Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Ekaterina Solunya © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Ekaterina Solunya © Werner Kmetitsch, Oper Graz

RIGOLETTO Der Hofnarr zwischen Rache und Fluch

Nikoloz Lagvilava als Rigoletto © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Nikoloz Lagvilava als Rigoletto © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Eine mitreißend emotionale Umsetzung von Verdis Komposition zu einer düsteren Moritat

Der 7. Dezember 2025 darf durchaus als des Merkens würdiger Tag in die Geschichte der Oper Graz eingehen. Nikoloz Lagvilava als Rigoletto und Gilda Ekaterina Solunya waren Opfer der jahreszeitlich bedingten Erkältungswelle, hatten sich jedoch bereit erklärt, trotzdem aufzutreten. Dirigent Vassilis Christopoulos hatte die Leitung aus dem gleichen Grund an Ulises Maino abgegeben. Um die Spannung vorweg zu nehmen: Es wurde ein großer Abend. Von Problemen mit den Stimmen war ebenso wenig zu merken wie von einem Ersatz am Pult der Grazer Philharmoniker. Immerhin zählt „Rigoletto“ zu Giuseppe Verdis „trilogia populare“, neben „Il trovatore“ und „La traviata“ zu seinen drei größten Erfolgen. Es wird berichtet, dass der Komponist „vom Blitz durchfahren“ war, als er 1850 Victor Hugos Drama „Le Roi s´amuse“ zu Gesicht bekam. Es war die Figur des Hofnarren, die er als einer der größten Schöpfungen aller Zeiten erkannte. Sein Librettist Francesco Maria Piave und er hatten allerdings nicht mit der Zensur gerechnet. In Venedig herrschten damals die Habsburger und deren Beamte waren nicht mit der für das Teatro La Venice konzipierten Oper einverstanden. Erst als aus dem französischen König der Herzog von Mantua im 16. Jahrhundert wurde und die Beteiligten mit italienischen Namen versehen waren, durfte, wie es nun hieß, „Rigoletto“, der Lachende, aufgeführt werden und seinen Siegeszug in der Operngeschichte antreten.

Nikita Ivasechko, Lovro Korošec, Jianwei Liu, Herrenchor der Oper Graz© Werner Kmetitsch, Oper Graz

Nikita Ivasechko, Lovro Korošec, Jianwei Liu, Herrenchor der Oper Graz© Werner Kmetitsch, Oper Graz

Nikoloz Lagvilava, Wilfried Zelinka © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Nikoloz Lagvilava, Wilfried Zelinka © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Die auf Opern spezialisierte Regisseurin Ute M. Engelhardt versuchte mit ihrer Inszenierung einen Schuss Gegenwart in die Orgien des Herzogs zu bringen. Statisterie und der Chor der Oper Graz müssen deshalb in verrückten Kostümen wie glänzenden Stiefeln, pinken Perücken und seltsamer Gewandung mit einem bis zum Koma reichendem Besäufnis hemmungslos ausgelassen Party feiern. Sie sind die Gäste von Il Duca, den Pavel Petrov mit schlankem Tenor eher bubenhaft nach Weiblichkeit gieren lässt. Zu seinen Eroberungszügen wird er mit der wie ein Barschild anmutenden Leuchtschrift „Ti amo“ gefahren. Mit „Questa o quella per me pari sono“ ist er wahrhaftig unwiderstehlich und wird von den Züchtigungen seitens der strengen Lady Maddalena (Neira Muhić als professionelle Domina) sogar zur fröhlichen Canzone „La donna é mobile“ angeregt.

Dass er von Graf Ceprano (Lovro Korošec) verflucht wurde, hat seine gute Laune nicht im Geringsten beeinträchtigt. Maddalenas Bruder ist der gedungene Mörder Sparafucile (Wilfried Zelinka), der ausgestopft seinem Kunden Rigoletto auffallend ähnlich ist. Er soll den Herzog umbringen, scheitert aber in seinem finsteren Vorhaben und hält sich an die als junger Mann verkleidete Gilda. Einer berührend singenden Ekaterina Solunya nimmt man gerne ab, dass sie als gut behütetes Mädchen den Liebesschwüren von Il Duca erliegt. Sie hat keine Ahnung vom Fluch, der über ihren Galan und gleichzeitig über ihren Vater ausgesprochen wurde. Nikoloz Lagvilava ist als Bariton eine elementare Erscheinung. Seine Wandlung vom Spötter zum verzweifelten Genarrten wird von ihm mit mächtiger Stimme auf das darob begeisterte Publikum übertragen. Begleitet wird er dabei von der gewaltig emotionalen Musik Verdis, die vom Graben herauf einen Sturm brausen lässt, entfacht von den Instrumenten, deren Klangbild weit über davor geschaffene Orchestrierungen dieses italienischen Opernkomponisten hinausgeht.

Agustina Calderón, Pavel Petrov, Herrenchor der Oper Graz, Statisterie der Oper Graz

Agustina Calderón, Pavel Petrov, Herrenchor der Oper Graz, Statisterie der Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Simon Stockinger, Clara Mills-Karzel, Dennis Hupka, Veronika Hörmann, Fabian Kaiser,

Simon Stockinger, Clara Mills-Karzel, Dennis Hupka, Veronika Hörmann, Fabian Kaiser, Ballett und Chor © Werner Kmetitsch, Oper Graz

ON THE TOWN Liebe für einen Tag in New York City

Oper Graz:

On the Town, Ensemble © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Leonard Bernsteins erstes Musical verpackt eine einfache, überwiegend komische Story in grandiose Musik.

1944 fand die Uraufführung von „On the Town“ in New York statt. Der Weltkrieg war auch in den USA zu spüren, deren Jungs in Europa gegen die Deutsche Wehrmacht kämpften. Die Menschen hatte Sehnsucht nach leichtem Amüsement, nach Ablenkung von den täglichen Frontberichten in den News. Was lag näher, als diese Helden weit ab vom martialischen Geschehen vor den Vorhang zu holen? Das Autorenduo Betty Comden und Adolph Green entschied sich für drei Matrosen der US-Navy, die einen Tag Urlaub bekommen, um durch New York zu streifen. Wenn junge Männer nach Wochen auf hoher See auf Land treffen, müssen Mädchen her. Erstaunlicherweise finden sich willige junge Damen, von denen eine sogar die regierende „Miss Underground“ für den Monat Juni ist. Es entwickeln sich turbulente Liebesgeschichten mit allem Drum und Dran an durchaus unernsten Problemen, die jedoch abrubt ihr Ende finden, als die unternehmungslustigen Eintagsfliegen wieder an Bord zurückkehren müssen.

Markus Butter & Chor der Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Markus Butter & Chor der Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Dennis Hupka & Clara Mills-Karzel © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Dennis Hupka & Clara Mills-Karzel © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Wäre da nicht ein genialer Komponist, der sich dieses Stoffes angenommen hat, würde kein Hahn mehr nach diesem Stück krähen. Doch Leonard Bernstein hat in seiner typischen Mischung aus symphonisch und jazzig ein faszinierendes musikalisches Gemälde des Big Apple geschaffen, mit Songs, deren lockerer Inhalt nur schwer mit der ernsthaften Orchesterbegleitung mithalten kann. Was aber unerheblich ist, wenn man von den Grazer Philharmonikern unter Stefan Birnhuber mit einem stimmkräftigen und spielfreudigen Solistenensemble und einer mitreißenden Tanzperformance (Ballett Graz, Choreographie: Danny Costello) in das New York der 1940er-Jahre entführt wird. In der Oper Graz wurde diese „Musicalkomödie in zwei Akten“ von Felix Seiler mit dem Bühnenbild von Darko Petrovic höchst anschaulich und vor allem mit einer dicken Portion Humor inszeniert. Man ist begeistert mit dabei, wenn sich das Treiben von der U-Bahn durch die Schluchten zwischen den Wolkenkratzern Manhattans bis zu den angesagtesten Tanzclubs bewegt. Sogar die Carnegie Hall und das Natural History Museum werden besucht; wobei man sich allerdings fragt, was drei auf Aufriss befindliche Seeleute in solch heil´gen Hallen zu suchen haben.

Clara Mills-Karzel & Ballett Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Clara Mills-Karzel & Ballett Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz

On the Town, Ensemble © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Maria Joachimstaller, Simon Stockinger, Chor und Ballett der Oper Graz © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Gabey (Simon Stockinger), Chip (Dennis Hupka) und Ozzie (Fabian Kaiser) treten um sechs Uhr morgens ihren Landgang an. Gabey verliebt sich auf der Stelle in die Miss U-Bahn, besser gesagt in das Plakat, das Ivy Smith (Maria Joachimstaller) zeigt. Die drei machen sich in ihren schmucken Matrosenanügen (Kostüme: Sarah Rolke) auf die Suche nach der Schönen; mit unterschiedlichem Erfolg. Chip wird von der eben gefeuerten Taxifahrerin Hildy Esterhazy (Clara Mills-Karzel) in deren WG mit der verschnupften Lucy Schmeeler (Dominika Błażek) abgeschleppt.

In Ozzie entdeckt die Anthropologiestudentin Claire De Loone (Veronika Hörmann) das Urbild des Mannes und erweist sich nach einer kurzen unterkühlten Anbahnungsphase als heiße Nummer auf der Couch ihrer Wohnung. Sie ist zwar verlobt, aber Richter Pitkin (Wilfried Zelinka) ist gottlob nicht eifersüchtig. Sein verzweifelt geknurrtes Motto: „I understand!“ Gabey findet Ivy tatsächlich, und zwar bei deren Gesangsunterricht mit der dem Schnaps zugetanen Madame Dilly (Ivan Oreščanin). Ein Date wird vereinbart, kommt aber aufgrund diverser Misslichkeiten nicht zustande. Als Running Gag mit zwei Beinen taucht dazwischen immer wieder eine reizende kleine alte Dame (Lisa Burnage) auf, die das Trio mit gezogenem Regenschirm und wichtigem Hintern verfolgt. Sie hat den Diebstahl des Plakats im Waggon beobachtet und hetzt nun die Polizei auf die Burschen. Schließlich gibt es das große Treffen, mit einem überraschend verständnislosen Richter Pitkin, aber auch mit Ivy und dem nun glücklichen Gabey; aber ohne das erwartete Happy End; wenn man davon absieht, dass nun drei neue Seeleute der Navy den Pier zu ihrem 24-Stunden-Landgang herunterstürmen...

Maria Joachimstaller & Ivan Oreščanin © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Maria Joachimstaller, Ivan Oreščanin © Werner Kmetitsch, Oper Graz

Ensemble © Werner Kmetitsch

Anna Brull, Matthias Koziorowski, Petr Sokolov, Mareike Jankowski, Peter Oh in Venedig © Werner Kmetitsch

LES CONTES D´HOFFMANN Vier Regie-Ideen für einen Poeten

Matthias Koziorowski (Hoffmann) © Werner Kmetitsch

Matthias Koziorowski (Hoffmann) © Werner Kmetitsch

Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ wird nicht nur wegen der Originalsprache zu einem „Phantastischen Opernabend“.

E. T. A. Hoffmann hat uns den Weg in eine abseitige Welt aufgetan, die man mit wohligen Gruseln allzu gerne betritt. Der Dichter, an sich der Deutschen Romantik zugeordnet, hatte viele Talente. So war er u. a. Jurist, Komponist, Kapellmeister und Karikaturist. Aber als Genie war er auch ein Geplagter, der seine schrägsten Ideen angeblich dem Vollrausch verdankte. Er lehnte sich gegen Obrigkeiten auf und er, so will es die Fama, war stets auf der vergeblichen Suche nach der idealen Liebe. Drei seiner literarischen Werke (Der Sandmann, Rat Krespel, Die Abenteuer der Sylvesternacht) fanden schließlich Eingang in ein französisches Bühnenstück, das dem kongenialen Jacques Offenbach in die Augen gestochen ist und zu einer der populärsten Opern der Musikgeschichte inspiriert hat, deren Erfolg der Komponist leider nicht mehr erleben durfte. Es sind stets Begegnungen mit Frauen (Künstlerin, das junge Mädchen, die Kurtisane), die Hoffmann an den Rand des Irrsinns bringen. Vor dem jeweils darin lauernden Verhängnis rettet ihn verlässlich die Muse, für den Dichter ein Neutrum, die aber in treuer Liebe zu ihm hält.

Esnemble Olympia © Werner Kmetitsch

Peter Oh, Tetiana Zhuravel, Matthias Koziorowski, Mario Lerchenberger bei Olympia © Werner Kmetitsch

Tetiana Miyus, (Antonia), Statisterie der Oper Graz © Werner Kmetitsch

Tetiana Miyus, (Antonia), Statisterie der Oper Graz © Werner Kmetitsch

Im Opernhaus der Stadt an der Mur hat man in Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf eine reizvolle Herausforderung für das Publikum auf die Bühne gestellt. Mit Vorspiel und Epilog sind es fünf Akte, die jeweils ein anderes Regiekonzept aufweisen. Nach den ersten Takten des Orchesters unter der Leitung von Johannes Braun setzt sich Hoffmann an ein Schreibpult, trinkt einen kräftigen Schluck Wein, während La Muse (Andżelika Wiśniewska) mit leiser Eifersucht ihre Gedanken zu dessen neuen Schwarm, der Sängerin Stella (Ann-Kathrin Adam), mit ergreifendem Sopran kundtut. Das Volk will die Geschichte von Klein Zack hören, während der alte Lindorf (in mehreren Rollen überzeugend: Bariton Petr Sokolov) seine Ansprüche auf die Primadonna äußert. Regisseur Tobias Ribitzki belässt diese Szene vor dem Vorhang, der sich erst zur Begegnung mit Olympia öffnet. Die britische Theatergruppe 1927 hat für den grandiosen Koloratursopran Tetiana Zhuravel eine überwältigende Videokulisse geschaffen, in der gekonnt zwischen realen Menschen und Projektionen geswitcht wird. Coppélius hat für Hoffmann eine Art VR-Brille geschaffen, die diesem die mechanische Frau lebendig erscheinen lässt. Gastgeber dieses Festes ist der Physiker Spalanzani (Mario Lerchenberger), der jedoch hinnehmen muss, dass der betrogene Coppélius sein Wunderwerk in die Luft sprengt und Hoffmann um seine Geliebte bringt.

Puppen stehen auch bei Antonia im Mittelpunkt. Der Australier Neville Tranter hat für die Beteiligten als Alter Ego Klapppuppen geschaffen, so auch für den Diener Frantz (Daeho Kim), der nach eigener Aussage zwar nicht singen, aber wunderbar tanzen kann. Nachdem sich das arme Mädchen zu Tode gesungen hat, erscheint ein von Nanine Linning choreographiertes düsteres Venedig, das aufgrund gefühlvoller Bewegungen des Ensembles zur Barcarole auf Seufzerbrücke, Markusplatz und Gondeln verzichten darf. Bekanntlich begegnet Hoffmann dort der Kurtisane Giulietta, der Mareike Jankowski im Glitzerkleid stimmlich und äußerlich die entsprechende Verführungskunst angedeihen lässt. Dank der Machenschaften von Dapertutto (Sokolov wird dabei zu einer dämonisch verkrüppelten Gestalt), kann Hoffman nur im letzten Augenblick seine Haut und sein Spiegelbild retten. Trotz wiederkehrender amouröser Enttäuschungen und den gewaltigen Herausforderungen dieser Partie bleibt Tenor Matthias Koziorowski souverän, wendet sich zuletzt sogar von einer ihm geneigten Stella ab und nimmt wie zu Beginn bescheiden am ursprünglichen Schreibtisch Platz. Black und Applaus mit lauten Bravorufen!

Peter Oh, Mareike Jankowski, Matthias Koziorowski © Werner Kmetitsch

Peter Oh, Mareike Jankowski, Matthias Koziorowski © Werner Kmetitsch

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