Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Maximilian Lenz Wiener Straßenszene, um 1897 © Foto: ALBERTINA, Wien

Maximilian Lenz Wiener Straßenszene, um 1897 © Foto: ALBERTINA, Wien

DIE WIENER BOHÈME Lustiges Zeichnen am Kaffeehaustisch

Johann Victor Krämer Mitglieder der Hagengesellschaft, 1886/87 © Foto: ALBERTINA, Wien

Johann Victor Krämer Mitglieder der Hagengesellschaft, 1886/87 © Foto: ALBERTINA, Wien

Dokumente der kuriosen Anfänge der Hagengesellschaft, der Vorläuferin von Secession und Hagenbund

Die Herren waren durchwegs für Reformbewegungen aufgeschlossene Geister. Künstler, Architekten, Musiker, Schauspieler, Forscher und Journalisten trafen sich ab 1880 regelmäßig im Café Sperl und im Blauen Freihaus, dessen Wirt Josef Haagen nach Verlust eines a zum Namenspatron der lockeren Vereinigung wurde. Neben Trinken, Schmähführen und Kartenspielen wurde über Jahre auf den Tischplatten des Kaffeehauses gezeichnet. Die dabei entstandenen Werke wurden nach der Sperrstunde vom Herrn Ober einfach weggewischt. Dem Maler Ernst Stöhr dürfte leid um seine kreativen Schnellschüsse gewesen sein. Er brachte Papier, Farben und Stifte mit. Am 29. November 1888 wurde das erste Blatt angelegt. Die vom Cafetier bereit gestellte Mappe füllte sich schnell mit Karikaturen, frech sinnlichen Akten, grotesken Tieren oder humorigen Szenen in Stadt und Kaffeehaus. Es gab interne Wettbewerbe im Schnellzeichnen mit Titeln wie „Aussi möcht i“ oder „Hin is er“, deren Sieger sich an einem Kipferl oder einem Schnaps erfreuen durften.

Ernst Payer Fische, um 1895 © Foto: ALBERTINA, Wien

Ernst Payer, Fische, um 1895 © Foto: ALBERTINA, Wien

Rudolf Konopa Der heiligen Kunst, 1898 © Foto: ALBERTINA, Wien

Rudolf Konopa Der heiligen Kunst, 1898 © Foto: ALBERTINA, Wien

1905 schenkte die Hagengesellschaft mit breiter Brust der Albertina ein Konvolut von über 800 Blättern. Die daraus gestaltete Ausstellung fand enorm positiven Widerhall bei der Kritik, von der die Leute dazu eingeladen wurden, sich in der Albertina ausnahmsweise zu unterhalten. Es gab kein Statut, dem sich die Mitglieder zu unterwerfen hatten. Derlei Regelungen und zwangsläufige Einschränkungen brachten der daraus hervorgegangene Hagenbund ab 1890 und die 1897 gegründete Secession. Die unverbindlichen Treffen wurden weiter gepflegt, von manchen Künstlern bis ins hohe Alter.

Maximilian Lenz Stolba, Boehm und Nowak als Faune, um 1895 © Foto: ALBERTINA, Wien

Maximilian Lenz Stolba, Boehm und Nowak als Faune, um 1895 © Foto: ALBERTINA, Wien

Maximilian Lenz Studienreise in Taormina, um 1894 © Foto: ALBERTINA, Wien

Maximilian Lenz Studienreise in Taormina, um 1894 © Foto: ALBERTINA, Wien

Mit der Ausstellung „Die Wiener Bohème. Werke der Hagengesellschaft“ (bis 12. Oktober 2025) hat die Albertina nebenbei ein gigantisches Opus für die österreichische Kunstgeschichte abgegeben. Kuratorin Elisabeth Dutz hat in penibler Kleinarbeit für Ordnung in diesem kunstvollen Chaos gesorgt. Zuerst musste aus dürftigen Quellen eine Liste der Beteiligten erstellt werden.

Stolz können ihre teils vergessen gewesenen oder in anderen Fällen arrivierten Namen nun an einer Wand präsentiert werden. Es gab nur wenige klare Zuschreibungen der flott hingeworfenen Motive. Auch dieses Problem wurde großteils befriedigend gelöst, in einigen Fällen sogar mit einem nicht immer vorteilhaften Porträt zum Schöpfer des jeweiligen Werks. Spott war dabei an der Tagesordnung. So musste sich Franz Jaschke mit den Augen eines Huhnes und Friedrich König mit Glubschaugen abfinden, während Anton Nowak als Vielfraß verunglimpft wurde. Es waren Scherzbilder, deren seriöser Hintergrund viel über den künstlerischen Aufbruch dieser Tage erzählt, über eifrige Netzwerker und Seilschaften von Freunden, von denen die Grenzen zwischen Kunst und Leben in verspielter und doch avantgardistischer Weise überschritten wurden. Neben all diesen Erkenntnissen steht aber für uns Heutige der Genuss im Mittelpunkt, mit dieser Melange aus teils verrückten Ideen in die inspirierende Welt des Kaffeehauses um 1900 einzutauchen.

Alfred Roller, Josef Engelhart als zigarettenrauchender Dandy, um 1895 © Foto: ALBERTINA, Wien

Alfred Roller, Josef Engelhart als zigarettenrauchender Dandy, um 1895 © Foto: ALBERTINA, Wien

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