Kultur und Weindas beschauliche MagazinRenate Bertlmann, Urvagina (1978), Courtesy Renate Bertlmann RENATE BERTLMANN Fragile Obsessionen in zärtlichem Latex
„Amo ergo sum“ ist das in drei Worte gefasste Programm von Renate Bertlmann. Der Philosoph René Descartes war ihr mit „cogito ergo sum“ nicht weit genug gegangen. Zuviel Kopf, zu wenig Körper, von der Seele gar keine Rede. Bertlmann versuchte diese drei Parameter unseres Daseins in ihrer Kunst unter einen Hut zu bringen und verortete dafür ihr gesamtes Œuvre in der Trinitatis von Pornografie, Ironie und Utopie. Was sonst als patriarchalische Wertvorstellungen sollen damit bloßgestellt werden?! Bertlmann ist also eine Feministin vom alten Schlag, die ihren Widerstand gegen praktische Gegner wie Männer, Kirche und deren immanenter Lieblosigkeit mit mutiger Ironie richtet und hergekommene klassische weibliche Rollenbilder zertrümmert. Schon früh erkannte sie den Unterhaltungswert von Dildos, Präservativen und Vaginen aus Latex. Wenn diese Artikel aus dem Sexshop mit einem Letzen Abendmahl, Altären und Bischofsmützen kombiniert werden, wäre moralische Entrüstung zu erwarten. Die Empörung hält sich allerdings in Grenzen. Der erotische Kunstfaktor ist mit einer gehörigen Portion Spaß verbunden und würde auf der Stelle jeden sittlich aufgebrachten Kritiker als humorlosen Philister bloßstellen.
Ihren großen Durchbruch hatte die 1943 in Wien geborene Künstlerin 2019. Sie war die erste Frau, die den österreichischen Pavillon der 58. Biennale di Venezia im Alleingang bespielte. Den nächsten Meilenstein ihrer Karriere stellt nun die bislang umfassendste Retrospektive im Belvedere 21 dar. Unter dem Titel “RENATE BERTLMANN. FRAGILE OBESSIONEN“ (bis 3. März 2024) wird ein guter Teil der im Lauf ihres Lebens entstandenen 5.000 Werke vorgestellt.
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