Kultur und Weindas beschauliche MagazinOceans. Collections. Reflections. George Nuku Ausstellungsansicht Weltmuseum Wien © KHM-Museumsverband GEORGE NUKU Der Hohepriester heiligen Kunststoffs
Der Künstler ist Māori, sichtbar gemacht mit aufwändigen Tätowierungen, und er ist Schotte mit traditionellem Kilt, Sakko und Krawatte. Mit dieser doch seltsam anmutenden Erscheinung irritiert der Neuseeländer George Nuku sein Gegenüber, aber nur so lange, bis er zu sprechen beginnt. Seine Rede gemahnt an eine Predigt und die Kanzel, von der aus er seine Botschaft verkündet, ist die Kunst. Gegenstand der Verehrung ist Plastik, ein Material, das unsere Welt erobert hat und auf dem besten Weg ist, diese zu zerstören. Es als Müll zu betrachten, ist ein Fehler, so Nuku, denn Plastik ist heilig und wertvoll, es ist Pounamu und bedeutet in der Sprache der Māori der hochwertige Grünstein. „Ich praktiziere ständig Rituale, sie sind unser Weg, unseren Zugang für eine andere Sprache mit der Natur zu finden. Alles basiert auf kreisähnlichen Abläufen. Stelle dir vor, du gehst in einen großen Ausstellungsraum, du bewegst dich zunächst im Kreis und schaust dir alles an – dieses Bewegungsmuster ist in uns angelegt und bestimmt uns, das ist kein Mysterium“, lässt er als Zugang zu seiner weltweit praktizierten Ausstellungstätigkeit anklingen. Gemeint ist damit einerseits seine Arbeit selbst, aber auch das jeweilige Museum wie in diesem Fall das Weltmuseum mit seinem Bedarf an Aussöhnung mit den Gemeinschaften, denen es seine Bestände zu verdanken hat.
Das Verhältnis zwischen Neuseeland und seinen Bewohnern und Österreich begann mit der Weltumseglung der Novara in den Jahren 1857 bis 1859. Die Forscher bauten zwar gute Beziehungen auf, konnten dennoch der Versuchung nicht widerstehen, bedrohte Vogelarten zu bejagen und menschliche Überreste aus Gräbern zu buddeln – für die Māori ein nicht wieder gutzumachendes Sakrileg. Zwei der Ureinwohner ließen sich dennoch zur Mitfahrt nach Wien einladen, wurden sogar vom Kaiserpaar empfangen und lernten hier das Druckerhandwerk. Als Abschiedsgeschenk erhielten sie eine Druckerpresse, die ihnen die Herausgabe der ersten Zeitung auf Māori, die Te Hokioi, ermöglichte. Oceans. Collections. Reflections. George Nuku, Ausstellungsansicht Weltmuseum Wien © KHM-Museumsverband Was diese Anekdote nun mit der Ausstellung „Oceans. Collections. Reflections. George Nuku“ (bis 31. Jänner 2023 im Weltmuseum) zu tun hat, wird vom Künstler mit einer absurden Menge an Kunststoff vermittelt. Die Bilderrahmen und Fenstergitter erinnern an Barock, bestehen aber aus vergoldetem Styropor. Gemälde aus dem Museum hängen neben Arbeiten von George Nuku, Scheiben aus geschnitztem Plexiglas und Polystyrol geben Durchblicke auf originale Objekte wie Keule – patu onewa oder Knochenflöte – koauau frei. Am Beginn hängen von der Decke der Säulenhalle durchsichtige Kugeln, denen Dreh und Trink-Fläschchen die bedrohliche Form des Corona-Virus geben und an die noch immer schwelende Pandemie erinnern.
Für den Abschluss muss man sich über den Heldenplatz hinweg in den Volksgarten bemühen. Im Theseustempel erwartet die Besucher mit „Bottled Ocean 2122“ eine beeindruckende Abrechnung mit Mikroplastik, das die Meere verseucht. Es sind kleine, zu einem Haufen aufgeschüttete Kugeln, über denen hilflos Schildkröten schwimmen. An dieser Stelle kommen die Anliegen von George Nuku am deutlichsten zum Vorschein. Sie sind Teil der Botschaft eines Künstlers, der sich selbst als „Der Einheimische, der den Kolonisator beobachtet, der den Einheimischen beobachtet“ sieht. Diese und alle anderen Installationen wurden übrigens nur durch den Einsatz einer Heerschar von Freiwilligen möglich, die Tage und Nächte vor der Eröffnung beim Schnitzen, Kleben und Bemalen der einzelnen Objekte geholfen haben. Statistik |