Kultur und Wein

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Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann, Ausstellungsansicht © Klaus Pichler / Wien Museum

Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann, Ausstellungsansicht © Klaus Pichler / Wien Museum

SECESSIONEN in München, Wien und Berlin

Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann, Ausstellungsansicht © Klaus Pichler / Wien Museum

Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann, Ausstellungsansicht © Klaus Pichler / Wien Museum

Hohe Kunst der frühen Moderne auf den Fundamenten Stuck, Klimt und Liebermann

Drei Jahreszahlen liegen der Ausstellung „Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann“ (bis 13. Oktober 2024) zugrunde. 1892 (München), 1897 (Wien) und 1899 (Berlin). Der Freiheitsdrang einer Reihe von hochkarätigen Künstlern hatte sich durchgesetzt und zum Verlassen der bis dahin streng akademisch dominierten Szene geführt. Die Bezeichnung für diese Bewegung wurde dem Lateinischen entlehnt: Secessio (das Abseitsgehen, das Beiseitetreten) wurde zum Ausdruck eines gesteigerten Qualitätsanspruches in eigenen Ausstellungen, für die bald auch die passenden Gebäude geschaffen wurden. Drei Protagonisten stehen am Beginn der drei bedeutendsten Secessionen. In München war es Franz von Stuck, ein Vertreter des Symbolismus. Gustav Klimt war in Wien der zentrale Künstler, dessen nach Modernität drängende Malerei geradezu nach einem Umbruch schrie. Als Impressionist hatte sich Max Liebermann in internationalen Kreisen bereits einen beachtlichen Ruf erworben. Von ihm ging der entscheidende Einfluss auf die Berliner Künstlerschaft aus.

Max Kurzweil: Dame in Gelb, 1899, Wien Museum Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum
Georg Kolbe: Die Goldene Insel, 1898, © Staatliche Museen zu Berlin

o.: Georg Kolbe: Die Goldene Insel, 1898, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Reinhard Saczewski

l.: Max Kurzweil: Dame in Gelb, 1899, Wien Museum Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum

Es waren also drei doch sehr unterschiedliche Wege, die unter einer scheinbar gemeinsamen Flagge Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Modernisierung der Kunst führten. Sie wurden nun in einer sensationellen Kooperation zwischen der Alten Nationalgalerie Berlin und dem Wien Museum zusammengeführt. Nach einem Jahr an der Spree sind von Ursula Storch (Wien) und Ralph Gleis (Berlin, mittlerweile designierter Direktor der Albertina) ausgewählte Werke in das Museum am Karlsplatz gelangt. Als Schutzgöttin wurde Pallas Athene erwählt. Franz von Stuck sah in ihr das mächtige Symbol für die Weisheit, der Kunst und des Kampfes. Ihr Konterfei wurde zum Logo der Münchener Secession. Klimt griff dieses Motiv umgehend auf. Mit Gold gewappnet blickt Athene kühn auf den Betrachter, nicht ohne diesem auf dem Brustschild die Zunge zu zeigen. Nun hängen beide Göttinnen nebeneinander. Sie sind programmatische Wegweiser durch die Schau, die an die 140 Werke und etliche Themenkreise umfasst. Frühlingserwachen lässt vor romantischen Gemälden träumen, es gibt private Einblicke in das bürgerliche Leben dieser Zeit, aber auch Begegnungen mit der Natur und Porträts einer illustren Gesellschaft, denen schonungslos die Schattenseiten der Verstädterung und Industrialisierung entgegengestellt sind.

Ludwig von Hofmann: Frühlingsreigen, 1909, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

Ludwig von Hofmann: Frühlingsreigen, 1909, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger

Zu finden sind nicht nur die Stars dieser Jahre. Manche Namen wurden der Vergessenheit entrissen, indem ihnen der ihren Werken zukommende Platz gewährt wird. Es ist auch eine Reihe von Künstlerinnen vertreten. In Berlin waren Frauen von Anfang an dabei.

Sie sicherten sich ihre Erwerbsgrundlage nicht zuletzt durch Kinderbildnisse, die ihnen lukrative Porträtaufträge verschafften. Ein weiterer Unterschied waren die Professionen der Gründungsmitglieder. In Wien standen neben Malern auch Architekten wie Josef Hoffmann, der mit Carl Moll später die Wiener Werkstätte gründete, an der Wiege der Secession. Generell gilt jedoch: Wer es in eine der Ausstellungen schaffte, fand Beachtung und durfte die Beteiligung als Sprungbrett für seine weitere Karriere nutzen. Andererseits gab es bald Konflikte, Austritte wie den von Gustav Klimt und etlichen Gleichgesinnten und nicht zuletzt die Gründung neuer Secessionen als nahezu logische Folge des ursprünglichen kreativen Aufbegehrens. All das zum Nachlesen in aufschlussreichen Essays und vor allem zum bequemen Anschauen der Gemälde und Skulpturen gibt es im Katalog zur Ausstellung, erschienen im Verlag HIRMER in München.

Franz von Stuck: Die Sünde, um 1912, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger

Franz von Stuck: Die Sünde, um 1912, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger

Maria Benke, Walfisch vom Gasthaus zum Walfisch im Prater, 1951, Foto: Birgit und Peter Kainz (WM)

Maria Benke, Walfisch vom Gasthaus zum Walfisch im Prater, 1951, Wien Museum, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum

WIEN. MEINE GESCHICHTE in der Dauerausstellung durchwandern

Ausstellungsansicht in der zentralen Halle © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht in der zentralen Halle © Lisa Rastl

Das große Werk ist vollendet! Das Museum der Stadt als offenes Haus für ihre Bürger.

Bevor man sich in die breit angelegten 3.300 m2 Ausstellungsfläche auf drei Etagen mit 1.700 Objekten begibt, sollte man bequem mit dem Aufzug in die Etage drei fahren. Ein Espresso im Café „trude und töchter“, am besten draußen auf der Terrasse, schafft Selbstbewusstsein. Auf Augenhöhe begegnen dem Besucher die Dachgeschosse von Musikverein, Künstlerhaus und gegenüber die Karlskirche mit Blick von oben auf deren mächtigen Portikus. Die dicht mit Bäumen bewachsene Grünfläche des Karlsplatzes dazwischen bietet optische Erholung und schafft die nötige Konzentration für das Unternehmen einer Stadtwanderung in der Vertikale von Raum und Zeit.

Ausstellungsanicht Zweite osmanische Belagerung © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht Zweite osmanische Belagerung © Lisa Rastl

Ausstelllungsansicht Mittelalter © Lisa Rastl

Ausstelllungsansicht Mittelalter © Lisa Rastl

Das Architektenteam Ferdinand Certov, Klaudia Ruck und Roland Winkler hat über dem zu seiner Zeit absolut funktionalen Bau von Oswald Haerdtl (1959) ein Gebäude gestaltet, das einerseits mit seiner Mächtigkeit zu einem Powerplayer des Platzes geworden ist, anderseits aber mit heller Großzügigkeit einlädt, sich mit der wohlgeordneten Geschichte der Stadt Wien einzulassen. Schön, dass dank Direktor Matti Bunzl der Eintritt frei ist, damit hat man immer wieder die Möglichkeit, neue Facetten urbaner Vergangenheit und sogar dynamisch angelegter Gegenwart zu entdecken.

Ausstellungsansicht Ringstraßenzeit © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht Ringstraßenzeit © Lisa Rastl

Was das Heute betrifft, so hat man auf die Menschen gesetzt, die darüber erzählen, warum sie hier sind oder hierher gekommen sind. Zweifellos ist die hohe Lebensqualität entscheidender Anstoß für ein enormes Wachstum der Einwohnerzahl, das wiederum eine Palette an Problemen des Zusammenlebens zeitigt. Doch trotz der bedenklichen Nähe von Kriegen geht es in Wien noch vergleichsweise friedlich zu. Komplikationen haben hier die Möglichkeit, sich in einer doch ausgezeichnet funktionierenden Infrastruktur und in einem erfrischenden Freizeitangebot zu verlaufen. Dass dem nicht immer so war, beweisen erschütternde Bilder aus den Jahren 1938 bis 1945, in denen die Wiener Gemütlichkeit in unbegreiflicher Weise in eine andere Menschen verachtende Grausamkeit umgeschlagen ist.

 

Eine Spur von Jubelstimmung ist in der Zwischenkriegszeit zu verspüren. Damals war das Rote Wien eine Insel, bis der Bürgerkrieg den Aufschwung jäh beendete. Mit Gemeindebauten und einer Reihe von sozialen Projekten war jedoch ein Grundstein zu späterem Wohlfühlen gelegt. Im Kapitel „Schönheit am Abgrund. Wien um 1900“ werden die herrschenden Gegensätze zwischen arm und reich thematisiert. Man könnte sich an die grandiosen Gemälde halten oder sich über den Sessel des längst als Judenhasser betrachteten Bürgermeisters Karl Lueger amüsieren.

Unwillkürlich ist man jedoch in eine Bande von Päderasten geraten. Peter Altenberg wird zwar die Eigenschaft als Verehrer von Frauen abgesprochen. Es heißt dort, er hätte die Weiblichkeit eher verachtet – und er war ein Lustmolch, der sich an Kindern vergangen hat. Im dazugehörigen Text wird mit einer seltsamen Selbstverständlichkeit berichtet, dass Herr Richard Engländer den Herkunftsort seiner 13-jährigen Geliebten als sein Pseudonym gewählt hat. Noch unangenehmer wird es ein paar Schritte weiter. Man steht in der Rekonstruktion des Wohnzimmers von Adolf Loos und sucht vergebens nach dem schreienden Kontext, mit dem dieser Sexualverbrecher versehen sein müsste. Ein winziger, unleserlicher Zeitungsausschnitt auf einem Bildschirm, mehr ist nicht zu finden. Und doch hat Loos wohl in diesem Raum acht bis zwölfjährige Kinder missbraucht, dort massenhaft pornographische Fotos von kleinen Mädchen gehortet und die Kinder im Namen der Kunst zu lasziven Posen verführt – zum Gruseln! Warum wird überhaupt die Erinnerung an solche Typen so ausdrücklich hochgehalten? Eine Randnotiz hätte genügt.

Teresa Feodorowna Ries, Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht, 1895, Wien Museum

Teresa Feodorowna Ries, Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht, 1895, Wien Museum, Foto: TimTom, Wien Museum

Große Ambitionen prägten die Ringstraßenzeit, denen Massenmigration aus den ärmsten Teilen der Monarchie entgegenstanden. Freundlicher wird es im Biedermeier und Vormärz, die den Wienern trotz Zensur und obrigkeitlicher Überwachung die Freude an Unterhaltung nicht nehmen konnten. Barock und Aufklärung werden unter der Frage: „Wie viel Ordnung muss sein?“ kritisch beleuchtet. Den beiden Protagonisten, Maria Theresia und Josef II., werden Abschaffung von Folter und Todesstrafe, Schulpflicht und zumindest dem Kaiser religiöse Toleranz zugeschrieben. Stolz erfüllt die Nachgeborenen, wenn sie ausführlich über das Ende der osmanischen Expansionsbestrebungen vor den Mauern Wiens informiert werden.

Ausstellungsansicht Biedermeier und Vormärz © Lisa Rastl

Ausstellungsansicht Biedermeier und Vormärz © Lisa Rastl

Gefäße in Tierform, um 1200 - 1100 v. Chr., Foto: TimTom, Wien Museum

Gefäße in Tierform, um 1200  v. Chr., Foto: TimTom, Wien Museum

Das Erdgeschoss ist der frühen Historie vom Mittelalter abwärts bis zur Urzeit gewidmet. Der Platz über der Donau war seit 8.000 Jahren immer wieder besiedelt, bis zu den Römern und dem Lager Vindobona. Über allem schwebt jedoch der Wal. „Walfisch Poldi“ mit der Provenienz Wurstelprater ist das untrügliche Zeichen dafür, dass die Wiener welcher Herkunft und Sprache auch immer von ihrer Stadt geprägt werden, mit der Zeit die typische Charaktereigenschaft erhalten, die auch große Herausforderungen mit einer grantig lächelnden Nonchalance zu überwinden imstande ist.

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