Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Ensemble © Gregor Nesvadba

Ensemble © Gregor Nesvadba

MY FAIR LADY hots va Graz nach Bodn vaschlogn

Christoph Wagner-Trenkwitz, Oliver Baier, Patrizia Unger © Gregor Nesvadba

Christoph Wagner-Trenkwitz, Oliver Baier, Patrizia Unger © Gregor Nesvadba

Wenn Publikumslieblinge ein Weltmusical mit großem Spaß nachhause spielen...

Dieser Professor Henry Higgins ist ja wirklich ein Ekel, wenn er das Blumenmädchen namens Eliza bis aufs Blut quält, sie tage- und nächtelang die Konsonanten hersagen lässt und dabei so grob über sie d´rüberfährt, dass man aufspringen möcht´, um ihn zur Rede zu stellen. Der einzige, der das könnte, ist ein gewisser Oberst Pickering, aber der hält sich fein heraus, weil es ihm um eine Wette geht, die menschenverachtender nicht sein könnte. Eine Frau wird zum Gegenstand, zum Kunstprodukt eines Mannes, der schließlich seiner eigenen Überheblichkeit unterliegt. Nur ein Zyniker wie Bernard Shaw konnte sich eine solche Handlung erdenken, angeregt von der mythologischen Gestalt des Bildhauers Pygmalion, der sich in die von ihm geschaffene Statue verliebt hat. Über Umwege wurde daraus das Musical „My Fair Lady“, vertont von Frederick Loewe, der mit dem Libretto von Alan J. Lerner einen Broadwayhit geschaffen hat, der in kürzester Zeit die Musiktheater der Welt erobert hat und mit seiner beachtlichen Reihe von ohrgängigen Melodien bis heute ein Erfolgsgarant ist.

Masanari Sasaki, Russi Nikoff, Mario Fancovic, Andreas Steppan, Ardeshir Babak, Branimir Agovi

Masanari Sasaki, Russi Nikoff, Mario Fancovic, Andreas Steppan, Ardeshir Babak, Branimir Agovi © Gregor Nesvadba

Chris Lohner, Christoph Wagner-Trenkwitz © Gregor Nesvadba

Chris Lohner, Christoph Wagner-Trenkwitz © Gregor Nesvadba

Wenn Eliza auf der Bühne Baden auftritt, dann muss sie wie die anderen Beteiligten auch aus Österreich stammen, ist Hausherr Michael Lakner als Regisseur überzeugt. Statt in Cockney Englisch macht Patrizia Unger mit charmantem „Stoasteirisch“, ihrer Grazer Muttersprache, Oliver Baier als Sprachwissenschaftler Henry Higgins auf sich aufmerksam. Ort der ersten Begegnung ist der Grüne Markt, auf dem sich Ballett und Chor als Händler und Kundschaft zwischen einigen Müllmännern herumtreiben. Einer der orangen Abfallbeseitiger ist Lizas Vater Alfred P. Doolittle (Andreas Steppan), der ohne Geld und in wilder Ehe glückliche Tage mit Saufen und an klanen Stück vom Glück herumbringt. Ganz zufällig erscheint dort ein weiteres bekanntes Gesicht.

Christoph Wagner-Trenkwitz stellt sich als Experte für indische Dialekte vor. Sein Oberst Pickering und Higgins sind auf der Stelle ein Herz und eine Seele. Dass ihn der Badener in seine noble Bleibe in der Marchetstraße (in Schuss gehalten von Sylvia Rieser als umsichtige Frau Pearce) einladen kann, ist der betuchten Mutter des Privatgelehrten zu verdanken. Frau Higgins ist die Dame mit der wohl populärsten Stimme des Landes. Chris Lohner schafft es letztlich mit kühler Kritik die Verrücktheiten ihres Sohnes erfolgreich in Schranken zu weisen. Auf der Strecke bleibt der verliebte Freddy Eynsford-Hill, dem Ricardo Frenzel Baudisch seinen schönen Tenor angedeihen lässt, während er vergeblich in der Straße, in der sie lebt, auf Liza wartet. Wenn das Rosarium als Schauplatz des Rosenfestes auftaucht, geht ein begeistertes Raunen durch das Publikum, das sich dank eines zügig aufspielenden Orchesters unter Michael Zehetner von den zeitlosen Schlagern mitreißen lassen durfte.

Ricardo Frenzel Baudisch © Gregor Nesvadba

Ricardo Frenzel Baudisch © Gregor Nesvadba

Drew Sarich, Ensemble © Christian Husar

Drew Sarich, Ensemble © Christian Husar

CABARET Amüsement mit einer bitteren Pointe

 Drew Sarich, Ballett der Bühne Baden © Christian Husar

Drew Sarich, Ballett der Bühne Baden © Christian Husar

Ein Pflichtstück für jede Bühne wurde berührend und mitreißend umgesetzt

Das Musical könnte durchaus auch heißen: „Wehret den Anfängen!“ Es spielt in den späten 1920er-Jahren in einem Berlin, unter dessen allseitiger Freizügigkeit die finstere Herrschaft der Nazis wie ein stinkender Schimmelpilz zu wuchern beginnt. Da es die Betroffenen selbst nicht wahrhaben (wollen), muss ein junger Amerikaner anreisen, um sich just in dieser Stadt Inspiration für seinen nächsten Roman zu holen. Er hat allerdings nicht damit gerechnet, hier den Inhalt einer Story zu finden, die sich von seiner eigenen Trauer und das Entsetzen an den absehbaren Entwicklungen beinahe von selbst zu schreiben beginnt. Die dem Musicalstoff zugrunde liegende Literatur ist autobiographisch (mehr dazu ist im Programmheft nachzulesen). Als Teil des frühen „Nicht Vergessens!“ haben Joe Masteroff (Buch), Fred Ebb (Liedtexte) und John Kander (Musik) Mitte der 1960er-Jahre daraus einen Allzeit-Hit auf den Bühnen der Welt geschaffen. Der Titelsong richtet sich an alle, an die Darsteller und das Publikum: „Willkommen!“ im CABARET, das mit seiner offenherzigen Show gegen menschenfeindliche Realität wohl zu jeder Zeit machtlos ist.

Jan Walter, Drew Sarich, Alexander Donesch © Christian Husar

Jan Walter, Drew Sarich, Alexander Donesch © Christian Husar

Samir Bellido, Iva Schell, Maya Hakvoort © Christian Husar

Samir Bellido, Iva Schell, Maya Hakvoort © Christian Husar

An der Bühne Baden durfte das Publikum am Freitag, den 7. Juli 2023, eine Premiere bejubeln, die nicht zuletzt von einer Starbesetzung getragen war. Regisseur Leonard Prinsloo brauchte die namhafte Riege der Darsteller nur geschickt genug in das raffinierte Bühnebild von Alexandra Burgstaller einzusetzen, um sie mit schauspielerischem Können und grandiosen Stimmen Faszination verbreiten zu lassen. Als amerikanischer Schriftsteller Cliff findet Alexander Donesch bald zu Skepsis gegenüber seinem Zufallsbekannten Ernst Ludwig (Jan Walter), spätestens dann, wenn dieser offen die Hakenkreuzbinde trägt. Dass er auf die rücksichtslose Zudringlichkeit der quirligen Sängerin Sally Bowles (Ann Mandrella) hereinfällt und sich unsterblich in die leichtfertige Schönheit verliebt, ist seiner Jugend geschuldet. In derselben Pension wie er wohnt Fräulein Kost (Iva Schell).

Sie bestreitet ihr Auskommen mit der Heuer zahlungswilliger Matrosen. Und Herr Schultz, ein in die Jahre gekommener Obsthändler. Artur Ortens ist dieser sympathisch optimistische Jude und überzeugte Deutsche, der mit einer Ananas um die Hand der ältllichen Vermieterin anhält und diese beinahe erhält. Maya Hakvoort als famoses Fräulein Schneider wäre nicht abgeneigt, wenn da nicht schon die Nationalsozialisten wären, die in ihr Existenzängste auslösen. Souverän über all den kleinen Schicksalen steht der Conférencier des Kit-Kat-Clubs. Drew Sarich bewegt sich dämonisch zwischen Mann und Frau, stets die eigene Gesinnung offen lassend, um damit unfassbar zu bleiben. Trotzdem scheint er der feste Turm zu sein, wenn um ihn herum das Ballett der Bühne Baden als Tanztruppe wirbelt und sich der Chor von den Gästen der Bar in eine Horde „Heil!“ deklamierender Nazis wandelt. Das Orchester des Hauses unter Anđelko Igrec ist die rücksichtsvolle Basis für die Solisten, die mit ihren Songs keinen Vergleich mit legendären Interpreten zu scheuen brauchen.

Ann Mandrella © Christian Husar

Ann Mandrella © Christian Husar

Bühne Baden Logo 300

Statistik