Kultur und Weindas beschauliche MagazinDie Kette aus ineinander gehängten Golddrahtspiralreifen weist drei verschiedene Fertigungsverfahren auf. © NHM Wien, Alice Schumacher GOLDFUND VON EBREICHSDORF Nicht einfach mit dem Zug d´rüberfahren
Bevor auf einer neuen Bahntrasse Schwellen und Gleise verlegt werden, gehört es in unseren Landen zum guten Brauch, Archäologen einen Blick in den Untergrund werfen zu lassen. Freilich hofft man seitens des ÖBB-Managements, dass nichts gefunden wird. Wenn die Spaten jedoch auf einigermaßen bedeutende Relikte der Vergangenheit stoßen, heißt es für die Teams des Unterbaus die Maschinen abstellen und Geduld aufbringen, bis die Wissenschaft grünes Licht zum Weitermachen gibt. Das kostet bekanntlich eine Menge Geld, die eine Einrichtung wie die Eisenbahn jedoch – so sagt es zumindest Vorständin DI Judith Engel von der ÖBB-Infrastruktur – gerne übernimmt. Wenn es sich nun um eine Sensation handelt, wie sie sich beim Ausbau der Pottendorfer Linie gezeigt hat, sind letzte Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Unterbrechung beseitigt. Bei Ebreichsdorf kam neben einer Fülle an üblichen Funden aus einer bronzezeitlichen Siedlung ein Goldschatz zum Vorschein. Dabei handelt es sich um fünf Objektgruppen, die vom Bundesdenkmalamt restauriert wurden. Am 18. August 2023 war es so weit: Die Schenkungsurkunde mit dem Naturhistorischen Museum wurde feierlich unterfertigt. Das Highlight im wahrsten Sinn des Wortes ist eine Schale, die bisher im mitteleuropäischen Raum einzigartig ist. Über die Jahrtausende hat dieses Prunkstück nichts von seiner Pracht eingebüßt. Sie besteht aus Gold, dem Metall, das nie seinen Glanz verliert und wohl deswegen von den Menschen aller Epochen und Kulturkreise am höchsten geschätzt wurde, wenngleich es sich kaum für irgendwelche praktischen Zwecke einsetzen lässt. Der Dekor dieser Schale verweist auf die Sonne und einen damit verbundenen Kult, der in der Bronzezeit weit verbreitet war. Mit ihr tauchten Bündel von Goldspiralen auf und dazu ein Konvolut von Goldfäden, die nach ersten Analysen von einem golddurchwirkten Textil stammen dürften.
Bergkristall St. Gotthard-Massiv, Schweiz © NHM Wien, Alice Schumacher WELT DER KRISTALLE Ordnung ist eine anschauliche Macht
Es sind vor allem die jungen Leute, die von Frau HR Dr. Vera M. F. Hammer angesprochen werden sollen. Die Ausstellungskuratorin und Sammlungsleiterin Mineralien- und Edelsteinsammlung des NHM Wien weiß um das Manko, das der Unterricht in den höheren Schulen bezüglich der von ihr betreuten Materie mittlerweile aufweist. Sie konstatiert ein entschlafenes allgemeines Interesse an einem Gebiet, das an sich schon auf den ersten Blick die Augen glänzen lässt. Ein mächtiger Bergkristall mit seiner erhabenen weißen Ruhe, der Regenbogen in den Facetten eines Brillanten oder das chamäleonhafte Farbenspiel eines Alexandrits sind an sich bereits Naturwunder, die seit jeher die Menschen fesseln und mit fantastisch übernatürlichen Kräften verbunden werden. Die Wissenschaft sieht jedoch auch im herrlichsten Kristall ganz trocken ein chemisches Gebilde, das aus Elementen zusammengesetzt ist und in exakter Symmetrie zur jeweiligen typischen Form gewachsen ist. Es ist also das Wissen darum, das in den von Architekt DI Rudolf Lamprecht und dem Medientechnik-Team von 7reasons neu gestalteten Vitrinen nun auf zugängliche Weise vermittelt wird und das Interesse an den Kristallen neu wecken will.
Neben Stationen, auf denen die Kenntnisse per Touch auf dem Bildschirm zeitgemäß bereichert werden können, sind es einzelne Beispiele, die für das weite Feld der Kristalle stellvertretend ausgewählt wurden. Grafit und Diamant haben äußerlich nur wenig Ähnlichkeit. Ein genauer Blick auf das zugrunde liegende Element enthüllt jedoch eine innige Verwandtschaft. Beide bestehen aus Kohlenstoff, der sich in dem einen Fall als Schmiermittel, im anderen als „The Girl´s Best Friend“ entpuppt. Erzminerale haben schon vor Urzeiten unseren Ahnen das Vorkommen von Metallen verraten und ganz nebenbei bemerkt bestehen unser Knochengerüst und die Zähne aus dem Mineral Calcit. Siliziumkarbid wiederum kommt in der Natur sehr selten vor, wird aber sowohl als Schleifmittel als auch als Halbleitermaterial dringend gebraucht und daher künstlich erzeugt. Zusammenfassend gesagt: Es ist eine Fülle an Anschauungsmaterial, mit dem dank neu gesetzter Schwerpunkte die Welt der Kristalle als eine wunderbare Ordnung betrachtet und in seinen höchst aktuellen Anwendungsgebieten begriffen werden kann. Kaiser Franz Josef Land, Der verlassene Tegethoff Julius von Payer (1841-1915) © NHM Wien, A. Schumacher DIE ERDE Ein Kaisersaal für unseren Planeten
Die heimlichen Star im neu gestalteten Saal VI, dem Kaisersaal, sind die Gabonionta. Die 2008 in Westafrika gefundenen Fossilien sind die vielleicht ältesten Zeugen (2,1 Milliarden Jahre) von sogenannten Mehrzellern auf der Erde. Selbst haben diese Winzlinge nicht überlebt. Aufgrund widriger Umstände in der Atmosphäre sind sie ausgestorben. Die nächsten ähnlich aufgebauten Wesen können erst nach der stattlichen Spanne von 1,5 Milliarden Jahren nachgewiesen werden. Damit stellt sich für die Wissenschaft die Frage, wie wäre die Evolution von diesen frühen Ureltern ausgehend verlaufen? Gäbe es überhaupt das Anthropozän, das von der Menschheit beherrschte Zeitalter? Vielleicht wäre dem Planeten so manches erspart geblieben, was ihm aufgrund unseres unverantwortlichen Zutuns gefährlich zusetzt. Die gezeigten Exemplare sind, so versichert Univ. Prof. Dr. Mathias Harzhauser, weltweit die einzigen, die öffentlich zu bewundern sind.
Dem Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM Wien war die Gestaltung der Dauerausstellung übertragen. Gewidmet hat er sie der Erde und stellt unsere kleine Heimat im großen Weltall als einen dynamischen Planeten vor. An Hands-on-Stationen wird so manches im wahrsten Sinn des Wortes begreiflich, was sich zwischen dem Gestein, der Lithosphäre, und dem darauf webenden Leben, der Biosphäre, abspielt und gegenseitig bedingt. Die Besucher können Gebirge entstehen und Vulkane ausbrechen lassen, um daran das Wirken der Plattentektonik zu studieren. Gerade dadurch ist Leben erst möglich geworden. Dieses erste Regen wiederum hat mit Photosynthese und Besiedelung des Festlandes das Aussehen des bis dahin toten felsigen Untergrundes entscheidend neu geprägt. Am bisherigen (hoffentlich nicht absoluten) Ende steht der Mensch, der in den tief verborgenen Schätzen mit beiden Händen zugreift. So werden Lagerstätten von Methan-Eis und Manganknollen in den Ozeanen thematisiert. Sie könnten den Bedarf an Energie und Rohstoffen für Jahrzehnte decken, allerdings verbunden mit weit gewaltigeren Klimakatastrophen als wir sie jetzt ohnehin bereits erleben. Klimaentwicklung der Erde während der letzten 600 Millionen Jahre © NHM Wien, M. Harzhauser Besinnlichkeit ist also angesagt, wenn der Blick nach oben gezogen wird, wo Felsbrocken schwerelos schweben. Der Künstler Hannes Ludescher hat dazu im Verhältnis 10:1 Steine vergrößert und in deren natürlicher Form nachgebildet. An diesen Objekten vorbei blickt man auf die dank einer geschickten Beleuchtung (Architekten Schubert & Schubert ZT-KG) strahlenden Farben von fünf Gemälden. Sie zeigen Orte, die nach dem Kaiser benannt sind, so das Franz Josef Land, das dessen Entdecker Julis Payer persönlich gemalt hat. Dazwischen blicken, befreit vom grauen Belag eines Jahrhunderts, mit allegorischer Überheblichkeit Karyatiden herab auf das irdische Treiben im Saal, das zwischen wandernden Erdteilen, Atmosphäre, Hydrosphäre und der Welt der Mikroben bis zur eigenwilligen Weltmusik des Komponisten Rupert Huber dem Geheimnis unseres Planeten auf der Spur ist. Statistik |