Kultur und Weindas beschauliche MagazinDer Freischütz, Ensemble © Reinhard Winkler DER FREISCHÜTZ Romantik mit teuflischer Expertise
Die Reaktionen des Publikums waren zweigeteilt. Als das Leading Team beim Schlussapplaus auf der Bühne erschien, brach im Publikum ein Wettstreit zwischen Pfiffen und Bravorufen aus. Das Ergebnis: ein klares Unentschieden! Was hat diese deutsche Oper von Carl Maria von Weber nach einem Libretto von Friedrich Kind in seiner reichen Aufführungsgeschichte (Uraufführung am 18. Juni 1821) nicht schon alles durchgemacht?! Vor allem die Wolfsschlucht ließ die Fantasie der Ausstatter Kapriolen schlagen und die Bühnenmaschinerie an ihre Grenzen bringen. Wie stellt man eine Wilde Jagd der Musik gegenüber, die ohnehin den finsteren Schrecken dieser Szene in ihrer gespenstischen Instrumentierung deutlicher malt als jede Kulisse? Das Problem stellte sich auch dem erfahrenen Regisseur Hermann Schneider. War es die im Stück angedeutete Aufklärung, die ihn veranlasst hat, den Inhalt in einer Parallelhandlung so deutlich zu erklären, dass jedes Missverständnis ausgeräumt wird? Er lässt den Wilden Jäger als ständig präsenten Moderator infernalische Umtriebe ausführen, um ihn schließlich vor einem gemütlichen Höllenfeuer im Kamin mit dem Bösewicht Kaspar bei einem Drink locker plaudern.
Nicht umsonst ist diese deutsche Oper beliebt, wenn es darum geht, Kindern dieses Genre nahezubringen. Es ist jedoch keine Frage des Alters, um sowohl die kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg angesetzte Handlung als auch die sich so wunderbar zugängliche Musik zu genießen. Schon bei der Ouvertüre, genau gesagt, bei der Darstellung des Deutschen Waldes mir den Hörnern, spürt man den gefühlvollen Schlag von Markus Poschner, der mit dem Bruckner Orchester Linz alle die Feinheiten der Komposition hörbar macht. Dabei wird irritierend mit einer Projektion die Entnahme eines Herzens (die Seele kann man wohl schwer zeigen) seitens des Teufels gezeigt, mit Blut und allem Drum und Dran einer solchen Operation ohne Narkose. Zurück zur Musik: Organisch eingebaut in den romantischen Reigen ist Polymorphia, ein Werk von Krzysztof Penderecki, um dem Bösen an sich eine musikalische Plattform zu geben. Denn über dem geheimnisvoll dunklen Streicherklang verkündet der Schauspieler Sven Mattke „Die Litanei des Satans“ von Charles Baudelaire. Mattke ist als der Wilde Jäger designierter Vertreter des Teufels auf Erden und mischt sich penetrant in das Treiben um den Probeschuss ein.
Dazwischen gibt es freilich auch den originalen Freischütz. Timothy Richards gibt als Suizid gefährdeter Max seinem Jammer um die verlorene Zielsicherheit mit einem schlanken Tenor Ausdruck und folgt in seiner Verzweiflung den verhängnisvollen Anträgen von Kaspar (es brilliert kraftvoll Michael Wagner). Ännchen Fenja Lukas versucht mit ungemein fröhlichem Sopran gute Laune in düsterer Stimmung zu verbreiten, ist aber den damit verbundenen Anfechtungen scheinbar nicht gewachsen. Sie muss neurotisch kichern und sich blutig kratzen. Agathe dagegen vergeht zwar beinahe vor Angst, lässt aber bei „Leise, leise, fromme Weise“ den Atem anhalten, so schön strömt diese Arie aus Erica Eloff heraus. Gott sei´s gedankt, dass es den Eremiten gibt.
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