Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Johanna Mahaffy am Mikrophon © Astrid Knie

Johanna Mahaffy am Mikrophon © Astrid Knie

DIE SCHMUTZIGEN HÄNDE Idealismus, Pragmatismus, Eifersucht

Günter Franzmeier, Nils Arztmann © Astrid Knie

Günter Franzmeier, Nils Arztmann © Astrid Knie

Ein Blick in dunkle Hinterzimmer der Parteien und ihren Ideologien

Jean-Paul Sartre führt uns nach Illyrien, einer kleinen Monarchie irgendwo auf dem Balkan. 1943, also zwei Jahre vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zieht sich die verbündete deutsche Wehrmacht vor der anrückenden Roten Armee der Sowjets zurück. Das Land ist in drei Parteien gespalten; in die faschistische Regierung des Regenten, in eine von einem gewissen Karsky geführte bürgerliche Partei und in die proletarische Partei, die aus dem Untergrund kämpft. Deren Anführer ist Hoederer, der jedoch aufgrund pragmatischer Ideen in Ungnade gefallen ist. Die selbsternannten Idealisten wollen ihn beseitigen. Als Attentäter bietet sich ein junger Mann an, der aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft und intellektuellen Ausbildung bisher eher unbeachtet geblieben ist. Er ist überzeugt: „Jeder könnte töten, wenn die Partei es befiehlt.“

Roman Schmelzer, Günter Franzmeier , Michael König © Astrid Knie

Roman Schmelzer, Günter Franzmeier , Michael König © Astrid Knie

Nanette Waidmann, Nils Arztmann © Astrid Knie

Nanette Waidmann, Nils Arztmann © Astrid Knie

Regisseur David Bösch hat das von Hinrich Schmidt-Henkel ins Deutsche übertragene Stück in seiner ganzen Bedrücktheit und Finsternis auf die Bühne (Patrick Bannwart) der Josefstadt gestellt. Er konnte sich dabei auf ein grandioses Ensemble stützen, das die Nuancen zwischen mörderischem Kadavergehorsam und persönlichen Emotionen eindrucksvoll spürbar macht. Der junge Hugo (Nils Arztmann) wird von der Schreibmaschine weg mit einer Pistole ausgestattet. Hilfestellung und Tipps erfährt er von Louis, dem Oberrebell der Partei. Roman Schmelzer wird dabei zum verschlossenen Apparatschik, der mit dem Fall des Parteisekretärs offenbar nur seinen eigenen Aufstieg im Auge hat. Als sein Kettenhund, besser gesagt, als Wolf wird Nanette Waidmann in der Rolle der blonden Olga später beherzt Bomben auf die eigene Parteizentrale werfen.

Bis es soweit ist, wird Hugo jedoch als Schreibkraft bei Hoederer eingeschleust, dessen gewaltige Ausstrahlung ihn überwältigt. Günter Franzmeier ist die Verkörperung dieses Grandseigneurs einer fragwürdigen Politik, die erforderlichenfalls den Pragmatismus vor den Idealismus stellt und mit dem Prinzen (wieder Roman Schmelzer) und Karsky (Michael König) in Verhandlungen eintritt. Beschützt wird er von zwei zum Schuss aus ihren Maschinenpistolen bereiten Leibwächtern (Alexander Absenger, Oliver Rosskopf). Es wird spannend, als sie Hugos Koffer nach Waffen durchsuchen. Dass sie dabei keinen Erfolg haben, hat Hugo seiner Frau Jessica zu verdanken, einer sanguinischen jungen Weibsperson, die rechtzeitig die Pistole an sich versteckt hat. Johanna Mahaffy ist nicht nur der Lichtblick in der Angst von Hugo, sie lockert das triste Geschehen auch immer wieder mit Chansons auf, zum Beispiel verkleidet als Edith Piaf und deren „Non, je ne regrette rien“. Auch sie ist von Hoederer fasziniert, allerdings vom einsamen Mann in ihm, ohne zu bedenken, dass sie damit tödliche Schüsse auslösen könnte.

Günter Franzmeier, Nils Arztmann © Astrid Knie

Günter Franzmeier, Nils Arztmann © Astrid Knie

Bernhard Schier (Friedrich Hofreiter), Maria Köstlinger (Genia) © Astrid Knie

Bernhard Schier (Friedrich Hofreiter), Maria Köstlinger (Genia) © Astrid Knie

DAS WEITE LAND Affären, Duelle und unerfüllte Liebe

Das weite Land, Ensemble © Astrid Knie

Das weite Land, Ensemble © Astrid Knie

Schnitzlers dramatisches Zeitgemälde fasziniert heute noch wie vor einem Jahrhundert.

Der Fabrikant Friedrich Hofreiter ist ein Schürzenjäger der Extraklasse. Anstelle von Liebe geht es ihm um Abwechslung im Bett. Er braucht die Spannung des Seitensprungs zum Überleben wie andere ein Stück Brot oder ein Glas Wasser. Das weiß auch seine Frau Genia. Sie hat sich damit abgefunden. Die innere Verbindung zu ihrem Gemahl ist längst abgerissen. Sie könnte sich, wenn sie wollte, revanchieren. Er kennt keine Eifersucht, besser gesagt, er wäre sogar froh, wenn auch sie eine Affäre hätte. Arthur Schnitzler, der selbst ein mehr als bewegtes Liebesleben pflegte, hatte dafür größtes Verständnis. In der tragischen Komödie „Das weite Land“ konnte er deswegen die Seelenzustände seiner Zeitgenossen besser als kein anderer in literarisch geschliffenen Dialogen offenlegen. Verquickt mit heute seltsam erscheinenden Usancen wie einem unvermeidlichen Duell mit dem betrogenen Ehemann wurde daraus eine elegante Darstellung des gesellschaftlichen Umgangs im Bürgertum des Wienerischen Fin de Siècle und eines seiner meist gespielten Dramen.

Johanna Mahaffy (Erna), Bernhard Schier (Friedrich Hofreiterg) © Astrid Knie

Johanna Mahaffy, Bernhard Schier © Astrid Knie

Maria Köstlinger, Sandra Cervik © Astrid Knie

Maria Köstlinger, Sandra Cervik © Astrid Knie

Wenn eine Bühne für dieses Stück prädestiniert ist, dann das Theater in der Josefstadt, das sich noch im 21. Jahrhundert einen Hauch der Atmosphäre dieser Zeit bewahrt hat. Regisseur Janusz Kica durfte in der Ausstattung (Bühnenbild und Kostüm: Karin Fuchs) durchaus sparsam sein. Zwei Sitzgelegenheiten und eine Traube von stylischen Lampen als Hinweis auf den Geschäftszweig des Hauptdarstellers genügen als Einrichtung der Badener Villa, um Schnitzlers Text zur vollen Geltung zu bringen. Die Dolomiten im Abendglühen sind dagegen geradezu geschwätzig. Sie erheben sich hinter dem imaginären Hotel, in dem Publikumslieblinge ihren Dienst für allerlei Gäste verrichten. Marcello De Nardo nervt als ungemein komischer Doktor Meyer den geduldigen Portier Rosenstock (Martin Zauner) und nicht zuletzt auch Direktor von Aigner, dem Herbert Föttinger entsprechende Überheblichkeit angedeihen lässt. Von hier aus brechen Friedrich Hofreiter (Bernhard Schier), sein Freund Doktor Franz Mauer (Marcus Blum) und die blutjunge Erna (Johanna Mahaffy) zu einer gefährlichen, schicksalhaften Bergtour auf.

Während Hofreiter und Erna einander näher kommen, muss Mauer einsehen, dass er bei dem Mädchen keine Chance hat. Zuhause bahnt sich ebenfalls ein Verhältnis an. Die an sich kühle Genia (Maria Köstlinger) und Fähnrich Otto (Tobias Reinthaller) schwören einander ihre Liebe. Keine Liaison bleibt unentdeckt. Sowohl das abgelaufene Verhältnis Hofreiters mit Adele Natter (Martina Stilp) als auch der Selbstmord eines berühmten Pianisten wegen unerhörter Liebe zu Genia sind allgemeiner Gesprächsstoff. Hofreiter muss deswegen ein Duell mit Otto provozieren. Er erschießt den jungen Mann, angeblich einzig deswegen, weil ihn die jugendliche Entschlossenheit in dessen Augen gereizt hat. Das Ende ist also tragisch, könnte unsereins aber egal sein, wäre da nicht die mitreißende Leistung eines durchwegs grandiosen Ensembles, u. a. eines zynischen Günter Franzmeier als gehörnter Ehemann, Matthias Franz Stein als umtriebiger Oberleutnant oder Sandra Cervik, berührend in der Rolle der ahnungslosen Mutter Ottos.

Martin Zauner, Herbert Föttinger © Astrid Knie

Martin Zauner, Herbert Föttinger © Astrid Knie

Das Vermächtnis, Symbolfoto © Philine Hofmann

Das Vermächtnis, Symbolfoto © Philine Hofmann

DAS VERMÄCHTNIS für homosexuelle Männer in US-Amerika

Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Ein langer Theatertag vergeht dank eines grandiosen Ensembles wie im Flug.

Autor Matthew López erweckt gleich zu Beginn den britischen Romancier Edward Morgan Forster (1879-1970) zum Leben und macht ihn in Person von Ulrich Reinthaller zum geduldigen Diskussionspartner und mit dessen Roman „Howards End“ (1910 veröffentlicht) zum literarischen Mentor für eine Gruppe schwuler Männer im New York Ende des 20. Jahrhunderts. So leben der etwa 40jährige Eric Glass und der gleichaltrige Toby Darling als angehender Dramatiker in einer von Spaß und sexueller Lust geprägten Partnerschaft. Martin Niedermair und Raphael von Bargen machen auch den Heteros im Publikum das Zuschauen leicht. Sie tragen in einem genialen Einfall wohl von Regisseur Elmar Goerden eine bis zum Orgasmus gesteigerte Intimität in wohltuender Distanz und getragen von subtiler Komik aus. Ähnliches gilt für ihre Freunde, mit denen ordentlich Party gefeiert wird. Jason 1 (Roman Schmelzer) und Jason 2 (Thomas Frank) sind verheiratet und wollen Kinder adoptieren, sind einem erfrischenden Blödeln aber nicht abgeneigt. Jasper (Jan Thümer) ist hingegen der Streitbare, der von einem sich köstlich schwul gebenden Marcello de Nardo als Tristan beruhigt wird.

Martin Niedermair (Eric Glass), Joseph Lorenz (Henry Wilcox) © Philine Hofmann

Martin Niedermair (Eric Glass), Joseph Lorenz (Henry Wilcox) © Philine Hofmann

Raphael von Bargen (Toby Darling), Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Raphael von Bargen (Toby Darling), Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Konflikte stellen sich mit dem unerwarteten Erscheinen von Adam ein. Nils Arztmann gibt einen jugendlichen Schönling, der in der bereits angejahrten Community für prickelnde Unruhe sorgt. Er wird Hauptdarsteller in Tobys Theaterstück, das von der Provinz in kürzester Zeit an den Broadway wandert. Damit öffnen sich erste Beziehungskisten wie sie in jeder anderen Gesellschaft auch passieren würden. Toby verliebt sich vergeblich in Adam, Eric muss sehen, wo er bleibt, da er sogar aus seiner Wohnung in bester Lage ausziehen muss. Es ist nun Zeit für den Auftritt von Henry Wilcox (Joseph Lorenz), einem steinreichen Unternehmer und Republikaner. Sein Freund Walter (Ulrich Reinthaller) hatte seine aus einer kurzen Ehe stammenden Söhne aufgezogen. Als der Eric kennenlernt, vermacht er ihm vor seinem Ableben ein uraltes Haus weit außerhalb der Stadt. Dort hat Walter über Jahre Opfer der HIV-Pandemie bis zu deren Tod gepflegt.

Andrea Jonasson (Margaret), Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Andrea Jonasson (Margaret), Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Das Vermächtnis, Ensemble © Philine Hofmann

Das Vermächtnis, Ensemble © Philine Hofmann

Die Handlung ist damit unmerklich in das 21. Jahrhundert gewandert, beeinflusst von der Politik der jeweiligen Präsidenten und vor allem bei der ersten Wahl von Donald Trump ängstlich von LGBTQ+ beobachtet. Eric wird nun von Henry geheiratet, doch in seinem Engagement für unter die Räder gekommene Gesinnungsfreunde an sehr kurzer Leine gehalten. Das bewusste Haus bleibt ihm verschlossen. Toby ist nach der Enttäuschung mit Adam ins Trudeln geraten.

Er bleibt an einem Stricher hängen. Nils Arztmann ist auch Leo, der sein Leben offenbar nicht in den Griff bekommt und in einen erbärmlichen Zustand absackt. Hatte man als Zuschauer über die bisherigen sieben Stunden – mindestens so lange dauert die gemeinsame Aufführung beider Teile von „Das Vermächtnis“ mit entsprechenden Pausen – den Eindruck, dass New York eine Stadt ohne Frauen ist, lässt einen Andrea Jonasson diese Meinung umgehend revidieren. Margaret ist die Mutter eines in besagtem Haus verstorbenen Mannes. Ihrem eindrucksvollen Plädoyer für Eric und dessen segensreiches Wirken kann auch der knallharte Henry nicht widerstehen. Es kommt trotz aller Verirrungen und Verwirrungen zum einem Happy End, das allerdings im Gegensatz zum bisherigen Verlauf hart am Kitsch schrammt. Dennoch gab es bei der Premiere spontane Standing Ovations und lautstarken Jubel für die gewaltige Leistung des Ensembles seitens eines Publikums, das erwartungsgemäß aus einem guten Teil gleichgeschlechtlicher Paare bestanden hat.

 Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Nils Arztmann (Leo) © Philine Hofmann

Alexander Absenger, Katharina Klar © Astrid Knie

Alexander Absenger, Katharina Klar © Astrid Knie

AZUR ODER DIE FARBE DES WASSERS in dunkelgrauen Tönen des Lebens

Juliette Larat, Alexander Absenger © Moritz Schell

Juliette Larat, Alexander Absenger © Moritz Schell

Engagement einer jungen Autorin für allerlei sexuelles Ungemach junger Männer

Hannes und Geri sind Freunde, besser gesagt, sie sind ein Liebespaar. Begonnen hat die Beziehung im Internat einer katholischen Eliteschule. Die zwei jungen Männer stehen nun vor Bundesheer oder Zivildienst und unter Umständen vor einer räumlichen Trennung, da Geri partout nach Wien gehen und dort Journalist werden will. Hannes ist Maler. Sein Motiv ist der Fluss, bei dem er bleiben will, um immer neue Facetten an ihm zu entdecken und auf seinen Gemälden festzuhalten. Um Konflikte brauchen sie sich nicht zu sorgen. Abgesehen von keimender Eifersucht ob der nahen Zukunft geht es um das Versteckspiel der homoerotischen Neigung vor der ländlichen Gesellschaft. An diesem Spannungspunkt lässt Lisa Wentz ihr Stück „Azur oder die Farbe des Wassers“ einsetzen. In drei immer wieder ausgetauschten Zeitebenen, beginnend mit 1988, entwickelt sich eine Tragödie, in der Hannes mit der Freundin seiner Schwester ein Kind zeugt, 2001 aber spurlos verschwindet. 2011 wird er für tot erklärt, kann aber letztendlich als Missbrauchsopfer seitens eines Geistlichen ein bis dahin nur vage angedeutetes Problem in die zahllosen Fragen einbringen.

Michael König, Ulli Maier © Astrid Knie

Michael König, Ulli Maier © Astrid Knie

Azur oder die Farbe des Wassers, Ensemble © Astrid Knie

Azur oder die Farbe des Wassers, Ensemble © Astrid Knie

Regisseur David Bösch hat diese unglaubliche Anhäufung an Widrigkeiten in entsprechender Düsternis rund um und in einem karg eingerichteten Haus (Bühnenbild: Patrick Bannwart) angesiedelt. Verstärkt werden die vielseitigen Emotionen mit warmherzigen Pop-Balladen, die mit vollem Sound angeblich aus einem winzigen Radio tönen. Alexander Absenger ist Hannes und ein kraftvoller Künstler, dem man seine Neigung erst dann ansieht, wenn er mit Geri etwas unbeholfen zu schmusen beginnt. Ähnliches gilt für Oliver Rosskopf, der als heiterer junger Mann einem fröhlichen Studentenleben in der Großstadt entgegenblickt und so gar keine schwulen Attitüden an den Tag legt. Martha (Katharina Klar), die Schwester von Hannes, dürfte den Braten aber riechen.

Instinktiv geht sie zu Geri auf Distanz. Ihre Mutter Wihelmina ist eine verhärmte Frau, der Ulli Maier Härte bis zur Lieblosigkeit verleiht. Ein Lichtblick ist Opa Helmut (Michael König). Er pflegt seinen Humor bis ins hohe Alter mit ein paar Stamperl Schnaps, die ihn über das Unangenehme um sich hinwegschauen lassen. Geris Vater Richard (Günter Franzmeier) ist dagegen ein ganz anderes Kaliber. Er hat weder für die Neigung seines Sohnes noch für Klagen über scheinbar gängige sexuelle Übergriffe (nur eines der dankbaren Klischees) im teuren Internat Verständnis. Eine durchaus positive Erscheinung ist Karla (Martina Ebm), die es als lebensfrohes Mädchen sogar im Wissen um die Veranlagung von Hannes in Kauf nimmt, mit ihm eine Beziehung einzugehen. Das Ergebnis ist Anna, die es mit Juliette Larat als Teenager in voller Pubertät den Erwachsenen um sich nicht leicht macht, sie lieb zu haben. Aber gerade sie wird vom mittlerweile erfolgreichen Journalisten Gerold mit dessen Erinnerungen zur Wissenden erwählt und damit zwangsläufig ebenfalls Teil dieses allgemeinen Jammers.

Oliver Rosskopf, Alexander Absenger © Astrid Knie

Oliver Rosskopf, Alexander Absenger © Astrid Knie

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

SONNY BOYS Ein Fest für zwei verdiente Komiker

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

Am Sonnentag der Komödianten wurde das Wetterleuchten begeistert ignoriert.

Das Erstaunlichste an dieser Komödie von Neil Simon ist die Tatsache, dass aus etliche Mal Alt ein ewig junges Stück entstanden ist. Auch an Schauspielern geht die Zeit nicht spurlos vorüber, wenn auch der Eindruck entsteht, dass so manche jugendliche Liebhaber oder verführerische Naive außerhalb des natürlichen Alterungsprozesses stehen und erst wenn es wirklich nicht mehr geht, zähneknirschend das Fach wechseln. Komiker sind diesbezüglich weit unempfindlicher. Sie gewinnen eher noch an Format mit der Anzahl der Falten in ihrem Gesicht, wenn es darum geht, das Publikum zum Lachen zu bringen. Darauf hat bereits 1972 der US-Dramatiker Simon gesetzt, als er zwei mittlerweile betagte Herren, einst jedoch ein gefeiertes Komikerduo, in einer TV-Sendung nach Jahren der Trennung für einen Kurzauftritt mit einem ihrer uralten Sketches zusammenführen will und dieses Vorhaben bis in unsere Tage Zwerchfell erschütternd scheitern lässt.

Robert Meyer, Dominik Oley, Larissa Fuchs © Moritz Schell

Robert Meyer, Dominik Oley, Larissa Fuchs © Moritz Schell

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

Auch im Theater in der Josefstadt wachsen wie in jedem verlässlichen Ensemble Legenden heran, die man einfach in den Rollen von Willie Clark und Al Lewis dabei beobachten will, wie sie sich gegenseitig als einstige „Sonny Boys“ sekkieren und dennoch von einer unerbittlichen Freundschaft rührend aneinander gefesselt sind. Nach Otto Schenk 1999 mit Helmuth Lohner in den Kammerspielen ist nun Robert Meyer ein Willie, der mit einer farbenprächtigen Palette an Bösartigkeiten dem mittlerweile etwas steif gewordenen Al den Nerv zu ziehen versucht.

Herbert Föttinger ist diesen hinterhältigen Attacken hilflos ausgeliefert, hat aber dennoch einen aggressiven Finger im Programm, den er schmerzhaft zwischen die Rippen von Willie stößt. Allein die Probe, die in Willies armseliger Wohnung (Bühne: Sophie Lux, Sarah Smets-Bouloc) stattfindet, ist bereits ein Feuerwerk an grandiosen Gags, die Regisseur Stephan Müller mit den beiden an sich so grundverschiedenen und doch im gleichen Maß ausgezeichneten Darstellern penibel herausgearbeitet hat. Daneben haben es Dominic Oley als betulicher Neffe von Willie, die resolute Pflegerin Larissa Fuchs mit osteuropäischem Akzent oder die Studio-Crew wahrlich nicht einfach, zu bestehen. Aber sie schaffen die Basis, auf der Meyer und Föttinger einen Abend entfalten können, der den Applaus und die Jubelrufe am Schluss mehr als verdient hat – stünden da nicht mittlerweile sattsam bekannte Vorwürfe gegen den Direktor der Josefstadt im Raum. Das Resümee: Die Premiere war ein Sonnentag für zwei Komödianten, bei dem das Wetterleuchten eines aufziehenden Gewitters geflissentlich ignoriert wurde, ganz einfach, weil es so schön war!

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

Robert Meyer, Herbert Föttinger © Moritz Schell

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Foto © Theater in der Josefstadt

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