Kultur und Weindas beschauliche MagazinLourenço Ferreira in Fly Paper Bird © Ashley Taylor IM SIEBTEN HIMMEL auf drei grundverschiedene Arten tanzen
Ein Ballettabend mit „An der schönen blauen Donau“, „Annenpolka“, „Sphärenklänge“ und dem „Radetzky-Marsch“, klingt recht nach Neujahrskonzert, nach der beliebten Österreichwerbung, die als Donauweibchen und fesche Dragoner kostümierte Tänzer zur Musik der Philharmoniker an malerischen Plätzen mit den Klängen von Strauß, egal ob von Vater Johann, Sohn Schani oder dessen melancholischem Bruder Josef ungeniert in die Welt hinaus walzen und zuletzt sogar im Takt mitklatschen lassen. Martin Schläpfer, Leiter des Wr. Staatsballetts, hatte jedoch völlig andere Ideen, diese Ikonen unserer Unterhaltungsmusik in Schrittfolgen und rhythmische Bewegung umzusetzen.
Wie kämpfende Insekten attackieren einander in „fly paper bird“ die Tänzer. Zugrunde liegen dieser brandneuen Choreographie von Marco Goecke die beiden Teile „Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz“ und das seiner geliebten Alma gewidmete „Adagietto. Sehr langsam“ aus der Symphonie Nr. 5 cis-Moll von Gustav Mahler. Die Bewegungen sind eckig, ähnlich einem alten Film mit zu wenigen Bildern pro Sekunde. Zum Einsatz kommt der gesamte Körper. Muskeln, Schultern, Hände, bis zu den Fingern haben ihre spezielle Funktion, um in höllischem Tempo Sequenzen der Instrumentalisten bis zu den Sechzehntelläufen mit atemberaubender Präzision sichtbar zu machen.
Like a dog with two tails, Ensemble © Ashley Taylor PLATTFORM CHOREOGRAPHIE Vom Tanz zur Kreativität im Ballett
Den Anfang macht das Rotkäppchen, the Red Riding Hood, das in mehrfacher Ausführung ein Rudel böser Wölfe an die Leine nimmt. László Benedek erzählt diese eigenwillige Fassung des Märchens mit einem Tanzensemble und dem „Jäger“ Alexandre Beuchat (Bariton). Die Musik von Jason Hill, Alex Heffes oder Ronald Blackwell entspricht dem wilden Charakter des Inhalts, der sich vor einem freundlichen Wald abspielt, aber bald in eigene ungezügelte Seelenlandschaften und Gefühlswelten abdriftet. Tempo, Tempo ist das Motto des folgenden „Wanted“ von Trevor Hayden. Bonnie und Clyde sind auf der Flucht oder begehen einen ihrer Überfälle, um am Ende gemeinsam tot zu sein. Im mitreißenden Rhythmus von Banjo und Fidel tanzen der Choreograph selbst und Iliana Chivarova gegen den Rest der Welt. Sen 0815 (Choreographie: Martin Winter) ist ein eher beschaulicher Traum, der zu mächtig eingespielter Musik (man spürt die Bässe in den Sitzen beben) von Johann Sebastian Bach einen Mann vorstellt, dessen Leben ohne große Ereignisse abläuft und in der U-Bahn-Station Karlsplatz seine Erfüllung findet.
Nach der Pause dieses an sich kurzen Abends lässt Tessa Magda mit „fall no further“ die Männerwelt alles andere als gut aussehen. Sarah Branch lässt die Herren Riccardo Franchi, Keisuke Nejime, Aleksandar Orlić, Nicola Rizzo und Felipe Vieira über Sessel stolpern und an ihr abprallen, bis auf einen, an den sie sich schließlich anlehnen kann. „Shadows“ von Adi Hanan (Israel) erinnert an drei Zirkusartisten, die mit ihren Körpern lebende Skulpturen bilden. Sveva Gargiulo, Kristián Pokorný und Duccio Tariello scheinen unzertrennlich zu sein, wenn sie die Musik von Mark Eliahu (Israel) im Tanz interpretieren. Von überschäumender Freude, die der Titel der Choreographie von Gabriele Aime verspricht, merkt man nicht viel, obwohl „like a dog with two tails“ wie ein Hund mit zwei Schwänzen wackeln heißt. Das Ensemble ist jedoch grau in grau gekleidet und erscheint unisex. Die Musik kommt aus einem Grammophon, das laut Aime für „das innere Kind in uns“ steht. Das Resümee: Die sechs Damen und Herren sind Mitglieder des Wiener Staatsballetts, die mit ihren Arbeiten am Freitag, 16. Dezember 2022 in der Wiener Volksoper vielversprechende Aussichten für die Zukunft des klassischen Balletts geliefert haben. Statistik |