Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Der Freischütz, Ensemble © Reinhard Winkler

Der Freischütz, Ensemble © Reinhard Winkler

DER FREISCHÜTZ Romantik mit teuflischer Expertise

Michael Wagner, Timothy Richards, Ensemble © Reinhard Winkler

Michael Wagner, Timothy Richards, Ensemble © Reinhard Winkler

Ein Schützenfest zwischen Regietheater und liebevoll interpretierter Oper

Die Reaktionen des Publikums waren zweigeteilt. Als das Leading Team beim Schlussapplaus auf der Bühne erschien, brach im Publikum ein Wettstreit zwischen Pfiffen und Bravorufen aus. Das Ergebnis: ein klares Unentschieden! Was hat diese deutsche Oper von Carl Maria von Weber nach einem Libretto von Friedrich Kind in seiner reichen Aufführungsgeschichte (Uraufführung am 18. Juni 1821) nicht schon alles durchgemacht?! Vor allem die Wolfsschlucht ließ die Fantasie der Ausstatter Kapriolen schlagen und die Bühnenmaschinerie an ihre Grenzen bringen. Wie stellt man eine Wilde Jagd der Musik gegenüber, die ohnehin den finsteren Schrecken dieser Szene in ihrer gespenstischen Instrumentierung deutlicher malt als jede Kulisse? Das Problem stellte sich auch dem erfahrenen Regisseur Hermann Schneider. War es die im Stück angedeutete Aufklärung, die ihn veranlasst hat, den Inhalt in einer Parallelhandlung so deutlich zu erklären, dass jedes Missverständnis ausgeräumt wird? Er lässt den Wilden Jäger als ständig präsenten Moderator infernalische Umtriebe ausführen, um ihn schließlich vor einem gemütlichen Höllenfeuer im Kamin mit dem Bösewicht Kaspar bei einem Drink locker plaudern.

Fenja Lukas, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Fenja Lukas, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Sven Mattke, Timothy Richards, Michael Wagner © Reinhard Winkler

Sven Mattke, Timothy Richards, Michael Wagner © Reinhard Winkler

Nicht umsonst ist diese deutsche Oper beliebt, wenn es darum geht, Kindern dieses Genre nahezubringen. Es ist jedoch keine Frage des Alters, um sowohl die kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg angesetzte Handlung als auch die sich so wunderbar zugängliche Musik zu genießen. Schon bei der Ouvertüre, genau gesagt, bei der Darstellung des Deutschen Waldes mir den Hörnern, spürt man den gefühlvollen Schlag von Markus Poschner, der mit dem Bruckner Orchester Linz alle die Feinheiten der Komposition hörbar macht. Dabei wird irritierend mit einer Projektion die Entnahme eines Herzens (die Seele kann man wohl schwer zeigen) seitens des Teufels gezeigt, mit Blut und allem Drum und Dran einer solchen Operation ohne Narkose. Zurück zur Musik: Organisch eingebaut in den romantischen Reigen ist Polymorphia, ein Werk von Krzysztof Penderecki, um dem Bösen an sich eine musikalische Plattform zu geben. Denn über dem geheimnisvoll dunklen Streicherklang verkündet der Schauspieler Sven Mattke „Die Litanei des Satans“ von Charles Baudelaire. Mattke ist als der Wilde Jäger designierter Vertreter des Teufels auf Erden und mischt sich penetrant in das Treiben um den Probeschuss ein.

Sven Mattke in der Wolfsschlucht © Reinhard Winkler

Sven Mattke in der Wolfsschlucht © Reinhard Winkler

Adam Kim, Markus Raab, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Adam Kim, Markus Raab, Erica Eloff © Reinhard Winkler

Dazwischen gibt es freilich auch den originalen Freischütz. Timothy Richards gibt als Suizid gefährdeter Max seinem Jammer um die verlorene Zielsicherheit mit einem schlanken Tenor Ausdruck und folgt in seiner Verzweiflung den verhängnisvollen Anträgen von Kaspar (es brilliert kraftvoll Michael Wagner). Ännchen Fenja Lukas versucht mit ungemein fröhlichem Sopran gute Laune in düsterer Stimmung zu verbreiten, ist aber den damit verbundenen Anfechtungen scheinbar nicht gewachsen. Sie muss neurotisch kichern und sich blutig kratzen. Agathe dagegen vergeht zwar beinahe vor Angst, lässt aber bei „Leise, leise, fromme Weise“ den Atem anhalten, so schön strömt diese Arie aus Erica Eloff heraus. Gott sei´s gedankt, dass es den Eremiten gibt.

Mit klangvollem Bass überzeugt Dominik Nekel nicht nur Fürst Ottokar (Adam Kim) und Erbförster Cuno (Markus Raab), den strengen Bann für den Missetäter aufzuheben, sondern diesen nach einem Probejahr seiner geliebten Braut wiederzugeben. Ob damit auch die finsteren Mächte besiegt sind, darf bezweifelt werden, denn an Klausners Kutte pendelt das umgekehrte Kreuz, das unter anderem auch als Zeichen für okkulten Satanismus steht. Darf man wirklich niemandem mehr trauen? Oh doch! Denn der Grat zwischen Schrecken und Parodie ist schmal und ein Samiel als Feschak mit schwarzen Flügeln kann so böse gar nicht sein.

Sven Mattke mit Flügeln am Flügel © Reinhard Winkler

Sven Mattke mit Flügeln am Flügel © Reinhard Winkler

Landestheater Linz Logo 500

Statistik