Kultur und Weindas beschauliche MagazinPaDie Pforte, 1995, Sammlung der Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg PAUL FLORA Ein kompromisslos schwarzer Rabe
Nicht selten spielen sich seine Erzählungen auf den Flachdächern von Wolkenkratzern ab. Sie zeigen eine surreale Welt, die von den Häuserschluchten aus nicht zu sehen wäre. Der Tiroler Paul Flora hatte aber den Überblick. Der 1922 im Vinschgau geborene Zeichner und Karikaturist wohnte bis zu seinem Tod 2009 hoch oben über Innsbruck in der Hungerburg und betrachtete seine Umgebung aus erhabener Position, während seine Feder mit feinen Strichen kritische Gedanken in düster-heitere Zeichnungen umsetzte. Die darin nicht immer sanft umrissenen Menschen rissen ihm die Blätter förmlich aus der Hand, und wer sich kein Original leisten wollte, hing sich die von Flora gestalteten Kalender oder einfache Drucke ins Wohnzimmer, um jeden Tag zumindest einmal über sich selbst schmunzeln zu können. So wurde Paul Flora zu einem der präsentesten Künstler weit über Österreich hinaus. Die Tiroler haben es ihm nie übel genommen, wenn sie von ihm als knorrige Gebirgsgnome bei seltsamen Gebräuchen dargestellt wurden.
Sie ließen sich vielmehr gern nach Venedig einladen, um dort durch finstere Gassen über unergründlichen Kanälen zu weben, verfolgt von Pestärzten in bedrohlichen Masken. Der Star seines Œuvres war jedoch der Rabe. Der schwarze, unheimliche Vogel wurde zum gefiederten Ausdruck der Melancholie, die das Werk Floras in anziehender Weise beherrscht. Sie sind, wie er selbst gesagt hat, „tief, düster, und es umgibt sie eine Aura des Unglücks und der Weisheit.“
Anlässlich seines 100. Geburtstages zeigt die Albertina in den Tietze Galleries eine umfassende Retrospektive von Paul Flora (bis 30. Jänner 2022). Rund 130 ausgewählte Arbeiten spannen einen Bogen von den späten 1930er-Jahren bis herauf zu letzten Werken. Santa Maria della Salute, Luna, 1991 © Nachlassvertretung für Paul Flora, Salzburg sowie Diogenes Verlag, Zürich An den Gesichtern der Besucher kann man ablesen, wenn sie die Pointe kapiert haben. Dann huscht ein Lächeln darüber, oder Entspannung mit ausgestrecktem Zeigefinger, wenn sie nach aufmerksamem Schauen endlich die unscheinbar in weitem Dunkel versteckte Gestalt entdeckt haben, die laut Bildtext irgendwo zu finden sein müsste. Ein solcher wäre aber gar nicht nötig. Paul Floras Bilder sind Erzählungen ohne Worte. Seine Sprache waren der klare Strich und dichte Liniengeflechte mit Handlungen, die so auf der ganzen Welt über alle Kulturräume hinweg verstanden werden, eine Eigenschaft, die sonst nur der Musik zugeschrieben wird. Sie erinnern an Träume, aus denen man nach dem Aufwachen nicht klug werden will, und die bei einiger Ehrlichkeit dennoch dringlich Aufschluss über erfolglos in unbewusstes Dunkel verdrängte Schwächen und Ängste geben. Statistik |