist der Grüne Markt, auf dem sich Ballett und Chor als Händler und Kundschaft zwischen einigen Müllmännern herumtreiben. Einer der orangen Abfallbeseitiger ist Lizas Vater Alfred P. Doolittle (Andreas Steppan), der ohne Geld und in wilder Ehe glückliche Tage mit Saufen und an klanen Stück vom Glück herumbringt. Ganz zufällig erscheint dort ein weiteres bekanntes Gesicht.
Drew Sarich, Ensemble © Christian Husar CABARET Amüsement mit einer bitteren Pointe
Das Musical könnte durchaus auch heißen: „Wehret den Anfängen!“ Es spielt in den späten 1920er-Jahren in einem Berlin, unter dessen allseitiger Freizügigkeit die finstere Herrschaft der Nazis wie ein stinkender Schimmelpilz zu wuchern beginnt. Da es die Betroffenen selbst nicht wahrhaben (wollen), muss ein junger Amerikaner anreisen, um sich just in dieser Stadt Inspiration für seinen nächsten Roman zu holen. Er hat allerdings nicht damit gerechnet, hier den Inhalt einer Story zu finden, die sich von seiner eigenen Trauer und das Entsetzen an den absehbaren Entwicklungen beinahe von selbst zu schreiben beginnt. Die dem Musicalstoff zugrunde liegende Literatur ist autobiographisch (mehr dazu ist im Programmheft nachzulesen). Als Teil des frühen „Nicht Vergessens!“ haben Joe Masteroff (Buch), Fred Ebb (Liedtexte) und John Kander (Musik) Mitte der 1960er-Jahre daraus einen Allzeit-Hit auf den Bühnen der Welt geschaffen. Der Titelsong richtet sich an alle, an die Darsteller und das Publikum: „Willkommen!“ im CABARET, das mit seiner offenherzigen Show gegen menschenfeindliche Realität wohl zu jeder Zeit machtlos ist.
An der Bühne Baden durfte das Publikum am Freitag, den 7. Juli 2023, eine Premiere bejubeln, die nicht zuletzt von einer Starbesetzung getragen war. Regisseur Leonard Prinsloo brauchte die namhafte Riege der Darsteller nur geschickt genug in das raffinierte Bühnebild von Alexandra Burgstaller einzusetzen, um sie mit schauspielerischem Können und grandiosen Stimmen Faszination verbreiten zu lassen. Als amerikanischer Schriftsteller Cliff findet Alexander Donesch bald zu Skepsis gegenüber seinem Zufallsbekannten Ernst Ludwig (Jan Walter), spätestens dann, wenn dieser offen die Hakenkreuzbinde trägt. Dass er auf die rücksichtslose Zudringlichkeit der quirligen Sängerin Sally Bowles (Ann Mandrella) hereinfällt und sich unsterblich in die leichtfertige Schönheit verliebt, ist seiner Jugend geschuldet. In derselben Pension wie er wohnt Fräulein Kost (Iva Schell).
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