Kultur und Wein

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Brauhaus um 1940 S. 198

Brauhaus um 1940 S. 198

BRAUEREI SCHWECHAT Von Bierbaronen zur Brauunion

Die Geschichte der Brauerei Schwechat, Cover

Die Geschichte der Brauerei Schwechat, Cover

Wie das Lagerbier aus den Schwechater Sudkesseln die Welt erobert hat

So richtig populär wurde das Schwechater mit dem Mundl. Für den virtuos im tiefsten Wienerisch schimpfenden Karl Merkatz gehörte es zur häuslichen Entspannung, ein Bier dieser Marke aufzureißen. Möglich war dies dank des Alka-Verschlusses, einer Kapsel aus Aluminium, die mit etwas Geschick und einem leisen Plopp den Inhalt der Flasche freigab. Nicht ganz zu Unrecht hatte das Schwechater damals den Nimbus eines Hacklertranks, der vornehmlich auf Baustellen genossen wurde. Das Gros der Biertrinker hatte die Sortenvielfalt entdeckt, die nun von kleineren Brauerein geliefert wurde.

Dagegen konnte auch der allwöchentliche Spruch am Ende der sonntäglichen Morgensendung von Heinz Conrads nicht viel ausrichten, mit dem Mautner Senf und Schwechater als die wahren Genüsse zum Frühschoppen propagiert wurden. Diese paar Jahrzehnte stellen aber nur eine kurze Phase in der langen Geschichte dieser Brauerei dar. Deren Gründung liegt weit zurück in der Vergangenheit, genau gesagt vor gut 260 Jahren, und beginnt mit einem Namen: Dreher.

Der berühmte Alka-Verschluss S 218

Der berühmte Alka-Verschluss S 218

Bevor man sich aber dieser Familie zuwendet, die es geschafft hat, in der ganzen damaligen Welt erfolgreich ihr Bier zu verkaufen, ist der eigentliche Anlass zu erwähnen, der zur Aufarbeitung der bemerkenswerten Historie dieses Unternehmens geführt hat. 2021 jährte sich zum 180. Mal die Erfindung des „Lagerbieres“, dem nicht nur eine „neue-alte“ Sorte, das Wiener Lager, gewidmet wurde, das angeblich genauso aussieht und schmeckt wie das damalige Bier, das als Sensation galt, sondern auch in seinem „Nachbau“ eines der nobelsten Biere ist, das man unbedingt einmal verkosten sollte. Es wurde ein wahrhaft ausführliches Buch dazu verfasst: „Die Geschichte der Brauerei Schwechat. Von den Bierbaronen Dreher und Mautner Markhof in die Gegenwart“, erschienen im Verlag Böhlau.

Historischer Bierdeckel S. 35

o. u. rechts: Historische Bierdeckel S. 35 u. S. 160

Historischer Bierdeckel S. 160

Als Autoren zeichnen dafür verantwortlich: Alfred Paleczny, Christian M. Springer und Braumeister Andreas Urban. Sie haben in penibler Recherche eine Vielzahl von Namen, Daten, historischen Begebenheiten und nicht zuletzt amüsanten Anekdoten zusammengetragen. So erfährt man, wie Anton Dreher d. Ä. und sein Kumpan Gabriel Sedlmayr in England ungeniert Betriebsspionage betrieben, um, wieder zurück in ihrer Heimat, ihre Lehrmeister zu übertreffen. So konnten sie bereits 1836 mit dem „Kaiserbier“ auf den Markt kommen, das sich aufgrund der fortgeschrittenen britischen Technik bei der Mälzung erfreulich von den trüben und dunkelbraunen Bieren der hiesigen Konkurrenten abhob. Anton Dreher ist der eigentliche Wiener Bierstil zu verdanken. Untergäriges Bier wurde in der kalten Jahreszeit schon lange gebraut, aber das „Klein-Schwechater Lagerbier“ reüssierte nicht nur auf der Weltausstellung in Paris, sondern fand sogar in Londons Presse einen Bewunderer, der an der Themse das Dreher-Bier in höchsten Tönen lobte. Es wird aber auch über den Arbeitskampf berichtet, der die Brauerei erfasste und die heute unvorstellbaren Bedingungen für die Brauer erst nach langem Ringen verbesserte.

Nach etlichen Dreher-Generationen kam der Name Mautner Markhof ins Spiel. Diese Familie, die ebenfalls mit dem Bierbrauen groß geworden war, übernahm in den 1930er-Jahren die Schwechater Brauerei und ist damit in den Köpfen bis heute damit verbunden, ungeachtet der Tatsache, dass sie mittlerweile eine Tochterbrauerei der Brau AG/Brau Union ist. Das dabei nicht wegzudenkende Namenskürzel MMM ist Manfred I. Mautner Markhof zu verdanken. Er war einer der bekanntesten Österreicher der Nachkriegszeit, unverkennbar durch seinen markanten Backenbart. Etliche seiner Nachkommen haben die Initialen des Namens weitergeführt, wie beispielsweise Manfred II. oder Marcus Mautner Markhof. Ihnen allen begegnet man in diesem Buch, das vor allem seine reiche Illustration auszeichnet. Fotos, Karikaturen und Abdrucke alter Zeitungsartikel begleiten die Lektüre, dazu als nostalgische Reminiszenzen für in die Jahre gekommenen Leser die Bierdeckel, die stets das optische Aushängeschild dessen waren, was sich im Glas darüber befand.

Anton Dreher d. Ä., Erfinder des Wiener Lagerbieres 1810 S. 25

Anton Dreher d. Ä., Erfinder des Wiener Lagerbieres 1810 S. 25

Foto auf S. 106 im beschriebenen Buch

Wiener Bier-Geschichte: Überraschend groß und vielfältig

Bild von S. 106 im beschriebenen Buch

Wien und das Bier, eine lange und innige Verbindung

Ernsthafte Geschichtswerke laufen Gefahr, zu trockenen Abhandlungen von Jahreszahlen und Namen zu werden. Bei einem Gegenstand wie dem Bier wäre es jedoch, sanft ausgedrückt, eine Schande, wenn es zwischen den Seiten des Buches nicht appetitlich schäumen würde, ohne dabei jedoch die Seriosität eingehender Forschung vermissen zu lassen. Die drei Herren Christian M. Springer, Alfred Paleczny und Wolfgang Ladenbauer haben das Kunststück zuwege gebracht, die Bier-Historie von Wien, fast möchte man sagen, geradezu so unterhaltsam wie einen Nachmittag im Biergarten zu gestalten.

 

Der Leser kommt nicht aus dem Staunen heraus, wo überall in Wien und in der nächsten Umgebung in großem Stil Bier gebraut wurde. Fast jeder Bezirk hatte seine Brauerei und damit sein eigenes Bier. Die Betriebe waren durchwegs innovativ und einige von ihnen waren international vorne mit dabei, wenn es um die neuesten technischen Errungenschaften ging. Aber all das spielte sich erst im 19. Jh. ab.

Bild auf S. 129n im beschriebenen Buch

Die Anfänge des Wiener Biers liegen 600 Jahre vorher im späten Mittelalter, also in der Zeit, als vor den Stadtmauern noch so weit das Auge reichte die Weinstöcke gediehen. Erst 1211 wurde nachweislich Hopfen in die Stadt gebracht und in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte sich das Handwerk des „prew“, von dessen Meistern sogar noch Namen überliefert sind. Als öffentlich zu Verkauf und Ausschank angebotenes Getränk wird es erstmals 1340 im Wiener Stadtrecht von Herzog Albrecht II. erwähnt.

Bild auf S. 161 im beschriebenen Buch

Seinen großen Aufschwung als Getränk der Massen erlebte das Bier durch Persönlichkeiten wie Anton Dreher, Adolf Ignaz Mautner von Markhof oder Ignaz von Kuffner. Sie schafften den Sprung vom üblen Gesöff aus zu dunklem Malz, das in kürzester Zeit verdorben war, zum untergärigen haltbaren hellen Blonden, das dem Wein ernsthaft Konkurrenz und beim Trinken Freude machte.

Immer wieder liest man dabei auch den merk-würdigen Satz, dass die die Leute auf Wein und Bier angewiesen waren, wollten sie nicht vom verseuchten Wasser in der dicht bevölkerten Stadt alle möglichen Krankheiten abfangen. Biertrinken gehörte und gehört aber auch zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung.

Gelegenheit dazu gab es genug. Im Uhrzeigersinn führt das Buch durch die Vorstädte, die heute längst Bezirke oder zumindest Teile von Stadtbezirken sind. In St. Marx wurde bis 1916 erfolgreich Bier gebraut, auch auf der Landstraße, wo ein gewisser Vinzenz Neuling nicht nur Bier herstellte, sondern den Wienern mit seinem extravaganten Lebensstil auch genügend Stoff zum Tratschen lieferte. In Margareten, am Hundsturm, in Gumpendorf, Gaudenzdorf und im Lichtental wurde auf Teufel komm raus Bier gebraut, ebenso wie in Liesing, Neuerlaa, Hütteldorf, Nussdorf und Jedlesee. Geblieben ist von ihnen allen nur das Ottakringer, das sich jedoch selbstbewusst im internationalen Haifischbecken der Biervermarkter und -fusionierer behauptet. Begleitet werden die Texte von antiken Bierdeckeln, teils kolorierten Stichen und stimmungsvoll vergilbten Fotos, auf denen stolz die Brauereien, aber auch die Brauherren abgebildet sind, die durch ihren Pioniergeist Wien zu einer Stadt des Biers gemacht haben.

Bild auf S. 195 im beschriebenen Buch
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