Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Der Talisman, Ensemble © Ingo Folie

Der Talisman, Ensemble © Ingo Folie

DER TALISMAN Eine Verbeugung vor allen „Kupferdachln“

Christoph Fälbl, Christian Spatzek © Ingo Folie

Christoph Fälbl, Christian Spatzek © Ingo Folie

Die grandios launige Inszenierung einer hochmoralischen Posse

Nestroy lässt kein gutes Haar an Schwarzgelockten, Blonden, Brünetten und nicht einmal in Ehren Ergrauten. Sein Held bekam von der Natur aus einen roten Kopfschmuck mit ins Leben und wird damit zum Außenseiter, zum schwarzen Schaf in der blöd blökenden Herde der Weißen. Die Zeiten haben sich diesbezüglich zwar geändert und rot hat sich zu einer Modefarbe weiblicher Frisuren gewandelt. Geblieben ist aber die Skepsis gegenüber Individuen, die sich nicht in den Mainstream fügen wollen oder können; sei es, weil sie sich von den Lastern der Allgemeinheit fern halten oder Gedanken wälzen, die für eine intellektuell unterlegene Mehrheit nicht nachvollziehbar sind. Früher wurden solche Menschen als Sektierer oder Hexen verbrannt, heute werden sie als unerträgliche Sonderlinge mittel Social Media angepöbelt und ausgestoßen; was im Grund auf das Gleiche herauskommt. Nestroy konnte sich in „Der Talisman“ an das Phänomen einer Pigmentarmut halten, wenn er seinem Titus Feuerfuchs eine schwarze Perücke zukommen lässt und ihm damit letztlich trügerische Erfolge beschert. Dass dabei seitens der von ihm Gescholtenen von Herzen gelacht werden kann, ist seinem unvergleichlichen Wortwitz und dem obligaten Happy End zu verdanken.

Caroline Vasicek © Ingo Folie

Caroline Vasicek © Ingo Folie

Christoph Fälbl © Ingo Folie

Christoph Fälbl © Ingo Folie

Christian Spatzek stellt für die Stockerauer Festspiele eine quasi klassische Inszenierung dieser Komödie auf die von Manfred Waba konsequent biedermeierlich gestaltete Bühne. Die von Barbara Langbein entworfenen Kostüme tragen wesentlich zur allgemeinen Stimmigkeit bei. Das Ensemble ist dicht gespickt mit prominenten Namen, die alle erstens die Sprache Nostroys bravourös beherrschen und zweitens ihren jeweiligen Figuren noch einiges an Spielfreude draufsetzen. So wuchtet sich Peter Josch als patscherter Plutzerkern durch den Garten von Flora Baumscheer (Claudia Rhonefeld), die sich ihrerseits von schwarzen Locken zur Übertretung eines feierlichen Versprechens an ihren verblichenen Gatten verführen lässt. Nadja Maleh als Kammerfrau Constantia vergisst aus selbigem Grund umgehend auf ihren Bräutigam Monsieur Marquis (Christian Spatzek), dem Friseur der betagten Frau von Cypressenburg. Ulli Fessl kokettiert ungeniert mit der verbliebenen Lust am jungen Blondeau und verschwendet keinen Gedanken daran, dass dieser Mann eventuell besser zu ihrer Tochter Emma (Lisa Marie Bachlechner) passen könnte.

Ulli Fessl, Lisa Marie Bachlechner © Ingo Folie

Ulli Fessl, Lisa Marie Bachlechner © Ingo Folie

Peter Josch, Ensemble © Ingo Folie

Peter Josch, Ensemble © Ingo Folie

Zur Musik von Peter Uwiras Akkordeon tanzt ausgelassen die Dorfjugend und überschüttet Salome Pockerl mit Spott und Hohn. Es gibt ja eine Menge böser Ausdrücke wie Kupferdachl, Feuerkopf oder Karottenschädel. Eine berührende Caroline Vasicek gibt die Hüterin der Gänse (eine reizende Idee, das weiße Geflügel in ihrem Gefolge watscheln zu lassen) und sie verfügt in dieser Rolle über eben eine derart verpönte Haartracht. Ihre Argumentation, dass Rot „doch g´wiß a schöne Farb´“ wär´, wie die edlen Rosen oder das prächtige Morgenrot, geht ins Leere.

Der Polterer vom Dienst ist Stephan Paryla Raky. Sein Deus ex machina namens Spund, seines Zeichens vermögender Bierversilberer, wendet das Schicksal seines Vetters Titus schließlich zum Guten, allerdings nur unter dem Vorzeichen, dass dieser in einer einzigen Nacht ergraut wäre. Christoph Fälbl schafft eine Ahnung, wie einst Nestroy selbst diese Rolle angelegt haben könnte. Schwarzer Zynismus nicht zuletzt in den Couplets und unübertroffene Eloquenz pointierter Formulierungen vereinigt sich mit ausgelassener Komik. Titus dringt sogar vor bis zur Selbsterkenntnis, dass er unter diversen Perücken ja ganz genau der selbe Unmensch wie alle anderen ist. Deswegen schlägt er als Alleinerbe diverse Anträge der gut gestellten Damen aus. Geheiratet wird Salome. Seinem Vetter erklärt er den Grund dafür: „Die roten Haar´ mißfallen Ihnen, sie missfallen fast allgemein. Warum aber? Weil der Anblick zu ungewöhnlich is; wann´s recht viel´ gäbet, käm´ die Sach´ in Schwung.“ Und dafür können die beiden Rotschöpfe in aller Liebe „zu dieser Vervielfältigung das unsrige beitragen.

Peter Uwira als unermüdliches „Orchester“ © Ingo Folie

Peter Uwira als unermüdliches „Orchester“ © Ingo Folie

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