Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Autograph von L. v. Beethoven, Skizze zur Klaviersonate Nr. 15 in D-Dur.

BEETHOVEN BEWEGT Kunst zu ewig neuen Schöpfungen

Beethoven bewegt, Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband

Wenn die Sonate auf Zuruf aus dem Hörrohr tönt...

Wie weit sich Ludwig van Beethoven zeitlebens um die ihn umgebende Kunst und deren Schöpfer gekümmert hat, kann man nur vermuten. Zu sehr war der Meister auf seine kompositorische Arbeit und auf die eigene Person konzentriert. Es gibt tausende authentische Zitate, die vielfach dem regen Briefverkehr mit den Größen der Kultur entnommen sind. Dass er sich darin über einen Maler oder Bildhauer in irgendeiner Weise geäußert hätte, ist auch im heurigen Beethoven-Jahr kaum zutage gekommen. So hatte sich ein Kuratoren-Quartett im Kunsthistorischen Museum Wien (Andreas Kugler, Jasper Sharp, Stefan Weppelmann, Andreas Zimmermann) der Herausforderung zu stellen, das Werk Beethovens mit der bildenden Kunst zu verbinden, ohne die Zusammenhänge gewaltsam an den Haaren herbeizerren zu müssen. Die Gegenwartskunst machte es den Gestaltern durch deren Verbeugung vor dem Titanen der Musik relativ einfach. Schwieriger gestaltete sich die Übung bei Zeitgenossen Beethovens, die nur selten von einer seiner Tonsetzungen inspiriert waren. So wurden Parallelen zwischen dem musikalischen Genius mit dem kreativen Funken einer Bildentstehung gesucht – und gefunden.

Jan Cossiers (1600–1671) Prometheus © Photographic Archive. Museo Nacional del Prado. Madrid

Vier Säle wurden für die Ausstellung „Beethoven bewegt“ (bis 24. Jänner 2021) reserviert und zu einer klangvollen Wanderung durch die Welt der Sonaten und Symphonien Beethovens und dem Kunstschaffen eines August Rodin, eines Anselm Kiefer oder des bedeutenden deutschen Landschaftsmalers Caspar David Friedrich verdichtet. Wie erlesene Schmuckstücke wurden auf diesem Weg Objekte eingebaut, die dem Besucher den direkten Draht zum musikalischen Jahresregenten verschaffen: das einzige erhaltene Hörrohr, der Fußboden aus der Wohnung, in der Beethoven verstorben ist und – das Wichtigste überhaupt – eine ganze Reihe von Autographen.

Ludwig van Beethoven (1770–1827) Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 55, »Eroica« © Ges. der Musikfreunde

Schon beim Aufgang über die breite Treppe lässt ein überdimensionales Hörrohr innehalten. John Baldessari (US-Künstler, 1931-2020) hat die Installation „Beethoven´s Trumpet (With Ear)“ so raffiniert konstruiert, dass man nur laut genug hinzurufen braucht, um wie aus einem Grammophontrichter mit einem Streichquartett belohnt zu werden. In diesem musikalischen Modus geht es in dem in Weiß gehaltenen Saal I weiter. Es erklingen die Waldsteinsonate (C-Dur op. 53) und die letzte Klaviersonate in c-moll op. 111. Die Musik scheint von einem an der Decke hängenden Konzertflügel herabzuströmen.

Als „Komponistin“ dieses „Concert for Anarchy“ zeichnet die deutsche Bildhauerin Rebecca Horn, die für den Besucher eine Überraschung eingebaut hat. Die Wände bedecken Zeichnungen von Jorinde Voight, die alle 32 Klaviersonaten in systematische Striche zergliedert hat, während Idris Khan die Noten dieser Klaviersonaten übereinander gelegt hat und mit den dadurch entstandenen schwarzen Balken die Taubheit Beethovens spürbar macht. In Saal II fangen bitterböse Radierungen von Francisco de Goya den Blick. Ob sie tatsächlich die Zerrissenheit widerspiegeln, in die Beethoven durch seine Krankheit geriet, muss jeder für sich selbst in der Stille dieses Raums entscheiden. Auf die Sprünge helfen kann dabei das in die Wand geritzte „Heiligenstädter Testament“. Es ist ein Aufschrei der Verzweiflung, aber gleichzeitig auch deren Überwindung.

Der Magie der Skizzen und Beethovens Begeisterung für die Natur ist Saal III gewidmet. Erste, mit lockerer Hand hingeworfene Entwürfe für Himmelsdarstellungen von William Turner entsprechen frappant den Noten, mit denen Beethoven eine Komposition angelegt hat. Gelegenheit, das Temperament von Beethoven zu erahnen, gibt es mit dem Titelblatt der Eroica. Anstelle des ursprünglichen Widmungsträgers Bonaparte findet sich ein Loch, das der freiheitsliebende Komponist gekratzt hat, als er erfahren musste, dass sich Napoleon zum Kaiser gekrönt hatte. Dass beide, der Korse und der Bonner, als kein Risiko scheuende Lichtgestalten gelten, mag das Gemälde des Feuer bringenden und dafür grausam von den Göttern bestraften Prometheus von Jan Cossiers anzudeuten. Eine persönliche Begegnung mit Beethoven verspricht Saal IV mit der Arbeit „This Joy“ von Tino Sehgal, in der er sechs Musikstücke Beethovens für Stimme arrangiert und choreographiert hat.

Idris Khan (*1978) Struggling to Hear .... After Ludwig van Beethoven Sonatas © Idris Khan
KHM Logo 300

Statistik