Kultur und Weindas beschauliche MagazinMeike Droste, Marie-Luise Stockinger, Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Langston Uibel, Gunther Eckes © Matthias Horn EIN SOMMERNACHTSTRAUM Irre Verwirrungen auf dem Autofriedhof
Der Wald von Athen hat zwar für Liebespaare einen speziellen Zauber. Regisseurin Barbara Frey missbraucht ihn dennoch kaltherzig als Lagerstätte ausgedienter Autowracks und schafft damit eine illegale Deponie von Altlasten, die sich gleichermaßen auf Sperrmüll, Geister und Sterbliche bezieht. William Shakespeare selbst hat das dunkle Reich zwischen den Bäumen zu einer Begegnungsstätte von Elfen und Menschen reduziert. Dessen einzige, sehr unzuverlässige Beleuchtung ist der Mond, ein Himmelskörper, der an sich im Verdacht steht, für allgemeine Verrücktheiten zu sorgen. So wird es möglich, dass Oberon und ein Kobold namens Puck mit magischen Liebestropfen ihre Späße treiben können. Und die haben es in sich. Die edle Feenkönigin Titania verliebt sich unsterblich in einen Esel und zwei problematische Paare werden abwechselnd heiß und kalt durcheinander gewürfelt. Um dieses Tohuwabohu zu lösen, hilft nur mehr der Traum, über den die Betroffenen am Ende irritiert sinnieren. Es ist eben nichts als „A Midsommer nights dreame“, den keiner wahrhaben muss, aber dennoch nicht einfach vergessen kann.
Wenn das Burgtheater sich eines derart oft gespielten Stücks annimmt, ist zur Recht Besonderes zu erwarten. Aus einer stringent ruhigen Personenführung und extrem abgekühlter Spielweise erwächst eine Komik, die jeden Gag, jede Pointe auf erstaunliche Weise unterstreicht.
Norman Hacker, Barbara Petritsch, Maximilian Pulst, Zeynep Buyraç, Daniel Jesch, Branko Samarovski, Sofi Gavril, Regina Fritsch © M. Horn DREI WINTER Dramatische Zeitreise durch Kroatien
Die 1977 geborene Tena Štivičić macht in ihrem Theaterstück „Drei Winter“ vieles verständlich, das uns als beinahe Nachbarn trotz vieler persönlicher Bekanntschaften mit in Wien lebenden Kroaten und beliebter Urlaube an deren Stränden nicht wirklich bewusst ist. Man könnte sagen, geht mich nichts an! Doch sobald sich der Vorhang des Burgtheaters hebt, hat sich anfängliches Desinteresse in Neugier verwandelt, bis zur Anteilnahme am Leben dieser Menschen, deren Schicksale sich trotz geographischer Nähe zu Österreich doch gründlich von den unseren unterscheiden. Grund für diese Wandlung im Publikum ist weniger der Text als die Inszenierung. Hausherr Martin Kušej hat selbst Regie geführt. Er gehört von seiner Herkunft der Minderheit der Kärntner Slowenen an und hat damit den entsprechend tiefen emotionalen Zugang zu dieser Geschichte. Aus den dreien macht er mit der ersten Projektion vier Winter, wenn er in erschütternden Aufnahmen den aktuellen Krieg in der Ukraine erschreckend spürbar werden lässt.
Tena Štivičić selbst hat diese Rückschau auf die Geschichte ihrer Heimat in der kalten Jahreszeit von drei für Kroatien entscheidende Jahre angelegt. Zagreb, 1945: Die Partisanin Ruža zieht mit Mutter Monika, Ehemann Aleksandar und dem Baby Mascha in ein Haus, das verstaatlicht und aufgeteilt wurde. Dort trifft die kleine Familie auf eine Daheimgebliebene, die Tochter eines aristokratischen Nazikollaborateurs. Karolina Amruš darf bleiben und dem Mann, einem Schneider, bei der Arbeit helfen. Schauplatz bleibt das ganze Stück hindurch diese Wohnung.
Gunther Eckes, Sarah Viktoria Frick, Maria Happel, Elisa Plüss © Matthias Horn DIE GEFESSELTE PHANTASIE Harfenist Nachtigall rockt die Burg Wenn Poeten unter einer Schreibblockade leiden, wer ist daran schuld? Ferdinand Raimund hat eine Antwort darauf gegeben. Jedoch, diese ist in einem Reich außerhalb unserer Vernunft angesiedelt, auf einer Blumeninsel, auf der dank einer ausschließlich dichtenden Bevölkerung eitel Wonne und Waschtrog herrschen. Dort gibt es Geister wie die beiden bösen Zauberschwestern, Lichtgestalten wie den Gott Apollo und die allseits allein seligmachende Phantasie. Die finsteren Kräfte sind glatt imstande, diese positive Kraft zu bannen und das Reich an den Rand des Untergangs zu führen. Gerettet wird das Eiland nur durch die Heirat der Königin, so sagt es das Orakel. Deren Auge ist auf den armen Hirten gefallen, der beim Aufpassen auf die Schafe zu Herzen gehende Gedichte schreibt. So mir nichts dir nichts will sie sich aber doch nicht binden und schreibt eine Art Song Contest aus. Das beste Poem wird ihre Hand, ihr Herz und die Krone gewinnen. Wie das Original-Zauberspiel ausgeht, ist kein Geheimnis, aber vor dem letzten Votum wird es noch einmal spannend. Die bösen Schwestern haben den versoffenen Nachtigall, seines Zeichens Harfenist in einem Wiener Wirtshaus, als Bräutigam engagiert. Nachdem sich die Phantasie in ihrer Gewalt befindet, ist er der einzige Kandidat und somit müsste es heißen: And the winner is...
Herbert Fritsch ist zwar Deutscher, hat aber genügend österreichischen Humor, um in diesem Feen- und Zauberreich über zwei Stunden und 15 Minuten eine virtuose Spaßgesellschaft ihre ausgelassenen Schwänke treiben zu lassen. Der Regisseur, Bühnengestalter und Musikchef kann sich auf ein Ensemble verlassen, das sich für keine Blödelei zu gut ist und über ein wahnwitziges Repertoire an verrückten Bewegungen verfügt. Was irgendwie zum Lachen reizt, wird angewendet. Tim Werths macht nicht nur als poetische Phantasie bella figura, er beherrscht zudem die ans Artistische grenzenden Silly Walks, wie man sie in der Qualität zum letzten Mal bei John Cleese gesehen hat. Jeweils eine Solonummer mit Sonderaplaus haben Markus Scheumann als Hofnarr Muh, wenn er eine ganze verrückte Rede auch von hinten aufsagt, und Sebastian Wendelin.
Felix Kammerer, Markus Meyer, Dagna Litzenberger Vinet, Sylvie Rohrer © Marcella Ruiz Cruz DER ZAUBERBERG Dramatische Kurzfassung eines Großromans
Thomas Mann blickte nach dem „Weltfest des Todes“ auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück. In einem Schweizer Sanatorium hoch oben in den Alpen nahe Davos lässt er seine Charaktere in trügerischer Bequemlichkeit die Abgeschiedenheit vom Geschehen unten in Liegenkuren, Fiebermessen und fünf opulenten Mahlzeiten am Tag feiern. Wie ein Menetekel hängt über allen die Krankheit, TBC, die nur wenige geheilt entlässt. Die anderen beschließen ihre Tage in Frieden auf dem Berg. Ihre Zimmer werden ausgeräuchert, um für die nächsten, durchwegs hoffnungsvollen Erkrankten Platz zu bieten. Hans Castorp, ein nach eigenem Befinden kerngesunder junger Mann, besucht seinen Vetter. Joachim ist Offizier und hadert mit dem Umstand, dass sein Aufenthalt immer wieder verlängert wird. Die Entscheidung darüber trifft Hofrat Behrens, der auch in Hans das Leiden diagnostiziert und einen neuen Patienten gewonnen hat. Die Langeweile führt zu intensiven Gesprächen, unter anderem mit Settembrini, einem Humanisten, Freimaurer und „individualistisch denkenden Demokraten“. Die Liebe kommt ins Spiel, als Hans in der schönen Russin Chauchat seine erste Liebe wieder erkennt, den Schulkollegen Hippe. Sieben Jahre verfliegen wie im Traum, bis die Botschaft von der Einberufung zum Militär auch auf diesen Zauberberg vordringt und es Abschiednehmen von Hans heißt. Regisseur Bastian Kraft hat für das Burgtheater versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Ein umfangreicher Bildungsroman, ins Unendliche ausgeweitet mit der epischen Ruhe grandioser Formulierungen, mit ozeantiefen Gedanken in jedem Satz und einer Handlung, bestehend aus unausgesprochenen Emotionen, wurde dennoch packend auf zwei Stunden und zehn Minuten konzentriert. Als Kulisse genügt ein stilisierter Alpengipfel, der gleichzeitig als Projektionsfläche für Videos dient. Darauf turnen, liegen oder stehen kurend vier Darsteller in neutralen Kostümen:
Markus Meyer, Marie-Luise Stockinger, Felix Rech © Matthias Horn KASIMIR UND KAROLINE Verismo brutalo auf Horváths Wiesen
Die 1930er-Jahre waren eine spiegelglatte Zeit, auf der in Deutschland und nicht nur dort die Gesellschaft in Extreme ausgeglitten ist. Arbeitslosigkeit und Klassenkampf schufen eine verhängnisvolle Mischung aus Aggression, Verzweiflung und verirrten Hoffnungen. Ödön von Horváth hat sie in seinen Romanen und Theaterstücken mit einer nahezu prophetischen Anschaulichkeit geschildert. Eines der düstersten Beispiele ist das 1932 entstandene „Volksstück“ „Kasimir und Karoline“. Am Horizont blitzte bereits das Wetterleuchten des Nationalsozialismus wie ein Irrlicht der Erlösung. Nur einigen wenigen geht es – nach unseren heutigen Begriffen – gut. Die anderen müssen das bisserl Geld genau abzählen, bevor sie es für ihr Vergnügen ausgeben, denn das Münchner Oktoberfest wollte niemand verpassen. Eine Fahrt mit der Hochschaubahn sollte drin sein, sowie etliche Maß Bier und auf jeden Fall eine neue Bekanntschaft, die von dort abgeschleppt werden sollte. Dass Kasimir einen schweren Stand hat, ist klar. Er wurde tags zuvor entlassen. Man brauchte ihn als Chauffeur nicht mehr. Seine Braut, die Karoline, kann auch nicht über ihren Schatten springen. Sie verdient ja noch ihr Geld. Die Auseinandersetzung ist vorprogrammiert, zumal Alkohol, sein schräger Freund und ihr latenter Wille nach oben die Streiterei bis zum bitteren Ende befeuern. Mavie Hörbiger, Christoph Luser, Felix Rech, Lili Winderlich, Maresi Riegner © Matthias Horn Regisseurin Mateja Koležnik hat für das Burgtheater den Text von Horváth neu gelesen und ihre in jeder Weise konzentrierte Fassung packend in zwei Etagen (Bühne: Raimund Orfeo Voigt) auf die Bühne gestellt. Oben bemühen sich Sanitäter um Alkoholleichen und Verletzte aus den Raufereien. Es wird lustig aufgespielt, gegrölt, getanzt, gesoffen und auf primitivste Weise nach sexuellen Kontakten mit den allgegenwärtigen Huren gegiert. In den Aborten darunter darunter versammeln sich die abgesackten Typen, um neben menschlichen Bedürfnissen wieder eine Spur von Frische ins Gesicht und nach einem Gewitter die Frisur am Föhn trocken zu kriegen.
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