Kultur und Wein

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WASHERWOMAN Ein Tempel für das Waschweib

Washerwoman im Thesuetempel, Shannon Alonzo

Washerwoman im Thesuetempel, Shannon Alonzo

Eine Verbeugung der karibischen Künstlerin Shannon Alonzo vor ihren Vorfahren

Die gesichtslose Frauenfigur, die im Blechschaff eine endlos lange Stoffbahn wäscht, will uns in die Vergangenheit ihrer Heimat entführen. Sie stammt wie ihre Schöpferin aus Trinidad, eine Insel in der Karibik. Shannon Alonzo (1988 in St. Joseph geboren) hat „Washerwoman“ im Haus ihrer Großmutter gefertigt. Während sie Beine und Arme aus Wachs modellierte und Wäscheklammern zu einem Rock zusammensetzte, war genügend Zeit zur Meditation über deren Geschichte, die, so Shannon Alonzo, in keinem Buch aufgeschrieben ist. Werk und Künstlerin wurden zu Freundinnen. Wie es Waschweiber so an sich haben, wurde dabei ausgiebig getratscht. Alonzo lernte im Zuge dieser feinstofflichen Dialoge ihre eigene Handarbeit und die der Wäscherin gedanklich über Zeiträume hin zu verbinden und damit ihre persönliche Realität neu einzuordnen.

Um es mit den Worten der Kuratorin des Weltmuseums, Hanin Hannuch, auszudrücken: „Alonzo verbindet in Washerwoman künstlerische Form und soziokulturelle und historische Reflexion auf eindrucksvolle Weise. Ihr Werk regt zum Nachdenken über Rollenbilder, kollektives Gedächtnis und das unsichtbare Fundament gesellschaftlicher Strukturen an.“ Möglichkeit zum Reflektieren dieser Fülle an Vorgaben gibt es bis 5. Oktober 2025 im Theseustempel im Wiener Volksgarten bei freiem Eintritt. Bei dieser Installation handelt es sich um die erste Ausgabe des neuen Formats WMW Contemporary, mit dem das Weltmuseum über seine Aufgabe der Wahrung und Vermittlung ethnologischer Schätze hinaus den Blick auf zeitgenössische Kunst, Design und neue Medien richtet. So können auch kratzige Themen wie Neo-Kolonialismus, globale Ökonomie oder Identität und Erinnerung angesprochen und mit dem Fokus auf Kunstschaffende aus dem sogenannten Globalen Süden der heimischen Öffentlichkeit unmittelbar nahegebracht werden.

Shannon Alonzo © KHM-Museumsverband

Shannon Alonzo © KHM-Museumsverband

Wer hat die Hosen an? Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband, Foto: Daniel Sostaric

Wer hat die Hosen an? Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband, Foto: Daniel Sostaric

WER HAT DIE HOSEN AN? Beinkleider aller Zeiten für ihn und sie

Replik der Hose des Turfan-Mannes © Foto: Jan Kersten/DAI-EA

Replik der Hose des Turfan-Mannes © Foto: Jan Kersten/DAI-EA

Anschauliche Kulturgeschichte eines Alltagsgegenstandes

Noble Römer, gewickelt in die festliche Toga, konnten über die seltsame Tracht ihrer barbarischen Nachbarn nur die Nase rümpfen. Da trugen diese wilden Reiter doch bei ihren Angriffen auf das Imperium Schläuche über ihren Beinen, geradeso wie von den Griechen berichtet die mythischen Amazonen, diese rasenden Weiber, die ganze Heere in Angst und Schrecken versetzen konnten. Heute ist es unvorstellbar, dass eine Hochkultur über Jahrhunderte ohne die Hose ausgekommen ist; also mit den außen getragenen Beinkleidern, aber auch mit denen darunter, den Unaussprechlichen, die erst in jüngerer Zeit die intimen Bereiche schützend und wärmend bedecken. Lange galt dafür die maskuline Forderung, dass er die Hosen anhaben müsse, um in einer Zweierbeziehung als Mann zu gelten. Mittlerweile haben auch die Frauen erkannt, dass die Hose, egal ob als eleganter Unterteil eines Kostüms oder als figurunabhängige Leggings, die bequemere Kleidung für vielerlei Gelegenheiten darstellt.

Winterhose Hersteller unbekannt Westliche Arktis Nordamerikas, 1950er Jahre Eisbärfell

Winterhose Hersteller unbekannt Westliche Arktis Nordamerikas, 1950er Jahre Eisbärfell und Robbenfell mit Ledereinfassung, Kunststoffknöpfen und Handnähten Weltmuseum Wien, Sammler unbekannt © KHM-Museumsverband

Katharina Schratt als „Junger Goethe“ in Der Königsleutnant Julius Gertinger Wien,

Katharina Schratt als „Junger Goethe“ in Der Königsleutnant Julius Gertinger Wien, 10. April 1874 Reproduktion eines Foto-Abzuges auf Karton Wien, Theatermuseum © KHM-Museumsverband

So ist die Frage „Wer hat die Hosen an?“ durchaus berechtigt. Das Kuratorinnenteam um die Textilrestauratorin Barbara Pöninghaus-Matuella hält sich bezüglich der Antwort heraus. Sie laden vielmehr zu einem Streifzug durch 3.000 Jahre Hosengeschichte aus aller Welt ein. Das älteste Exemplar stammt aus Turfan in Westchina und ist als Replik zu bewundern. Das nächstälteste Stück, eine Pluderhose aus Nubien (heute südliches Ägypten), ist aber tatsächlich gute 1000 Jahre alt. Dass auch die Kelten die Hosen schätzten, beweisen eine Gewandfibel aus der La Tène Kultur und Darstellungen auf antiken Münzen. Am Beginn der Ausstellung (bis 1. Februar 2026) steht allerdings Kunst der Gegenwart. Laura Eckert lässt einen aus Holzplättchen bestehenden nackten Mann eine Kerze turnen. Die verletzlich wirkende Plastik, vor allem der nach oben gestreckte Unterkörper, schreit förmlich nach Bekleidung. Angeboten werden dazu zehn Optionen aus Asien, Afrika und Amerika von arktisch bis subtropisch.

The Morning After Ian Berry Großbritannien, 2014 Assemblage aus Denimfragmenten Sammlung AWWG,

The Morning After Ian Berry Großbritannien, 2014 Assemblage aus Denimfragmenten Sammlung AWWG, Pepe Jeans®, Madrid Mit freundlicher Genehmigung von Pepe Jeans® © Bildrecht, Wien 2025

Tunbān  Hersteller unbekannt Bagdad, Irak, vor 1886 Rinds- und Schafleder, Baumwollstoff

Tunbān Hersteller unbekannt Bagdad, Irak, vor 1886 Rinds- und Schafleder, Baumwollstoff mit Steppnähten und Wattierung aus Tierhaar, Metallschnalle Weltmuseum Wien, Sammlung Josef Troll © KHM-Museumsverband

Man sieht, es fehlt nicht an unterhaltsamen Elementen, raffiniert verbunden mit sanfter Belehrung. Zum Schmunzeln ist die Skulptur „Trophy fort he Longest Pee“, geschaffen vom Isländer Guðmundur Thoroddsen als Preis für den weitesten Stehpinkler, und männliche Urängste weckend das Bild „Revenge of the Geisha Girl“ mit blutrotem Slip der japanischen Künstlerin Yūko Shimizu. Auf Bildern tritt mit uns den Hosenrollen aus Oper und Theater eine charmante Aneignung männlicher, besser, knabenhafter Darstellung durch schlanke junge Frauen entgegen. Von ihnen weg führt der Weg nun in den zweiten Teil, in dem Hingreifen ausdrücklich erwünscht ist.

Die dort hängenden Shorts wollen begrabscht werden. Handflächen sollen spüren, wie sich kühles Leinen oder warmer Tweed unterscheiden, oder wie lange im Fall, dass es pressiert, auch geschickte Finger brauchen, um 14 Knöpfe am Hosentürl aufzunesteln. Musste auch der Kaiser derlei Handgriffe selbst erledigen? Oder war ihm dabei ein Kammerdiener behilflich? Die gezeigten monarchischen Beinkleider – Uniform- und Kniehose für die Jagd – hüllen sich diesbezüglich in diskretes Schweigen. Jedenfalls waren sie nachhaltig hergestellt, ähnlich den Jeans, die erst nach vielen, vielen Jahren vom Körper fallen. Aus deren Stoff, Denim, besteht das Kunstwerk „The Morning After“ des Briten Ian Berry, auf dem drei Frauen ihrem Blues nachhängen. Um das Denken an sich geht es an der Station „auf dem Weg in die Zukunft“, auf dem sich bedrohlich Müllberge auftürmen, sollten wir nicht rechtzeitig lernen, Begriffe wie „Upcycling“ oder einfach „Second Hand“ in unseren Sprachschatz aufzunehmen und versuchen, dem Diktat der Mode für Beine und Popsch entspannt gegenüberzustehen.

Wer hat die Hosen an? Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband, Foto: Daniel Sostaric

Wer hat die Hosen an? Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband, Foto: Daniel Sostaric

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