Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Kunstschätze vom Barock bis zur Gegenwart, Ausstellungsansicht

Kunstschätze vom Barock bis zur Gegenwart, Ausstellungsansicht

KUNSTSCHÄTZE Barock bis Gegenwart mit Blick auf NÖ

Anton Romako, Mädchen mit Kaninchen, um 1877 (Detail)

Anton Romako, Mädchen mit Kaninchen, um 1877 (Detail)

Wenn für eine Ausstellung ins Volle gegriffen werden konnte...

Als sich 1922 die Hauptstadt Wien inmitten von Niederösterreich als Bundesland selbständig machte, galt es unter anderem eine gewaltige, vor 120 Jahren gegründete Kunstsammlung gerecht aufzuteilen. Als Experte für museale Sammlungswissenschaften und Leiter der NÖ-Kunstsammlung weiß Nikolaus Kratzer um die Modalitäten, die damals angewendet wurden. Ausschlaggebend war u. a. die Thematik auf den Bildern. Grob gesagt: Urbane Sujets blieben in Wien, ländliche Bezüge wurden Niederösterreich zugesprochen. Schlecht gefahren dürfte das Land damals nicht sein. Zudem wurde fleißig weitergesammelt, dass man heute stolz auf mehr als 100.000 Werke vornehmlich österreichischer Provenienz blicken kann. Nikolaus Kratzer hatte nun das Vergnügen, aus diesen reichen Beständen eine Ausstellung zu gestalten. Bescheidenheit wäre bei den ausgewählten Objekten falsch am Platz gewesen, also entschied man sich für „KUNSTSCHÄTZE VOM BAROCK BIS ZUR GEGENWART“ (11. Februar 2024) und wird dem Auftrag zum ehrfürchtigen Staunen voll und ganz gerecht. Ins Schwärmen gerät auch die Museumsdirektorin Gerda Ridler: „Wir präsentieren Meisterwerke, die selten und kostbar sind, einen hohen ideellen oder kulturellen Wert haben und allesamt viel über die (Kunst-)Geschichte unseres Landes erzählen.

Olga Wisinger-Florian, Fronleichnamsprozession in Bisamberg, 1893

o.: Olga Wisinger-Florian, Fronleichnamsprozession in Bisamberg, 1893

r.: Michael Neder, Porträt eines Kochs, 1845

Michael Neder, Porträt eines Kochs, 1845

Das älteste gezeigte Werk ist eine großformatige barocke Altartafel aus 1772, das jüngste die radikale Malgeste „Dance“ von Franziska Maderthaner aus 2021. Im weiten Bogen dazwischen werden die Besucher auf einem chronologischen Parcours vom zweiten in das erste Obergeschoss geführt, um in jeder der ausgewählten Zeiten auf große Namen zu treffen. Martin Johann Schmidt, oder kurz der Kremser Schmidt, gefolgt von Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich Gauermann oder Emil Jakob Schindler sind nur einige der Meister, die ihre damalige Welt in ewig gültigen Werken zeigen. Sie werden von expressiven Kräften im frühen 20. Jahrhundert und den in Niederösterreich geborenen Künstlern Oskar Kokoschka und Egon Schiele abgelöst. „Der letzte Mensch“ von Anton Hanak als verzweifelte Reaktion auf den Ersten Weltkrieg ist eine erschütternde Skulptur, die wie das Gemälde „Katastrophe (Niemals vergessen)“ von Sergius Pauser zum Nachdenken anregt.

Renate Bertlmann, Schneewittchen, 1988/89

Renate Bertlmann, Schneewittchen, 1988/89

Erwin Wurm, Declining, 2013

Erwin Wurm, Declining, 2013

Unterstützend dazu gibt es zwischen den Bildern und Plastiken immer wieder literarische Texte, ausgewählt von Walter Grond und Veronika Trubel. Es handelt sich meist kurze Zitate wie die Zeilen von Ernst Lothar, die Fassungslosigkeit ausdrücken: Vor der Oper blieb er eine Weile stehen. Dabei sah er, dass der gegenüberliegende Heinrichshof, in dessen Kaffeehaus er seine tägliche Schachpartie gehabt hatte, aus Fensterlöchern und verbrannten Ziegeln bestand. Die Ziegel glänzten in der Nässe. Er ging die Kärntner Straße hinauf, aber die Kärntner Straße gab es auch nicht mehr.“ Als Befreier aus der trüben Stimmung mag Erwin Wurm dienen, der eine Knackwurst zum Vierbeiner mit dem Titel „Declining“ verwandelt hat. Der ätzende Kommentar dazu stammt vom überzeugten Misanthropen Thomas Bernhard: Die Kunst ist das Höchste und das Widerwärtigste gleichzeitig.

Alpine Seilschaften. Bergsport um 1900, Ausstellungsansicht

Alpine Seilschaften. Bergsport um 1900, Ausstellungsansicht

ALPINE SEILSCHAFTEN Kunstvolle Erinnerung an den Bergsport

Otto Barth, Rodler, undatiert © Landessammlungen NÖ

Otto Barth, Rodler, undatiert © Landessammlungen NÖ

Ein Netzwerk von fünf Gleichgesinnten hat um 1900 auf seine ganz spezielle Weise die Bergwelt erobert

Sie konnten beim besten Willen nicht ahnen, dass sich ihre Leidenschaft 100 Jahre später zu einem üblen Massenphänomen auswachsen würde. Für die beiden Maler Gustav Jahn (1879-1919) und Otto Barth (1876-1916) waren die Berge ein Ort der Inspiration, für die ihnen keine Mühe zu groß war. Als Bergsteiger waren sie Pioniere, die im Gepäck Staffelei und Farben verstaut hatten, wenn sie Felswände hochkletterten, um den besten Blick auf das schönste Motiv zu erhalten. Die gleiche Leidenschaft teilte mit ihnen Mizzi Langer-Kauba (1872-1955). Sie war selbst aktive Sportlerin, betrieb in Wien ein Geschäft zur Ausstattung der Bergsportler und wurde nicht zuletzt durch eine nach ihr benannte Kletterwand im Wienerwald legendär. Mit der schweren Landkamera samt Stativ war der Werbeprofi Fritz Benesch (1868-1949) unterwegs, um den Zeitgenossen im Tal Szenarien zu zeigen, die sie noch nie selbst zu Gesicht bekommen hatten. Der fünfte im Bunde war Camillo Kronich (1876-1958), ebenfalls Fotograf, in erster Linie aber rühriger Geschäftsmann, der den Tourismus ankurbelte, nicht zuletzt, um das von ihm betriebene Ottohaus und etliche andere Etablissements auf und an der Rax zu Anziehungspunkten für Scharen von Ausflüglern zu machen.

Morgengebet am Großglockner, Otto Barth (1911), Ausstellungsansicht

Morgengebet am Großglockner, Otto Barth (1911), Ausstellungsansicht

Gustav Jahn, Winterlandschaft mit Schifahrern, undatiert © ÖTK Österreichischer Touristenklub

Gustav Jahn, Winterlandschaft mit Schifahrern, undatiert (c) ÖTK Österreichischer Touristenklub - www.oetk.at

Ihre künstlerische Hinterlassenschaft lässt sich durchaus sehen, was bis 8. Oktober 2023 die Besucher der Landesgalerie Niederösterreich gerne bestätigen werden. Kunsthistoriker Wolfgang Krug hat dem genannten Quintett die Ausstellung „Alpine Seilschaften. Bergsport um 1900“ gestaltet, um darin nicht nur sein umfangreiches Wissen einzubringen, sondern auch die eigene Begeisterung an den Gemälden, Photographien, Tourenbüchern und Plakaten spürbar auf uns Heutige zu übertragen. Vom Hausberg der Wiener, der Rax, die mit der Bahn bequem zu erreichen war, begann eine Eroberung der Alpen über etliche Gebirgshöhen bis zum Montblanc. Im Zentrum steht das „Morgengebet am Großglockner“ von Otto Barth (1911). Es zeigt drei Bergführer vor dem mit Eisfahnen geschmückten Gipfelkreuz. Der Künstler, ein Mitglied des Hagenbundes, muss diese Szene selbst erlebt haben, denn dieses Bild spricht unmittelbar zum Betrachter. Verständlicherweise wurde damit ein Run auf das Gebirge ausgelöst, der mittlerweile dank technischer Erleichterungen zur Platznot auf so manchem Gipfel führt, andererseits aber wieder Menschen dazu animiert, der Faszination des Wanderns und Kletterns über Steige und Almen zu erliegen.

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