Kultur und Weindas beschauliche Magazinabstrakt.!? zwischen figuration und abstraktion, Ausstellungsansicht abstrakt.!? Werke von Laila Bachtiar und „Freunden“
Erstmals steht eine Frau im Zentrum einer Ausstellung des museums gugging. Laila Bachtiar (*1971) arbeitet seit 1990 in Gugging und hat in den vergangenen Jahrzehnten ein gewaltiges Œuvre geschaffen. Es sind, neben einigen wenigen Gemälden, hauptsächlich Zeichnungen, liniendominierte Bilder, in denen ihr Lieblingsmotiv, Tierdarstellungen, wieder einen großen Teil einnehmen. Im Laufe der Zeit befreite sich die Künstlerin mehr und mehr von erkennbarer Gegenständlichkeit, ohne sie jedoch radikal zu verlassen. Dieser Weg verbindet mit drei anderen (mittlerweile verstorbenen) Gugginger Künstlern, die ihren Arbeiten gegenübergestellt werden. Im Titel dieser Schau „abstrakt.!? zwischen figuration und abstraktion“ (bis 17. März 2024) hat das Fragezeichen also einen besonderen Stellenwert.
Die Antwort darauf versucht die Einteilung in vier Kapitel zu geben. „Motiv und Linie“ lässt in einer Blackbox der Zeichnerin auf die Finger schauen. Man kann verfolgen, wie aus einem einfachen Liniengerüst, einer Art Skizze, nach und nach eine Fläche aus dicht gesetzten Strichen entsteht, die beispielsweise ein ursprünglich als Hund auszunehmendes Tier unter den Grautönen der Schraffur für den Blick zu verbergen beginnt. Ihr gegenüber hängen Bilder von Erich Zittra, der, anders als die späte Bachtiar, seine Motive mit vielfarbig überstrichelt hat. In Kapitel 2, Figur, sind es Werke von Philipp Schöpke, die sich, ähnlich wie Bachtiar, zu den Grenzen der Abstraktion hin bewegen.
Modeentwürfe von Christopher Kane © NÖ Museum Betriebs GmbH, Ludwig Schedl gugging inspiriert.! mit der Kraft ursprünglichster Kunst
Von den Werken eines Johann Hauser, Oskar Tschirtner oder August Walla geht eine Faszination aus, die sich mit schnöden Worten nur schwer erklären lässt. Tatsache ist, sie lässt niemanden unberührt. Sie bannt die Augen und verursacht auf diesem Weg im Betrachter Emotionen, ob er will oder nicht. Ist es die Wildheit der Striche? Eine in Verzweiflung mit Bleistift oder Pinsel hinaus geschriene Wahrheit? Die deutlich werdenden Spuren einer Geisteskrankheit? Oder alles zusammen? Der Psychiater Leo Navratil war bereits in den 1950er-Jahren vom künstlerischen Potential seiner Patienten in der NÖ-Landesnervenklinik Gugging überzeugt. Er regte sie zum Zeichnen an, um ihnen auf diesem Weg einen Möglichkeit zu eröffnen, das neurologische Leiden, das sie dorthin geführt hatte, nicht gerade zu überwinden, auf jeden Fall aber für sich selbst in einer heilsamen Ahnung zu definieren. Die dabei entstandene Qualität präsentierte Navratil mutig der Öffentlichkeit. Besucher der Ausstellung „Pareidolien“ in der Galerie nächst St. Stephan 1970 gehörten zum guten Teil zur Avantgarde – und sie waren begeistert. Sie standen einer Kunst gegenüber, die vor Urkraft nur so strotzte und die nach dem Wesen ihres Schaffens Suchenden zur kreativen Auseinandersetzung herausforderte.
Mit Arnulf Rainer und Peter Prongratz wird auch die Sonderausstellung im museum gugging mit dem Titel „gugging inspiriert.!“ (bis 24. September 2023) eingeleitet. Sie besuchten seinerzeit regelmäßig das „Atelier“, in dem diese Künstler zugange waren, um sich Anregungen zu holen. Als Gegenleistung lehrte Pongratz sie die Technik der Radierung, um ihnen die Verkaufsmöglichkeit zu erleichtern. Er selbst fand zu „Alice im Madland“, einem gewaltig wirksamen Gemälde mit Zitaten von Johann Hauser. Rainer wiederum übermalte kurzerhand das Ausstellungsplakat.
Ein großer Tag in der Geschichte des Museums war der 8. September 1994. Kein Geringerer als David Bowie suchte die Begegnung mit den dort Kunstschaffenden. In seinem Gefolge befanden sich der Musikproduzent Brian Eno und André Heller, der dieses Treffen wohl eingefädelt hatte. Von kaum einem Ereignis wird man derart anschaulich unterrichtet wie von diesem Besuch. Mit dabei war Christine de Grancy. Als erfahrene Bühnenfotografin hielt sie entscheidende Momente nicht nur fest, sie machte vielmehr das Geschehen, das an sich unsichtbar zwischen den Beteiligten ablief, augenfällig und verdichtete es im Schwarzweiß der Fotos. David Bowie fand übrigens hier die entscheidende Inspiration für sein 1995 erschienenes Album „1. Outside“, das die Besucher an Ort und Stelle mit Blick auf Fotos und Werke dieses Raumes abhören können. Statistik |