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 Ausstellungsansicht "VISIONÄRE RÄUME. WALTER PICHLER TRIFFT FRIEDRICH KIESLER

Ausstellungsansicht "VISIONÄRE RÄUME. WALTER PICHLER TRIFFT FRIEDRICH KIESLER © Foto: Jorit Aust / Belvedere, Wien

VISIONÄRE RÄUME Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler

Friedrich Kiesler, Studie zu einem Endless House (Paris Endless), 1947 © 2024

Friedrich Kiesler, Studie zu einem Endless House (Paris Endless), 1947 © 2024 Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien

Ein Display von Sonia Leimer bewahrt zwei Künstler-Persönlichkeiten vor dem Vergessen.

Man weiß nur, dass sich der Bildhauer und Installationskünstler Walter Pichler (1936-2012) mit dem um einiges älteren Architekten, Designer und Bühnenbildner Friedrich Kiesler (1890-1965) in New York einmal getroffen hat. Wann und wo genau die Begegnung stattgefunden hat und was dabei besprochen wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Für Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere, ist dieses Rendezvous Grund genug, daraus das Motto einer Ausstellung zu machen: „In unserer geschichtsvergessenen Zeit gilt es, die Avantgarden des 20. Jahrhunderts auf ihre Wirkmächtigkeit in der Gegenwart zu befragen.“ Wie Recht sie hat! Die beiden Namen sind tatsächlich weit in den Hinterkopf gerückt, ihre Arbeit, so innovativ und revolutionär sie Zeit ihres Lebens war, scheint nicht viel mehr als Teil wissenswerter österreichischer Kunstgeschichte zu sein.

 Friedrich Kiesler, Screen-o-scope im Film Guild Cinema, New York, 1929  Foto: Ruth Bernhard
 Friedrich Kiesler, Modell eines Endless House, 1950  Foto: Percy Rainford

o.: Friedrich Kiesler, Modell eines Endless House, 1950 Foto: Percy Rainford © 2024 Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien

l.: Friedrich Kiesler, Screen-o-scope im Film Guild Cinema, New York, 1929 Foto: Ruth Bernhard, Ruth Bernhard Archive, Princeton University Art Museum © Trustees of Princeton University, Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien

Mit der Ausstellung „Visionäre Räume. Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler“ (bis 6. Oktober 2024) soll deren anhaltende Aktualität und Bedeutung auch in unserer Zeit bewiesen werden.

Begriffe wie „archiplastisch“, „organisch“, „spirituell“, „performativ“ oder „funktional“ werden auf ihre jeweilige Bedeutung hin überprüft und anhand von Skulpturen, Skizzen, Gemälden, Fotos und Saaltexten erklärt. Damit der Dialog zwischen den Künstlern dem Publikum stets präsent bleibt, hat Architektin und Künstlerin Sonia Leimer ein raffiniertes Display in das Belvedere 21 gestellt, als geschwungenen Raum und Inseln, an denen die Objekte zueinander in Beziehung gebracht werden. Um die beachtliche Fülle an Schlüsselwerken von Pichler und Kiesler hat sich Kuratorin Verena Gamper bemüht. Entstanden sind damit visionär anmutende Räume, die das breite Spektrum des jeweiligen Wirkens immer wieder in diesem legendären Zusammentreffen auf den Punkt bringen. Sie selbst erklärt es so: „Kiesler permanente Überschreitungen der Grenzen zwischen Architektur, Skulptur und Malerei spiegeln sich in Pichlers Weigerung, eine Trennung zwischen Architektur und Plastik vorzunehmen. Für beide standen der Mensch und seine Bedürfnisse im Zentrum ihrer Reflexion über den Raum.“

 Walter Pichler mit Schädeldecke (wie ein Gebäude), 2007  Foto: Elfi Tripamer Nachlass

Walter Pichler mit Schädeldecke (wie ein Gebäude), 2007 Foto: Elfi Tripamer Nachlass Walter Pichler, Wien

 Angelika Loderer in der Ausstellung "Angelika Loderer. Soil Fictions"  Foto: Kunst-Dokumentation

Angelika Loderer in "Angelika Loderer. Soil Fictions" Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez © Bildrecht, Wien 2024

ANGELIKA LODERER Fundstücke, Pilzmyzelien und Erdlöcher

Angelika Loderer, Schüttloch (Gips 4), 2023 Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez

Angelika Loderer, Schüttloch (Gips 4), 2023 Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez © Bildrecht, Wien 2024

Eine Installation, die auf eigenwillige Weise den Untergrund sichtbar macht

Das zerbrochene Schwert scheint von Archäologen ausgegraben und damit den Jahrhunderten entrissen worden zu sein. Erst beim genauen Hinschauen entdeckt man die Initiale der Bildhauerin auf dem Griff. Der Titel dieser Arbeit: Angeliki. Angelika Loderer will damit darauf hinweisen, dass der Boden auch die Rolle eines Zeit- und Wissensspeichers spielt, der zumindest die Artefakte wie fein geschmiedete Waffen konserviert. Dieses „Fundstück“ soll von den Auseinandersetzungen um den Boden erzählen, von einst und mit etwas Phantasie auch von heute. Unter dem englischen Titel „SOIL FICTIONS“ (bis 15. September 2024) sind passender Weise im Untergeschoss des Belvedere 21 derartige Werke der 1984 in Feldbach in der Steiermark geborenen Künstlerin zu einer Installation vereint auf dem Boden ausgebreitet.

Ausstellungsansicht "Angelika Loderer. Soil Fictions" Foto: Kunst-Dokumentation.com

Ausstellungsansicht "Angelika Loderer. Soil Fictions" Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez © Bildrecht, Wien 2024

 Angelika Loderer, Moth Trap (Detail), 2024  Courtesy Sophie Tappeiner  Foto: Kunst-Dokumentation

Angelika Loderer, Moth Trap (Detail), 2024 Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez © Bildrecht, Wien 2024

Man muss dabei zumindest geistig in die Tiefen der Erde eintauchen, um den Gedankengängen Loderers folgen zu können. Mit dem Lageplan in der Hand kann man die einzelnen Objekte ihrer Bezeichnung zuordnen und auf der Rückseite ihre Bedeutung erfahren. Die Materialien reichen von Bronze über Gips, Lehm und Wachs bis zu lebendigen Organismen. In Petflaschen gedeihen Myzelien, wie sie sich sonst nur im Waldboden geheimnisvoll zu einem mächtigen Pilz ausbreiten, der an überraschenden Stellen einen Fruchtkörper als Schwammerl produziert.

„When Days Turn Me“ ist ein Holzstück, an dem ein Biber Spuren seiner Zähne hinterlassen hat, was allein genügt, um in gemeinsamer Autorenschaft von Tier und Mensch als „Kunstwerk“ zu gelten. In „Parallel“ können auf zwei übereinander gestapelten Bildschirmen die gleichzeitige Wanderung auf der Oberfläche und in dem darunter verlaufenden Kanalgang beobachtet werden. Den Hauptanteil machen jedoch die sogenannten Schüttlöcher aus. Dafür wurden beispielsweise die Röhren von Maulwurfbauten, aber auch winzig kleine Eingänge zu Grillenbauten ausgegossen. Die damit gewonnenen Formen wurden fallweise für den Guss verwendet. Wie schmutzige Wurzeln winden sich die Ergebnisse flach über den Fußboden oder strecken sich aufgeschreckt in die Höhe. Sie alle zusammen ermöglichen einen Blick in ein verborgenes Reich von Formen, die von Angelika Loderer, um es mit den Worten von Kuratorin Verena Gamper zu beschreiben, als „aktueller wie virulenter Beitrag im zeitgenössischen Diskurs um das Anthropozän, seine Folgen und Alternativen“ aus dem Dunkel des Übersehenwerdens gehoben werden.

 Angelika Loderer, Schüttloch (6), 2022  Courtesy Sophie Tappeiner  Foto: Kunst-Dokumentation.com

Angelika Loderer, Schüttloch (6), 2022 Courtesy Sophie Tappeiner Foto: Kunst-Dokumentation.com, Manuel Carreon Lopez © Bildrecht, Wien 2024

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