Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Meike Droste, Marie-Luise Stockinger, Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Langston Uibel, Gunther Eckes

Meike Droste, Marie-Luise Stockinger, Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Langston Uibel, Gunther Eckes © Matthias Horn

EIN SOMMERNACHTSTRAUM Irre Verwirrungen auf dem Autofriedhof

Marie-Luise Stockinger, Gunther Eckes, Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Oliver Nägele © M. Horn

Ein Sommernachtstraum im Burgtheater, Ensemble © Matthias Horn

Eine Komödie, die durch ihre „symphonische Ruhe“ besticht und erheitert.

Der Wald von Athen hat zwar für Liebespaare einen speziellen Zauber. Regisseurin Barbara Frey missbraucht ihn dennoch kaltherzig als Lagerstätte ausgedienter Autowracks und schafft damit eine illegale Deponie von Altlasten, die sich gleichermaßen auf Sperrmüll, Geister und Sterbliche bezieht. William Shakespeare selbst hat das dunkle Reich zwischen den Bäumen zu einer Begegnungsstätte von Elfen und Menschen reduziert. Dessen einzige, sehr unzuverlässige Beleuchtung ist der Mond, ein Himmelskörper, der an sich im Verdacht steht, für allgemeine Verrücktheiten zu sorgen. So wird es möglich, dass Oberon und ein Kobold namens Puck mit magischen Liebestropfen ihre Späße treiben können. Und die haben es in sich. Die edle Feenkönigin Titania verliebt sich unsterblich in einen Esel und zwei problematische Paare werden abwechselnd heiß und kalt durcheinander gewürfelt. Um dieses Tohuwabohu zu lösen, hilft nur mehr der Traum, über den die Betroffenen am Ende irritiert sinnieren. Es ist eben nichts als „A Midsommer nights dreame“, den keiner wahrhaben muss, aber dennoch nicht einfach vergessen kann.

Ein Sommernachtstraum im Burgtheater, Ensemble © Matthias Horn

Ein Sommernachtstraum im Burgtheater, Ensemble Handwerker © Matthias Horn

Dorothee Hartinger, Ensemble © Matthias Horn

Dorothee Hartinger, Ensemble © Matthias Horn

Wenn das Burgtheater sich eines derart oft gespielten Stücks annimmt, ist zur Recht Besonderes zu erwarten. Aus einer stringent ruhigen Personenführung und extrem abgekühlter Spielweise erwächst eine Komik, die jeden Gag, jede Pointe auf erstaunliche Weise unterstreicht.

Eher verwirrend – und damit zum Inhalt passend – ist die Mischkulanz der Geschlechter. Es spielt keine Rolle, ob Manderl oder Weiblein, wenn es darum geht, in der stattlichen Besetzungsliste zu sparen. So tritt Markus Scheumann sowohl als Theseus als auch als Titania auf und Sylvie Rohrer als Hippolyta und Oberon. Gunther Eckes und Sabine Haupt sind ebenso zwei sangesfreudige Elfen wie brave Laiendarsteller in der Rüpelkomödie. Dorothee Hartinger hat als Puck ihre Hetz mit Hermia (Meike Droste mit ausladend schwingenden Hüften), Lysander (Marie-Luise Stockinger), Helena (Lili Winderlich) und Demetrius (Langston Uibel). Einer, der alle Rollen übernehmen wollte und könnte, ist der Handwerker Zettel. Wenn sein Darsteller Oliver Nägele aber mit langen Ohren und dem Schwanz eines Esels auftaucht, ist es um seine Karriere als Mime fast schon geschehen. Aber ein wahrer Zettel lässt sich nicht unterkriegen und will seine vagen Erinnerungen als Ballade verewigt wissen, am besten begleitet von Josh Sneesby, der für die Live-Musik dieser Produktion verantwortlich ist.

Markus Scheumann © Matthias Horn

Markus Scheumann © Matthias Horn

Drei Winter, Ensemble © Matthias Horn

Norman Hacker, Barbara Petritsch, Maximilian Pulst, Zeynep Buyraç, Daniel Jesch, Branko Samarovski, Sofi Gavril, Regina Fritsch © M. Horn

DREI WINTER Dramatische Zeitreise durch Kroatien

Regina Fritsch © Matthias Horn

Regina Fritsch © Matthias Horn

Die Saga einer an sich unbedeutenden Familie als Spiegel entscheidender Ereignisse

Die 1977 geborene Tena Štivičić macht in ihrem Theaterstück „Drei Winter“ vieles verständlich, das uns als beinahe Nachbarn trotz vieler persönlicher Bekanntschaften mit in Wien lebenden Kroaten und beliebter Urlaube an deren Stränden nicht wirklich bewusst ist. Man könnte sagen, geht mich nichts an! Doch sobald sich der Vorhang des Burgtheaters hebt, hat sich anfängliches Desinteresse in Neugier verwandelt, bis zur Anteilnahme am Leben dieser Menschen, deren Schicksale sich trotz geographischer Nähe zu Österreich doch gründlich von den unseren unterscheiden. Grund für diese Wandlung im Publikum ist weniger der Text als die Inszenierung. Hausherr Martin Kušej hat selbst Regie geführt. Er gehört von seiner Herkunft der Minderheit der Kärntner Slowenen an und hat damit den entsprechend tiefen emotionalen Zugang zu dieser Geschichte. Aus den dreien macht er mit der ersten Projektion vier Winter, wenn er in erschütternden Aufnahmen den aktuellen Krieg in der Ukraine erschreckend spürbar werden lässt.

Nina Siewert, Tilman Tuppy © Matthias Horn

Nina Siewert, Tilman Tuppy © Matthias Horn

Norman Hacker, Regina Fritsch, Andrea Wenzl © Matthias Horn

Norman Hacker, Regina Fritsch, Andrea Wenzl © Matthias Horn

Tena Štivičić selbst hat diese Rückschau auf die Geschichte ihrer Heimat in der kalten Jahreszeit von drei für Kroatien entscheidende Jahre angelegt. Zagreb, 1945: Die Partisanin Ruža zieht mit Mutter Monika, Ehemann Aleksandar und dem Baby Mascha in ein Haus, das verstaatlicht und aufgeteilt wurde. Dort trifft die kleine Familie auf eine Daheimgebliebene, die Tochter eines aristokratischen Nazikollaborateurs. Karolina Amruš darf bleiben und dem Mann, einem Schneider, bei der Arbeit helfen. Schauplatz bleibt das ganze Stück hindurch diese Wohnung.

1990 diskutieren die nunmehrigen Mitglieder der Familie anlässlich des Ablebens der Mutter die über sie hereinbrechenden Veränderungen. Im Fernsehen wird der Auszug von Slowenen und Kroaten aus dem 14. Kongress des Zentralkomitees übertragen. Jugoslawien steht vor dem Zerfall, die Bevölkerung begehrt gegen das kommunistische Regime auf, ein Bruderkrieg zeichnet sich ab. 21 Jahre später versammelt sich dort die Familie zu einem Diner. Es ist der Vorabend der Hochzeit von Lucija mit dem Unternehmer Damjan. Angereist ist dazu ihre streitbare Schwester Alisa aus London. Mutter Mascha kocht ihre x-tausendste Mahlzeit und Vater Vlado steht ungebrochen zu einem persönlichen Entschluss, der ihn einst die Karriere als Historiker gekostet hat. Kroatien führt Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. In den Auseinandersetzungen kocht Ablehnung und Zustimmung zum Kapitalismus auf, der 2011 schon längst den radikalen Sozialismus abgelöst hat. Erzählt wird diese Familiensaga von einem vielköpfigen Ensemble, das die 66 Jahre in packender Weise erlebbar macht und die drei Stunden und 20 Minuten Spieldauer ungemein rasch verfliegen lässt.

Tilman Tuppy © Matthias Horn

Tilman Tuppy © Matthias Horn

Gunther Eckes, Sarah Viktoria Frick, Maria Happel, Elisa Plüss © Matthias Horn

Gunther Eckes, Sarah Viktoria Frick, Maria Happel, Elisa Plüss © Matthias Horn

DIE GEFESSELTE PHANTASIE Harfenist Nachtigall rockt die Burg

Maria Happel, Bless Amada © Matthias Horn

Maria Happel, Bless Amada © Matthias Horn

Übermütiger Song Contest um die Hand der schönen Hermione

Wenn Poeten unter einer Schreibblockade leiden, wer ist daran schuld? Ferdinand Raimund hat eine Antwort darauf gegeben. Jedoch, diese ist in einem Reich außerhalb unserer Vernunft angesiedelt, auf einer Blumeninsel, auf der dank einer ausschließlich dichtenden Bevölkerung eitel Wonne und Waschtrog herrschen. Dort gibt es Geister wie die beiden bösen Zauberschwestern, Lichtgestalten wie den Gott Apollo und die allseits allein seligmachende Phantasie. Die finsteren Kräfte sind glatt imstande, diese positive Kraft zu bannen und das Reich an den Rand des Untergangs zu führen. Gerettet wird das Eiland nur durch die Heirat der Königin, so sagt es das Orakel. Deren Auge ist auf den armen Hirten gefallen, der beim Aufpassen auf die Schafe zu Herzen gehende Gedichte schreibt. So mir nichts dir nichts will sie sich aber doch nicht binden und schreibt eine Art Song Contest aus. Das beste Poem wird ihre Hand, ihr Herz und die Krone gewinnen. Wie das Original-Zauberspiel ausgeht, ist kein Geheimnis, aber vor dem letzten Votum wird es noch einmal spannend. Die bösen Schwestern haben den versoffenen Nachtigall, seines Zeichens Harfenist in einem Wiener Wirtshaus, als Bräutigam engagiert. Nachdem sich die Phantasie in ihrer Gewalt befindet, ist er der einzige Kandidat und somit müsste es heißen: And the winner is...

Markus Scheumann © Matthias Horn

Markus Scheumann © Matthias Horn

Elisa Plüss, Sebastian Wendelin, Sarah Viktoria Frick © Matthias Horn

Elisa Plüss, Sebastian Wendelin, Sarah Viktoria Frick © Matthias Horn

Herbert Fritsch ist zwar Deutscher, hat aber genügend österreichischen Humor, um in diesem Feen- und Zauberreich über zwei Stunden und 15 Minuten eine virtuose Spaßgesellschaft ihre ausgelassenen Schwänke treiben zu lassen. Der Regisseur, Bühnengestalter und Musikchef kann sich auf ein Ensemble verlassen, das sich für keine Blödelei zu gut ist und über ein wahnwitziges Repertoire an verrückten Bewegungen verfügt. Was irgendwie zum Lachen reizt, wird angewendet. Tim Werths macht nicht nur als poetische Phantasie bella figura, er beherrscht zudem die ans Artistische grenzenden Silly Walks, wie man sie in der Qualität zum letzten Mal bei John Cleese gesehen hat. Jeweils eine Solonummer mit Sonderaplaus haben Markus Scheumann als Hofnarr Muh, wenn er eine ganze verrückte Rede auch von hinten aufsagt, und Sebastian Wendelin.

Als Harfenist Nachtigall gibt er im Wirtshaus zeitgenössische Kompositionen zum Besten. Sarah Viktoria Frick (Vipria) und Elisa Plüss (Arrogantia) sehen für ihren miesen Charakter durchaus hübsch aus, beherrschen Flugnummern und bringen mit dem verbiesterten Charme zweier lediger Schwestern genügend Unheil ins Geschehen. Ihre ersten Opfer sind der aufgeblasene Hofpoet Distichon (Gunther Eckes), der rundum fröhliche Afriduro (Marcel Heuperman) oder der dichtende Schuster Odit (Tilman Tuppy). Gegen das Herzblatt der Königin haben sie freilich keine Chance. Bless Amada ist der verkappte Königssohn und dichtende Schafhirte Amphio, der sich in Hermione verliebt hat. Maria Happel braucht nur aufzutreten und hat schon ihre Lacher. Sie besitzt den wundervollen Humor, sich selbst nicht ernst zu nehmen und dabei ernsthaft komisch zu sein. Ferdinand Raimund hat dem Stück zwar eine tiefe Wahrheit zugrunde gelegt, hätte es wohl aber akzeptiert, dass „in der ganzen Komödie nur 8 serieuse Scenen seyen“ (aus einem alten Theaterprogramm) und in diesem geglückten Fall nicht einmal eine einzige.

Tim Werths © Matthias Horn

Tim Werths © Matthias Horn

Felix Kammerer, Markus Meyer, Dagna Litzenberger Vinet, Sylvie Rohrer © Marcella Ruiz Cruz

Felix Kammerer, Markus Meyer, Dagna Litzenberger Vinet, Sylvie Rohrer © Marcella Ruiz Cruz

DER ZAUBERBERG Dramatische Kurzfassung eines Großromans

Felix Kammerer, Markus Meyer, Dagna Litzenberger Vinet © Marcella Ruiz Cruz

F. Kammerer, M. Meyer, D. Litzenberger Vinet © Marcella Ruiz Cruz

Die Geborgenheit einer kleinen Welt, an deren Ende der Tod steht

Thomas Mann blickte nach dem „Weltfest des Todes“ auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. In einem Schweizer Sanatorium hoch oben in den Alpen nahe Davos lässt er seine Charaktere in trügerischer Bequemlichkeit die Abgeschiedenheit vom Geschehen unten in Liegenkuren, Fiebermessen und fünf opulenten Mahlzeiten am Tag feiern. Wie ein Menetekel hängt über allen die Krankheit, TBC, die nur wenige geheilt entlässt. Die anderen beschließen ihre Tage in Frieden auf dem Berg. Ihre Zimmer werden ausgeräuchert, um für die nächsten, durchwegs hoffnungsvollen Erkrankten Platz zu bieten. Hans Castorp, ein nach eigenem Befinden kerngesunder junger Mann, besucht seinen Vetter. Joachim ist Offizier und hadert mit dem Umstand, dass sein Aufenthalt immer wieder verlängert wird. Die Entscheidung darüber trifft Hofrat Behrens, der auch in Hans das Leiden diagnostiziert und einen neuen Patienten gewonnen hat. Die Langeweile führt zu intensiven Gesprächen, unter anderem mit Settembrini, einem Humanisten, Freimaurer und „individualistisch denkenden Demokraten“. Die Liebe kommt ins Spiel, als Hans in der schönen Russin Chauchat seine erste Liebe wieder erkennt, den Schulkollegen Hippe. Sieben Jahre verfliegen wie im Traum, bis die Botschaft von der Einberufung zum Militär auch auf diesen Zauberberg vordringt und es Abschiednehmen von Hans heißt.

 Der Zauberberg Felix Kammerer © Marcella Ruiz Cruz

Der Zauberberg Felix Kammerer © Marcella Ruiz Cruz

 Der Zauberberg / Burgtheater Dagna Litzenberger Vinet © Marcella Ruiz Cruz

Dagna Litzenberger Vinet © Marcella Ruiz Cruz

Regisseur Bastian Kraft hat für das Burgtheater versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Ein umfangreicher Bildungsroman, ins Unendliche ausgeweitet mit der epischen Ruhe grandioser Formulierungen, mit ozeantiefen Gedanken in jedem Satz und einer Handlung, bestehend aus unausgesprochenen Emotionen, wurde dennoch packend auf zwei Stunden und zehn Minuten konzentriert. Als Kulisse genügt ein stilisierter Alpengipfel, der gleichzeitig als Projektionsfläche für Videos dient. Darauf turnen, liegen oder stehen kurend vier Darsteller in neutralen Kostümen:

Die Bergwanderer sind Felix Kammerer, Dagna Litzenberger Vinet, Markus Meyer, Silvie Rohrer. Der Geniestreich besteht darin, dass diese vier die in realistisch wirkender Maske eingeblendeten Romangestalten synchronisieren, besser als mit so mancher LifeCam, da die Mundbewegungen stimmen; eine nahezu unbegreifliche Leistung, wenn man bedenkt, dass es (zumindest keine sichtbaren) Monitore gibt. Dabei spielt es keine Rolle, dass allseits eine Verwirrung der Geschlechter herrscht, sowohl bei den Sprechenden als auch bei den Projizierten. Das Publikum ist, nach dem begeisterten Schlussapplaus zu schließen, von diesen toll bewältigten Tricks gebannt und vergisst gerne, was Thomas Mann sonst noch alles an Gescheitem in diesen Roman hineingeschrieben hat. Aber wer hat sich schon durch die gut 760 Seiten von „Der Zauberberg“ gebissen? Nicht umsonst zählt diese Schwarte für den Aktionskünstler Julius Deutschbauer (derzeit sind seine originellen Plakate im MAK zu sehen) zu einem Spitzenreiter in seiner Bibliothek der ungelesenen Bücher.

 Der Zauberberg / Burgtheater Sylvie Rohrer © Marcella Ruiz Cruz

Der Zauberberg / Burgtheater Sylvie Rohrer © Marcella Ruiz Cruz

Markus Meyer, Marie-Luise Stockinger, Felix Rech © Matthias Horn

Markus Meyer, Marie-Luise Stockinger, Felix Rech © Matthias Horn

KASIMIR UND KAROLINE Verismo brutalo auf Horváths Wiesen

 Kasimir und Karoline Ensemble © Matthias Horn

Kasimir und Karoline Ensemble © Matthias Horn

A tragisch b´soffene G´schicht´ in und über dem Klo am Oktoberfest

Die 1930er-Jahre waren eine spiegelglatte Zeit, auf der in Deutschland und nicht nur dort die Gesellschaft in Extreme ausgeglitten ist. Arbeitslosigkeit und Klassenkampf schufen eine verhängnisvolle Mischung aus Aggression, Verzweiflung und verirrten Hoffnungen. Ödön von Horváth hat sie in seinen Romanen und Theaterstücken mit einer nahezu prophetischen Anschaulichkeit geschildert. Eines der düstersten Beispiele ist das 1932 entstandene „Volksstück“ „Kasimir und Karoline“. Am Horizont blitzte bereits das Wetterleuchten des Nationalsozialismus wie ein Irrlicht der Erlösung. Nur einigen wenigen geht es – nach unseren heutigen Begriffen – gut. Die anderen müssen das bisserl Geld genau abzählen, bevor sie es für ihr Vergnügen ausgeben, denn das Münchner Oktoberfest wollte niemand verpassen. Eine Fahrt mit der Hochschaubahn sollte drin sein, sowie etliche Maß Bier und auf jeden Fall eine neue Bekanntschaft, die von dort abgeschleppt werden sollte. Dass Kasimir einen schweren Stand hat, ist klar. Er wurde tags zuvor entlassen. Man brauchte ihn als Chauffeur nicht mehr. Seine Braut, die Karoline, kann auch nicht über ihren Schatten springen. Sie verdient ja noch ihr Geld. Die Auseinandersetzung ist vorprogrammiert, zumal Alkohol, sein schräger Freund und ihr latenter Wille nach oben die Streiterei bis zum bitteren Ende befeuern.

Mavie Hörbiger, Christoph Luser, Felix Rech, Lili Winderlich, Maresi Riegner © Matthias Horn

Mavie Hörbiger, Christoph Luser, Felix Rech, Lili Winderlich, Maresi Riegner © Matthias Horn

Regisseurin Mateja Koležnik hat für das Burgtheater den Text von Horváth neu gelesen und ihre in jeder Weise konzentrierte Fassung packend in zwei Etagen (Bühne: Raimund Orfeo Voigt) auf die Bühne gestellt. Oben bemühen sich Sanitäter um Alkoholleichen und Verletzte aus den Raufereien. Es wird lustig aufgespielt, gegrölt, getanzt, gesoffen und auf primitivste Weise nach sexuellen Kontakten mit den allgegenwärtigen Huren gegiert. In den Aborten darunter darunter versammeln sich die abgesackten Typen, um neben menschlichen Bedürfnissen wieder eine Spur von Frische ins Gesicht und nach einem Gewitter die Frisur am Föhn trocken zu kriegen.

Dort unten kommen auch die beiden „noblen“ Herren Kommerzienrat Rauch (Markus Meyer) und Landesgerichtsdirektor Speer (Markus Hering) der an den Waschtisch abgetauchten Karoline näher. Marie-Luise Stockinger ist ja wirklich eine hübsche Frau, der man auf der Stelle glaubt, dass sie auf ihren Freund Kasimir (ein erstaunlich besonnener Arbeitsloser: Felix Rech) angefressen ist. Aber mit dem braven Schürzinger (Jonas Hackmann ist der biedere Zuschneider und Antialkoholiker) kann sie sich halt gar nichts anfangen. Kasimir wär´ ja doch der Richtige für sie. Er widersteht sogar den Verlockungen eines kleinen Ganoven zum schnellen Geld. Der Merkel Franz (Christoph Luser) ist ein Brutalinski, der seine Braut Erna (Mavie Hörbiger) hertrickert wie nix und längst Erfahrung als Häfenbruder hat. Sie alle spielen mit einer Intensität, die Angst macht. Doch die sich anschleichende Bangigkeit ist sogar heilsam. Deren Auslöser ist die Aktualität, die in dieser Inszenierung spürbar deutlich wird und vergessen lässt, dass sich das Ganze ja schon vor 90 Jahren abgespielt hat.

Jonas Hackmann, Markus Meyer, Marie-Luise Stockinger © Matthias Horn

Jonas Hackmann, Markus Meyer, Marie-Luise Stockinger © Matthias Horn

Burgtheater Logo groß

Statistik