Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


CARMEN DARF NICHT PLATZEN

Ein bewährter Stoff in fester Frauenhand

Anna Sophie Krenn, Leila Strahl © Robert Peres

Anna Sophie Krenn, Leila Strahl © Robert Peres

Wenn eine Einspringerin die Primadonna aus der Oper aussperrt...

Die bescheidene Jo hat so gar nichts von einer Diva an sich. Anna Sophie Krenn, vom Kostüm (Petra Teufelsbauer) in unscheinbares Braun gewandet und mit einer wenig vorteilhaften Nerd Brille auf der Nase, gibt die brave Sekretärin der eleganten und tüchtigen Mrs. Wylie (Anita Kolbert). Die beiden Frauen warten in einer Hotelsuite (eingerichtet von Martin Gesslbauer) auf den Star des Abends. Kein Wunder, dass die Intendantin der Cleveland Grand Opera aufgeregt ist. Die angesagte Primadonna hat sich verspätet und das Haus ist bereits ausverkauft. Unnötig wie ein Blinddarm treibt sich auch deren Sohn Jerry (Leopold Dallinger) dort herum, um der Sängerin seine Bewunderung persönlich auszudrücken und eventuell wie bei einer zurückliegenden Begegnung in freudige Ohnmacht zu fallen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, was sich in diesen Räumlichkeiten in Kürze an Turbulenzen abspielen wird.

Carmen darf nicht platzen, Ensemble © Robert Peres

Carmen darf nicht platzen, Ensemble © Robert Peres

Leila Strahl auf Alfons Noventa © Robert Peres

Leila Strahl auf Alfons Noventa © Robert Peres

Die folgende Story ist soweit bekannt, nur eben ohne Othello und Blackfacing. Die Figur der Carmen ist zwar von ihrer ethnischen Herkunft auch nicht ganz unproblematisch, was aber nicht ausdrücklich betont werden muss (es genügt ein Blick ins Libretto), um diesen in seiner Komik grandiosen Stoff für die Bühne zu retten. Autor Ken Ludwig hat das Verwirrspiel um Einspringen und Aussperren geschickt den Frauen übertragen und damit gleich mehrere Anforderungen zum Stichwort Geschlechtergerechtigkeit abgedeckt. Für die Neue Bühne Wien unter Prinzipal Marcus Strahl wurde Monika Steiner für die Regie engagiert, was von vornherein eventuelles Hochziehen der Brauen seitens der Weiblichkeit verhindert. Sie hatte also freie Hand, diesen genialen Spaß als richtige Hetz und Lachschlager umzusetzen. Wenn Elena Firenzi und deren Gatte Pasquale endlich erscheinen, sollte man zumindest einige italienische Schimpfwörter im Programm haben.

Leila Strahl und Alfons Noventa präsentierten sich ihren amerikanischen Fans mit südlichem Temperament als wortreich streitendes Ehepaar. Eine ganz andere Elena ist zu erleben, wenn sie der schüchternen Jo liebevoll eine Gesangsstunde gibt. Dass sie später eine Überdosis Schlaftabletten zu sich nimmt und damit für die Schülerin den Weg zum großen Auftritt freigemacht, ist der Handlung geschuldet. Die Verwirrung perfekt macht die aufdringliche Hotelpagin als Paparazza (Kira Koppensteiner). Dem Schürzenjäger und Haustenor Leo mit Auftritt als Escamillo (Bariton) verleiht Géza Terner Unwiderstehlichkeit und Potenz unter dem Schottenrock. Mit Tönen, die Gläser zerspringen lassen, zeigt Doris Richter-Bieber, dass ihre ganz in Silber verpackte Julia als exaltierte Vorsitzende des Fördervereins der Oper ein solches Haus durchaus mit ihrer Stimme füllen könnte, abgesehen davon, was das Publikum dazu sagen würde. Im konkreten Fall war es von der Leistung des gesamten Ensembles hörbar angetan und bewunderte die Energie, mit der nach dem Schlussapplaus das ganze Stück noch einmal im Zeitraffer abgespult wurde.

Doris Richter-Bieber © Robert Peres

Doris Richter-Bieber © Robert Peres

Fekix Kurmayer, Nici Neiss, Georg Hasenzagl © Robert Peres

Fekix Kurmayer, Nici Neiss, Georg Hasenzagl © Robert Peres

BASKERVILLE Gruslige G´schicht mit Spaß zum Quadrat

Marcus Strahl, Victor Kautsch © Robert Peres

Marcus Strahl, Victor Kautsch © Robert Peres

Eine unerschrockene Truppe auf der Jagd nach der Bestie im Moor

Wird Sherlock Holmes auch diesen Fall lösen? Man darf gespannt sein, denn die Vorzeichen stehen alles andere als günstig. Schuld daran ist der US-Dramatiker Ken Ludwig, der in seiner Gruselkomödie „Baskerville“ alles daransetzt, um dem Meisterdetektiv das Leben schwer zu machen. Mit dem Appell „the play´s afoot“ (das Spiel kann/soll beginnen!) hetzt er einen Riesenhund mit Glutaugen auf die Nachkommen des bösen Ahnen Hugo. „Was soll der uralte Aberglaube?“ ist man geneigt zu sagen, und trotzdem findet sich nach Mark erschütterndem Geheul Sir Henry Baskerville mit vom Schreck verzerrtem Gesicht tot im Park seines Anwesens mitten in den Sümpfen der Region Dartmoor. Wird der aus Texas angereiste Generalerbe Sir Charles Baskerville das nächste Opfer? Oder steckt eine ganz andere Übeltat dahinter?

Baskerville, Ensemble © Robert Peres

Baskerville, Ensemble © Robert Peres

Baskerville, Ensemble © Robert Peres

Baskerville, Ensemble © Robert Peres

Es zahlt sich aus, bei den Ermittlungen im Theater Center Forum dabei zu sein. Neben dem gesunden Schrecken gibt es nämlich genügend Möglichkeiten, das Zwerchfell zu trainieren.

Nici Neiss hat in ihrer Regie für die Neue Bühne Wien die Unzahl von Gags sorgsam gepflegt und stellt bei der Gelegenheit gleich ihr komödiantisches Vermögen unter Beweis. Prinzipal dieser Truppe ist Marcus Strahl, der als freundlicher Dr. Watson einen willigen Helfer für den unfehlbar kombinierenden Sherlock Holmes (Victor Kautsch) abgibt. Ist es nur Zufall, dass sich die Darsteller der vielen, vielen anderen Rollen verblüffend ähnlich sehen? Hängt es vielleicht damit zusammen, dass im Programmheft neben den bereits Genannten nur die Namen Leila Strahl, Felix Kurmayer und Georg Hasenzagl aufgelistet wurden? Wird der Rest der Besetzung aus Platzgründen verschwiegen? Fragen über Fragen! Sam Madwar, zuständig für das „hundige“ Projektionsdesign, oder Martin Gesslbauer als Gestalter des very british Bühnenbildes müssten die Antworten wissen, aber sie sagen nichts. Auch an dieser Stelle wird nicht verraten, was dieser blöde Köter von Baskerville bzw. Ken Ludwig an einem so tapferen Ensemble in Wirklichkeit alles verhunzt hat.

Der Hund und Felix Kurmayer © Robert Peres

Der Hund und Felix Kurmayer © Robert Peres

Pension Schöller, Ensemble © Robert Peres

Pension Schöller, Ensemble © Robert Peres

PENSION SCHÖLLER Alter Spaß in überraschend neuem Gewand

Gerhard Karzel, Victor Kautsch, Robert Kolar © Robert Peres

Gerhard Karzel, Victor Kautsch, Robert Kolar © Robert Peres

Wenn der Sprachfehler zur reizvollen Nebensache wird

Man kennt und schätzt Stefan Vögel als Autor feinsinniger Komödien, die sich humorvoll und doch mit entsprechender Schärfe an den Schwächen und Seltsamkeiten seiner Zeitgenossen abarbeiten. In einer Überarbeitung von „Pension Schöller“ hat er jedoch die Sau rausgelassen; mit Erfolg! Aus der bekannten Handlung wurde der Klamauk extrahiert und zum Handlungsträger erhoben, mit flotten Tanz- und Gesangsnummern zusammengekittet, zeitgemäß mit einer woken Verwirrung der Geschlechter bereichert, um den letzten Akt gekürzt und von den Schauplätzen her der Ökonomie halber auf das Gastzimmer der Pension reduziert (praktisch einfach: Martin Gesslbauer). 1890 wurde dieses Lustspiel erstmals aufgeführt, in Berlin. Nun ist es in Wien angesiedelt; der Musik (Twist und Rock´n´ Roll) und anderer verräterischer Kleinigkeiten (z. B. bezahlt wird in Schilling, Kostüme aus der Zeit von Petra Teufelsbauer) nach zu schließen in den frühen 1960ern.

Anna Sophie Krenn, Stephan Paryla-Raky, Wilhelm Prainsack © Robert Peres

Anna Sophie Krenn, Stephan Paryla-Raky, Wilhelm Prainsack © Robert Peres

Eva Christina-Binder, Anna Sophie Krenn © Robert Peres

Eva Christina-Binder, Anna Sophie Krenn © Robert Peres

Was macht dieses kuriose Etablissement so unterhaltsam? Es sind normale Leute, die in dieser geschützten Zone ihre Eigenarten ausleben. Für die Neue Bühne Wien unter Macus Strahl hat Nici Neiss für ihre Inszenierung optimal passende Typen ins Ensemble geholt. Robert Kolar wird zur allseits lästigen Schriftstellerin Ida von Wellental-Halberswegen, die alles von den zukünftigen Helden ihres Romans erfahren will. Bei ihrer Recherche trifft sie auf den weit gereisten Ornithologen Professor Bernardi (Victor Kautsch) und dessen Begeisterung für angeblich ausgestorbene Vögel. Nicht ohne ist auch der frustrierte Major Rupf (Gerhard Karzel), den Wörter wie Pension, Ehefrau oder Rechtsanwalt in bedenkliche Rage bringen. Eine derartig kuriose Gästeschar muss den Bummelstudenten Alfred Klapproth (Wilhelm Prainsack) einfach auf eine blöde Idee bringen,

Er jubelt seinem betuchten Onkel Ladislaus (Stephan Paryla-Raky) für dessen Investitionspläne diese Leute als Belegschaft eines Irrenhauses, pardon, Patienten eines Sanatoriums für Nervenkranke unter. Den Betreiber dieser Pension gibt Alois Frank, der in rührender Weise Gespräche mit seiner längst verstorbenen Frau führt. Er ist Vater zweier Töchter. Anna Sophie Krenn leidet als Maria Schöller unter einem schwer nachvollziehbaren Komplex und klebt sich einen Bart ins Gesicht, um als Mario vor allem für ihren heimlich geliebten Alfred unerkannt zu bleiben. Wo bleibt nun das N statt dem L? Mit dieser Bürde ist deren Schwester Therese geschlagen. Doch bei Eva Christina-Binder wirkt gerade dieser Sprachfehler – im Gegensatz zum männlichen Original – alles andere als komisch, schon gar nicht lächerlich. Er ist vielmehr ein charmantes Detail, ähnlich dem Schönheitsfleck, der die weibliche Anziehung einer attraktiven Trägerin noch um einen Deut zu erhöhen imstande ist.

Anna Sophie Krenn © Robert Peres

Anna Sophie Krenn © Robert Peres

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