Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


„amo ergo sum“ (2019) von Renate Bertlmann

„amo ergo sum“ (2019) von Renate Bertlmann

PUBLIC MATTERS Überraschende Begegnungen im Garten

Goshka Macuga, Mixed-Media-Installation Foto: Johannes Stoll / Belvedere © Bildrecht, Wien 2023

Goshka Macuga, Mixed-Media-Installation Foto: Johannes Stoll / Belvedere © Bildrecht, Wien 2023

Skulpturen und Performances bringen zeitgenössisches Leben in historisches Ambiente.

Es gibt wohl kaum eine schönere Galerie für einen Skulpturenpark als die Gärten des Belvederes. Griechische Mythologie mit ihren Göttern und Helden beherrscht schon seit der Planung die überwältigenden freien Prospekte, die in Hecken versteckten Winkel mit ihren raffinierten Sichtachsen auf beide Schlösser und die erfrischend im Gelände verteilten Brunnen. 300 Jahre Bestehen dieser barocken Pracht forderten quasi die Kunst unserer Zeit heraus, sich mit den antik anmutenden Statuen zu messen und zu ergänzen. Generaldirektorin Stella Rollig gibt zu, dass mit größtem Respekt an dieses Vorhaben herangegangen wurde. Aber die Lösung läst sich sehen und ist eine unwiderstehliche Einladung, bei freiem Eintritt immer wieder die Gärten zu durchstreifen, sich zu erholen und an dreidimensionaler Kunst aus drei Jahrhunderten zu laben. Unter dem Titel „Public Matters“ sollen 33 Positionen von lokalen und internationalen Kunstschaffenden die Gartenanlagen des Museums verbinden oder besser, öffentlich sein und in Performances die Besucher dem historischen Hintergrund gedanklich näher kommen lassen.

Louise Bourgeois, "Spider", 1996

Louise Bourgeois, "Spider", 1996

 Hans Op de Beeck, The Horseman, 2020  Polyester, Stahl, Polyamid, Messing, Beschichtung

Hans Op de Beeck, The Horseman, 2020, Polyester, Stahl, u. m.

Aufgestellt wurden die Arbeiten in einer Art Versteckspiel. Manche, wie der Schriftzug „amo ergo sum“ (2019) von Renate Bertlmann beim Unteren Belvedere fallen direkt ins Auge.

Wenn man aber eine Begegnung mit der Spinne (1996) von Louise Bourgeois sucht, muss man die hellen Pfade verlassen und sich in schattige Gassen wagen. Große, gut leserliche Tafeln in Deutsch und Englisch verschaffen die nötige Information zu Schöpfer und Werk. Manches davon stimmt nachdenklich, wie die siebenteilige Arbeit von Socratis Socratous „Thank God I´m getting on a boat“ (2017) aus lackiertem Eisenguss und Bronze. Doch was wäre ein solches Unternehmen ohne Franz West. In die Länge gezogene „Lips“ (2012) irritieren ähnlich wie die aus dem Rasen hoch aufragende Stele „Meaning Code“ (2007) von Brigitte Kowanz. Die anregende Schau setzt sich im Garten des Belvedere 21 fort, der u. a. mit dem 2014 entstandenen “e 14/1 sculptor von Hans Kupelwieser bereichert wurde. Das allein von seiner Position als Highlight zu bezeichnende Erlebnis hat Goshka Macuga 2023 geschaffen. Ihre Raumkapsel mit dem langen Titel „I could have gone on flying through space forever but I have always loved a window, especially an open one“ ist im Spiegelteich vor dem Oberen Belvedere gelandet und darf sich bis 1. Oktober 2023 im Brennpunkt der einzigartigen Fassade dieses Schlosses sonnen.

Franz West, Lips, 2012 ©Archiv Franz West  Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Franz West, Lips, 2012 © Archiv Franz West Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

 Ausstellungsansicht "Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse..."  Foto: Johannes Stoll

Ausstellungsansicht "Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse..." Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

INSPIRATION FÜR KLIMT Über den Einfluss seiner Zeitgenossen

Ausstellungsansicht "Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse..." Foto: Johannes Stoll

Ausstellungsansicht "Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse..." Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Ein Forschungsprojekt als Gestaltungsgrundlage einer „europäischen“ Ausstellung

Schon im (warum in Englisch gehaltenen?) Titel „Klimt. Inspired by van Gogh, Rodin, Matisse...“ (bis 29. Mai 2023) klingt eine vielversprechende Fülle an grandiosen Werken bedeutender Meister um 1900 an. Nicht nur Markus Fellinger, Kurator dieser Ausstellung, geht davon aus, dass die österreichische Malerikone Gustav Klimt keineswegs alles selbst erfunden hat, was heute bewundert wird. Kunst war schon zu seiner Zeit eine Reisende, damals in erster Linie durch die Hauptstädte des Kontinents, auf den Weg gebracht von der Kauflust adelig vermögender Sammler und eines ihnen nacheifernden wohlhabenden Bürgertums. Derlei Kunstausstellungen zogen nicht nur dicke Geldbörsen an, sie ermöglichten vielmehr auch einem an zeitgenössischer Malerei interessierten breiten Publikum kritischen Schaugenuss zu wohlfeilen Preisen. Zu sehen war das Beste aus Frankreich, den Niederlanden oder Großbritannien sowohl in Wien, Brüssel und Berlin, bzw. vice versa. Klimt war nicht nur ein Mitbegründer der Wiener Secession und der dort veranstalteten Ausstellungen, von denen bereits die erste anno 1898 einen Überblick über die aktuelle Kunstentwicklung in Europa 131(!) ausländische Künstler präsentierte. Vielmehr war er selbst eifriger Besucher diverser Galerien und Teilnehmer einschlägiger Großveranstaltungen außerhalb der Kaiserstadt. So ist seine erste Begegnung mit Gemälden von Claude Monet im Münchner Glaspalast 1897 überliefert und nicht auszuschließen sind Kontakte zu den sich formierenden „Futuristen“ anlässlich einer Teilnahme an der neunten Biennale in Venedig 1910.

Gustav Klimt, Frauenbildnis, 1894 Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Gustav Klimt, Frauenbildnis, 1894 Foto: Johannes Stoll / Belvedere

2015 wurde dazu ein Forschungsprojekt gemeinsam von Belvedere und dem Van Gogh Museum in Amsterdam angestoßen. Darin geht es um die Frage, welche Werke internationaler moderner Kunst Klimt tatsächlich kennengelernt hat, ob bei seinen Auslandsreisen oder durch Reproduktionen in damals auch in Wien erhältlichen Katalogen. Ausstellungsorte wie die Secession, die Galerie Miethke und umfangreiche Privatsammlungen (Carl Reininghaus oder Familie Wittgenstein) wurden penibel untersucht, Publikationen ausgewertet und die Reisetätigkeit von Klimt wurde genau in Augenschein genommen. Wie weit wurde davon das Werk von Gustav Klimt beeinflusst, seine Entwicklung vorangetrieben und was kann – mit Verlaub – als sanfter Diebstahl von Ideen gewertet werden?

 Gustav Klimt, Wasserschlangen II, 1904/1906–07  Privatsammlung, courtesy of HomeArt

Gustav Klimt, Wasserschlangen II, 1904/1906–07, Privatsammlung, courtesy of HomeArt

Ein der Öffentlichkeit zumutbares Teilergebnis dieser Untersuchungen ist nun im Unteren Belvedere zu erleben. Wer schon bisher mit Kunstverstand durch Europa gereist ist und einen Teil dieser Zeit in den jeweiligen Museen verbracht hat, wird nicht allzu viel Neues finden. Allein die hier vertretenen Bilder der drei Genannten Vincent van Gogh, Auguste Rodin und Henri Matisse, aber auch die von Claude Monet oder einer der wenigen Frauen, Margaret Macdonald Mackintosh, sind Stammgäste diverser Besuchermagnete in legendären Museen. In der nun vorliegenden Konzentration werden sie jedoch kaum mehr nebeneinander hängen. Hier bietet sich die einzigartige Möglichkeit des Vergleichs, bei dem – nicht nur aus Patriotismus – Klimt in den meisten Fällen als das größere Genie erkannt wird. Die Studie für Madame Gautreau von John Singer Sargent aus 1884 mutet gegenüber dem neun Jahren später entstandenen Frauenbildnis von Klimt ungemein modern an, kann aber in Details wie Hautfarbe und Lebendigkeit schwerlich mithalten. Immer wieder wurde das Vorbild übertroffen, wie bei Jan Toorops bewegten Frauendarstellungen, die in den nach langer Zeit erstmals wieder zu bestaunenden „Wasserschlangen II“ von Gustav Klimt höchste Vollendung gefunden haben.

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