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Webley & Scott Modell 1907 aus dem Besitz der Spionin Noor Inayat Khan

SPIONAGE! 39 spannende Fälle von heimlichem Wissenserwerb

System Metternich © © theo kust / www.imagefoto.at

Agenten und andere neugierige Subjekte von der Antike bis in die Gegenwart

Nicht einmal Heilige waren davor gefeit, in den Verdacht der Spionage zu geraten. So wurde der fromme irische Pilger Kolomann auf seiner Wallfahrt ins Heilige Land im Grenzgebiet zwischen Heiligem Römischen Reich und Ungarn in Stockerau als „speculator“, also als Kundschafter, eingesperrt und an einem Holunderstrauch erhängt. Das Misstrauen gegen Fremde ist also uralt und nicht immer ereignen sich am Grab des vermeintlichen Spions Wunder, die zu einer Verehrung dieses bedauernswerten Wanderers als Heiligen geführt haben. Es könnte ja sein, dass ein unbekanntes Subjekt wie diese ungewöhnlich gekleidete Person Geheimnisse hinausträgt und dem Gemeinwohl Schaden zufügt. Bereits die Römer wussten um den Wert heimlichen Wissens. Sie bedienten sich der umtriebigen Getreidehändler, der Frumentarii, die auf Märkten und in Häfen in entlegensten Winkeln des Reiches unterwegs waren und dort die letzten Neuigkeiten erfuhren. So wussten sie über verdächtig gewordene Staatsbeamte bescheid und erstatteten pünktlich darüber bei den entsprechenden Stellen Rapport.

Wanddekortaion mit Geheimversteck

Dass diese Berufsgruppe aufgrund derlei Tätigkeit nicht zu den Beliebtesten zählte, ist an sich klar. Dennoch haben Agenten und Spione bis heute höchstes Sozialprestige. Man weiß zwar nicht, wer ein solcher ist, sofern er nicht aufgedeckt wird, aber Otto Normalbürger hat so seine Vorstellung von einem zwar gefährlichen, aber dennoch luxuriösen Leben mit schönen Frauen an den schönsten Plätzen der Erde. Nicht zuletzt haben dazu Filmhelden wie James Bond beigetragen, die dieses Metier märchenartig verherrlichen, aber meist nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben.

Miniaturkamera Mycro IIIa in Schuhabsatz 1950

Das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich gibt unter dem Titel „Spionage!“ (bis 19. Jänner 2020) mit 39 Fällen Einblick in die Geschichte und die Realität der Geheimdienste. So erfährt man, dass der Jesuit und Universalgelehrte Athanasius Kircher im 17. Jahrhundert bereits für die großen Höfe Abhöranlagen entwickelte, die zwar wenig mit den heutigen Wanzen zu tun haben, aber in ihrer Wirkungsweise durchaus dem Herrscher die Denkweise seiner nächsten Berater verrieten.

Botschaften, die nicht für jedes Auge bestimmt waren, mussten verschlüsselt werden. Wieder war es ein Gelehrter, nämlich Gottfried Wilhelm Leibnitz, der das Chiffrieren mit einer „Machina deciphratoria“ revolutionierte. Ein 2014 gebautes Modell ist in der Ausstellung zu bewundern. Weiter geht es herauf durch die Zeiten mit der „Ritterschaft zur Blauen Erde“, die trotz der Mitgliedschaft eines Erzherzog Johann und dem Wahlspruch „Alles für Gott, Kaiser, Österreich und Freundschaft“ bei ihren Ritterfesten auf Burg Seebenstein mit dem Besuch von Polizeispitzeln konfrontiert waren. Fürst Metternich war ein Meister der unauffälligen Zuhörens und bediente sich dabei eines perfekt organisierten Polizeiapparates, der nicht selten das Ziel bissiger Pointen eines Johann Nestroy darstellte. Entsprechende Tricks wurden und werden bis heute in der Industrie angewendet, wie beispielsweise „Spinning Jenny“, eine Spinnmaschine, deren Technologie trotz strengstem Ausfuhrverbot ihren Weg von England bis Pottendorf gefunden hat. Über die Überwachung der deutschen Sozialdemokratie, die Dreyfus-Affäre und den geläuterten Spion Sir Baden-Powell geht es zurück nach Österreich zum k. u. k. Geheimdienstchef Maximilian Ronge.

Er überführte unter anderen Oberst Alfred Redl der Spionage. Ein Kamelsattel erzählt über die Mission des Orientalisten Alois Musil, der im Auftrag des Kaisers mit Lawrence von Arabien verdeckte Auseinandersetzungen führte. Keine solche Ausstellung ohne Mata Hari, der „Femme fatale“ dieses Gewerbes! In den Kriegen und Umbrüchen des 20. Jahrhunderts war Spionage für Russen, Deutsche oder Briten eine alltägliche Angelegenheit, die mit dem Einsatz des Mossad zur Festnahme von Adolf Eichmann und auf Abwege geratene österreichische Zöllner am Eisernen Vorhang bis in die 1960er-Jahre heraufreicht. „Tote Briefkästen“, falsche Zähne mit brisanten Füllungen oder ein Mikrofilm im Stiefelabsatz sind die Accessoires auch modernder Spionage, die im Kalten Krieg fröhliche Urständ feierte und mit einem transplantierten Chip im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht. Was sonst noch alles in der „schönen neuen Welt“ an Überwachung möglich ist, zeigt uns übrigens das so vertraute Handy, das verlässlich weiß, wo Sie eben gewesen sind und was Sie dort getrieben haben.

Der irische Pilger Kolomann und Stift Melk

Meine Jugend - Deine Jugend Ausstellugnsansicht © Daniel Hinterramskogler

MEINE JUGEND – DEINE JUGEND Generationen im Überblick

Meine Jugend - Deine Jugend Ausstellugnsansicht © Daniel Hinterramskogler

Wie man schon in frühen Jahren Geschichte macht

Die einfache Devise lautet: Jeder war einmal jung! Geblieben sind den einen davon nur die Erinnerungen an die Zeit des Hineinreifens in die Gesellschaft, andere wiederum befinden sich in just diesem nach allen Seiten hin offenen Alter und die Jüngsten mögen sich darauf vorbereiten, Jugendliche zu werden. Die Sonderausstellung im Haus der Geschichte in St. Pölten „Meine Jugend – Deine Jugend: Eine Generation schreibt Geschichte“ (bis 19. Jänner 2020) kennt also keinerlei Alterslimits bezüglich ihrer Aktualität. Garantiert ist allseitiges Staunen – und ein Dialog, den die Besucher untereinander führen können, also die Enkelkinder mit dem Opa oder der Papa mit der Oma und die Mama mit dem Filius. Was es da nicht alles zu erfahren gibt! Was findet der Nachwuchs auf seinem Handy, dass er seine Augen nicht davon lösen kann? Wie konnte man eine solche Musik anhören, die einst auf Kassette gespeichert wurde? Manche mögen bereits verwundert auf die CD blicken, der Plattenspieler ist mittlerweile gänzlich unbekannt. Was ist denn ein Schlurf? Ganz zu schweigen von einem Dasein ohne Instagram.

Meine Jugend - Deine Jugend Ausstellugnsansicht © Daniel Hinterramskogler

Gedankenanregungen bieten die einzelnen Stationen, an denen man jeweils in kleine Zeitreisen durch etwa 60 Jahre eintaucht. Ein Moped, das in den 1960er-Jahren den Halbstarken in seine erste Freiheit geführt hat, ist dafür ebenso ein Symbol wie die Telefonzelle, bei der man mit einigen Münzen ungestört von elterlichem Lauschen die Freundin anrufen konnte. Spannend ist auch der zeitliche Bogen, an dem die sexuelle Aufklärung der Heranwachsenden dokumentiert wird, von leisen schulischen Versuchen über Dr. Sommer im Bravo bis zum Sex-Koffer vom Ministerium.

Meine Jugend - Deine Jugend Ausstellugnsansicht © Daniel Hinterramskogler

Wie Jugend sich im Lauf der Zeit zu kleiden pflegte, ist ebenfalls ein Punkt für Aktivität, an dem man sich in Punkkleidung, als Hippie oder als Raver fotografieren lassen kann. Mitmachen ist an sich ein wesentlicher Auftrag, den der Besucher in dieser Ausstellung zu erfüllen hat. Mit altergemäß gefärbten Pickerln setzt man seine (ehrlichen) Statements zu Fragen wie „Wer hat dich am stärksten in der Erziehung beeinflusst“ oder „Welche Suchtmittel hast du wann zum ersten Mal genommen?“

Die Kuratoren Christian Rapp, der wissenschaftliche Leiter Haus der Geschichte, Anna Kieninger (Kulturvermittlung), Andrea Thuile und Benedikt Vogl aus der wissenschaftlichen Mitarbeit haben unter Beteiligung von vielen Jugendlichen aus Niederösterreich und Wien diese Schau mit ihren 13 Themenbereichen gestaltet. Die Anliegen der heute Jungen sollten im Mittelpunkt stehen, ihre Fragen an Geschichte und Gegenwart. Geworden ist daraus ein spannender zeitlicher Überblick.

Darin finden sich sowohl der 70jährige wie auch die Teenager und aus eventuellem Unverständnis den anderen Generationen gegenüber wird ein teilnahmsvolles Schmunzeln über das, was einst und heute so ungemein wichtig (gewesen) erschien, dass es sogar zur Ehre eines Museums gelangt ist. Mit eigenen Beiträgen, die seitens der taxfrei zu Historikern ernannten Besucher erwünscht sind, wird dieser Blick im Laufe der Zeit immer vollständiger und vor allem lebendiger werden.

Meine Jugend - Deine Jugend Ausstellugnsansicht © Daniel Hinterramskogler
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