Mittelalterliche Handschriften, Inkunabeln, Grafiken und ein chirurgisches Besteck
In den Klöstern wurde ein guter Teil des Wissens der Antike über die Wirren der Völkerwanderung gerettet. Dabei waren auch Werke von Galen, Hippokrates und Dioskurides, griechischen Ärzten und Gelehrten, die ihre medizinischen Erkenntnisse bereits schriftlich festgehalten hatten. Erhalten geblieben sind die lateinischen Übersetzungen, deren Studium sich Ordensleute zunutze gemacht haben, um beispielsweise der von Benedikt von Nursia verfassten „Regula Benedicti“ und der darin enthaltenen Anweisung „Die Sorge für die Kranken gehe vor allem und über alles“ nachkommen zu können. Mit einer erstaunlich modern anmutenden Gesetzgebung von Kaiser Friedrich II. um 1200 erhielten die Mönche Konkurrenz seitens der damals gegründeten Universitäten.
Klosterheilkunde und Schulmedizin vertragen sich jedoch bis heute bestens, ja, vielmehr gibt es eine ganze Reihe von Überschneidungen, wenngleich die einen auf ihre Kräutergärtlein setzen und die anderen eher die Produkte der Pharmaindustrie bevorzugen.
Bücher wurden einst mühsam mit der Hand geschrieben und sind bis heute wertvolle Belege dafür, was bis weit in die Neuzeit auf dem Gebiet der Heilbehandlung als state of the art gegolten hat. Etliche Exemplare haben den Weg in die Österreichische Nationalbibliothek gefunden. Sie sind nun die Stars in einer ungemein spannenden Ausstellung. Immerhin geht es um unsere Gesundheit, die wir nicht mehr dem frommen Glauben an ein Wunder, sondern wissenschaftlichen Erkenntnissen oder der fortgeschrittenen Technik der Chirurgie anvertrauen. So findet sich im „Feldbuch der wundartzney“ aus ca. 1530 die Darstellung einer Beinamputation. Man spürt den Schmerz, den die Säge des Feldscherers am Bein einer Frau verursacht. Gnädigerweise dürfte die Patientin aber das Bewusstsein verloren haben. Aus einem späteren Jahrhundert (1680) stammt das Panoramabild vom Wiener Graben mit der Pestsäule als Zentrum. Man hat dem Herrgott als himmlischen Oberarzt gedankt, dass er diese Seuche, die über etliche Jahrhunderte ganze Landstriche beinahe entvölkert hat, beendete.
Was schon Maria Theresia und ihre Familie schwer belastete und Todesopfer forderte, waren die Pocken. Das Wort Vaccine für Impfstoff kommt nicht von ungefähr vom Rindvieh. Auf der Tafel I von August Zöhrers „Der Vaccinproceß und seine Crisen“ (1844) entnimmt ein Arzt Impfstoff aus dem Euter einer Kuh (lateinisch: vacca), begleitet von drastischen Darstellungen eines von Pocken befallenen Tieres. Die dritte Geißel der Wiener Bevölkerung war die Cholera. Mit der Hochquellenwasserleitung wurde dieser Plage quasi das Wasser abgegraben.
Wie eine Fanfare des Triumphs schießt die Fontäne des Hochstrahlbrunnens gen Himmel (aus: Illustrierte Zeitung, Leipzig, 61. Bd., vom 15. November 1873). Das Thema wäre unerschöpflich, wurde aber von den Kuratorinnen Ingeborg Formann und Monika Kiegler-Griensteidl übersichtlich und konzentriert aufgearbeitet. So dürfen wir heute mit Staunen und Gruseln im prächtigen Ambiente des Prunksaals der Nationalbibliothek auf die „Medizin im Wandel. Von der Antike zur Moderne“ (bis 1. März 2026) blicken und uns an der Verbesserung der Lebensumstände und am Fortschritt der ärztlichen Kunst erfreuen.