Kultur und Weindas beschauliche MagazinLontano, Ensemble © Ashley Taylor PROMETHEAN FIRE Ein Tanzabend in drei/vier Stationen
Der Titan Prometheus hat seinen geliebten Sterblichen das Feuer gebracht, trotz des Verbotes von Zeus, der ihn daraufhin an einen Felsen schmieden lässt und die Qual dadurch verschärft, dass sich regelmäßig ein Adler an seiner Leber gütlich tut und ihm schreckliche Qualen zufügt. So weit die als bekannt vorausgesetzte Sage, die das Erscheinen der Zivilisation in der Urhorde diesem schon vom Namen her vorausdenkenden Olympischen zuschreibt. Der Choreograph Paul Taylor (1930-2018) sah in einem der mit der göttlichen Flamme beglückten Menschen wohl Johann Sebastian Bach, das Musikgenie schlechthin, dessen Wirken die folgenden Komponisten eine moderne, neue Sprache lehrte. In seiner Arbeit „Promethean Fire“ lässt Taylor den Vorhang zu seinem Ensemble mit dem auf einem Orgelton aufgebauten Dreiklang der Toccata und Fuge d-Moll heben. Es ist jedoch nicht die gewohnte Orgel, sondern das Orchester der Volksoper Wien, das unter der Leitung von Jean-Michaël Lavoie dieses mächtige Werk im Arrangement von Leopold Stokowski richtiggehend abfeiert, vor allem mit hörbarer Freude am vollen, von allen Hemmungen befreiten Klang des Blechs. Auf der Bühne selbst herrscht das Schwarzweiß von Körpern vor, die über der Bachschen Wucht aus dem Graben zu schweben scheinen. Fiona McGee und Eno Peci sind die Solisten, die aus zwei rivalisierenden Gruppen heraustreten und Denkanstöße zum ewigen Wirken eines Prometheus geben. Promethean Fire, Ensemble © Asley Taylor Der zweite und dritte Teil des Abends wurde vom Chef des Wiener Staatsballetts persönlich gestaltet. Martin Schläpfer setzt dazu auf Kompositionen von György Ligeti, dessen 100. Geburtstags heuer gedacht wird. Sein „Lontano“ für großes Orchester sind flirrende, spannungsgeladene Klänge, die jedoch erst durch das Ballett, genau gesagt, einem Pas de six, zu einem Ganzen werden. Faszinierend sind Schrittkombinationen wie das allmähliche Senken der Füße bei den Tänzerinnen von der Spitze bis zur Sohle. Ähnliches gilt für „Ramifications“, ein Stück mit sparsam eingesetztem Streichorchester. Sonia Dvořák ist allein und lässt ihren sinnlichen Körper über einsame Flageoletts auf der Violine und fallweise behutsam unterlegte Bässe im ästhetischen Ausdruck tiefer Gefühle meditieren. Ramifications, Sonia Dvořák © Ashley Raylor Mit „Beaux“ ermöglicht der amerikanische Choreograph Mark Morris neun Männern, ihre Eleganz und Schönheit in einem Rausch fröhlicher Lust umzusetzen. Die pastellig feinen Farben eines Gemäldes im Hintergrund wiederholen sich in den Trikots der Tänzer, die das Concerto für Cembalo und kleines Orchester und Lento aus Deux Piéces für Cembalo von Bohuslav Martinů interpretieren. Allein durch das Soloinstrument gemahnt diese Komposition an Barock, löst sich jedoch in zarten Dissonanzen, die wie Essigspritzer einem süßen Kuchen Pikanterie verleihen. Solist am Cembalo ist Felix Lemke, getanzt wird von Benjamin Alexander, Jackson Carroll, Javier González Cabrera, Junnosuke Nakamura, Hanno Opperman, Kristián Pokorný, Duccio Tariello, Zsolt Török und Daniel Vizcayo. Lourenço Ferreira in Fly Paper Bird © Ashley Taylor IM SIEBTEN HIMMEL auf drei grundverschiedene Arten tanzen
Ein Ballettabend mit „An der schönen blauen Donau“, „Annenpolka“, „Sphärenklänge“ und dem „Radetzky-Marsch“, klingt recht nach Neujahrskonzert, nach der beliebten Österreichwerbung, die als Donauweibchen und fesche Dragoner kostümierte Tänzer zur Musik der Philharmoniker an malerischen Plätzen mit den Klängen von Strauß, egal ob von Vater Johann, Sohn Schani oder dessen melancholischem Bruder Josef ungeniert in die Welt hinaus walzen und zuletzt sogar im Takt mitklatschen lassen. Martin Schläpfer, Leiter des Wr. Staatsballetts, hatte jedoch völlig andere Ideen, diese Ikonen unserer Unterhaltungsmusik in Schrittfolgen und rhythmische Bewegung umzusetzen.
Wie kämpfende Insekten attackieren einander in „fly paper bird“ die Tänzer. Zugrunde liegen dieser brandneuen Choreographie von Marco Goecke die beiden Teile „Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz“ und das seiner geliebten Alma gewidmete „Adagietto. Sehr langsam“ aus der Symphonie Nr. 5 cis-Moll von Gustav Mahler. Die Bewegungen sind eckig, ähnlich einem alten Film mit zu wenigen Bildern pro Sekunde. Zum Einsatz kommt der gesamte Körper. Muskeln, Schultern, Hände, bis zu den Fingern haben ihre spezielle Funktion, um in höllischem Tempo Sequenzen der Instrumentalisten bis zu den Sechzehntelläufen mit atemberaubender Präzision sichtbar zu machen.
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