Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

MARIA THERESIA Working Mum in Regierungsgeschäften

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Sound- & stimmkräftige Hommage an eine außergewöhnliche Frau auf dem Thron

Ein Musical als eines der beliebtesten Formate zeitgenössischen Musiktheaters darf durchaus einen ganz eigenen Umgang mit historischen Fakten pflegen. In erster Linie gilt die Devise, die Story muss packend sein. Eine rührende Liebesgeschichte ist Pflicht und die im Mittelpunkt stehende Persönlichkeit ist trotz aller Probleme, die ihr gemacht werden, am Ende erfolgreich. Ein Musterbeispiel dafür ist Maria Theresia, eine Habsburgerin, die in Österreich jedem Schulkind zumindest vom Namen her vertraut ist. Damit ist sie als Titelfigur von vornherein ein Erfolgsgarant, zumindest in unseren Landen, die von ihr in eine neue Zeit geführt wurden. Der in Wien geborene Autor Thomas Khary stand damit jedoch vor der großen Aufgabe, aus den vielen Facetten dieser Persönlichkeit diejenigen zu betonen, die sich den Anforderungen eines populären Bühnenstückes fügen. Dass Maria Theresia überaus fromm war, schien ihn nicht allzu sehr zu begeistern. Dass sie in etlichen Belangen gewaltig rückständig war und sogar eine Keuschheitskommission eingerichtet hat, ist ebenfalls kein Hit, mit dem man reüssieren kann. Ihn interessierte viel mehr die Frau an sich. In adeligen Kreisen wurde sie bestenfalls als Heiratsgut wahrgenommen, um einen männlichen Thronerben auszutragen. Darüber hinaus hatte sie nichts mitzureden. Maria Theresia hat sich gegen alle diese Vorbehalte selbstbewusst durchgesetzt, als Herrscherin und Heerführerin, und war dennoch ein Vollweib, das gegen alle Usancen ihren geliebten Mann geheiratet und mit ihm sechzehn(!) überlebende Kinder in die Welt gesetzt hat.

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Vater Dieter und Sohn Paul Falk haben das Libretto mit den Liedtexten von Jonathan Zelter in Musik umgesetzt, die zwar keine Ohrwürmer enthält, aber über die gesamte Strecke das Publikum in Atem hält und am 4. November 2015 von Herbert Pichler am Pult des Orchesters der Vereinigten Bühnen Wien beeindruckend umgesetzt wurde. Alex Balga führte Regie, unterstützt von Morgan Large mit Video animierten Kulissen zwischen Palast, Schlachtfeld und Kaisergruft als Hintergrund von Gerüsten, auf denen die Tanzcrew, choreografiert von Jonathan Huor, schwerelos behände Kletterübungen praktiziert. Bei den Kostümen hatte Aleksandra Kica freie Hand und schuf ein ansprechend modisches Crossover aus Barock und Gegenwart, historisierenden Uniformen und heutiger Tracht bis zu Lack und Leder einer SM-Party in Laxenburg.

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Maria Theresia, Szenenfoto © VBW / Deen van Meer

Die Handlung wird vom Krieg gegen Friedrich den Großen getragen. Deswegen erscheint bereits zu Beginn Moritz Mausser ganz in Schwarz als preußischer Heiratsaspirant und muss mit einem Korb wieder abziehen. Aber er bleibt als erbitterter Gegner bis zum Ende präsent. Als Kanzler (eigentlich Geheimer Staatssekretär) Bartenstein mit unglaublich langer Regierungszeit wirkt Dominik Doll. Er zählt zu den wesentlichen Gestalten bei Hof, zu denen auch die Fuchsin, Madame Fuchs (Annemieke van Dam), als Erzieherin und Freundin der späteren Regentin gehört. Gemeinsam mit Mama Elisabeth Christine (Annemarie Lauretta) versuchen die beiden die heranwachsende Tochter von Kaiser Karl VI. (Dominik Hees) in ihrem überschäumenden Ehrgeiz zu zähmen. Dem früh verstorbenen Papa ist auch die Pragmatische Sanktion zu verdanken, die besagt, dass eine Frau, in diesem Fall seine 23jährige Tochter, die Thronfolge antreten kann. Wie ein Rüpel benimmt sich Franz Stephan aus dem kleinen Herzogtum Lothringen in der steifen Gesellschaft des Wiener Hofes.

Fabio Diso hat zuerst so gar nichts von einem Kaiser an sich. Aber gerade die Ungehörigkeiten, die er sich leistet, verursachen bei Nienke Latten als Maria Theresia das entsprechende Herzflattern. Dem Liebes- und baldigen Ehepaar gelingt nach einigen Versuchen auch ein Sohn, der wie sein Vater Kaiser und wie seine Mutter Regentin in Österreich-Ungarn werden wird. Jonathan Metu als Joseph ist ganz im Gegensatz zur historischen Überlieferung ein geduldiger und einsichtiger Thronanwärter. Seine Schwester Marie Christine (Amelie Polak) darf als Lieblingstochter Maria Theresias sogar ihren Albert von Sachsen-Teschen ehelichen. Abgesehen davon ist Maria Theresia in diesem Punkt jedoch gnadenlos, eine Working Mum, wie es in einem Song heißt, der die Regierungstätigkeit über Familie und Ehemann geht. Aber egal ob Vernunftehe oder Liebesheirat, Krieg oder Frieden, ob wahr oder erfunden, die Zuhörerschaft ist von dieser musicalischen Geschichtsstunde begeistert und springt mit dem letzen Ton spontan auf vom Sitz zu Standing Ovations.

Nienke Latten als Maria Theresia © VBW / Deen van Meer

Nienke Latten als Maria Theresia © VBW / Deen van Meer

Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

ROCK ME AMADEUS Die Story eines Superstars namens Falco

Alex Melcher, Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Alex Melcher, Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Die Hommage an einen jungen Wiener, der mit seiner Musik die Welt begeistert hat.

Hansi Hölzel war, glaubt man dem Buch von Christian Struppeck, schon als Schulbub überzeugt, einst ein großer Popstar zu werden. So beginnt das ihm gewidmete Musical nach dem einleitenden Vorgriff auf sein Begräbnis mit einer Sequenz, in der ein ignoranter Klassenlehrer zum Trottel gemacht wird. Dabei wird übersehen, dass diesem Kind schon mit fünf Jahren bei einem Vorspieltermin an der Wiener Musikakademie das absolute Gehör bescheinigt wurde, eine Tatsache, die eine musikalische Laufbahn eigentlich logisch machte. Die überzeugende Musik (am Pult des Orchesters der VBW steht Carsten Paap) lässt aber gerne diesen Lapsus vergessen, immerhin haben sich Michael Reed als Arrangeur der Falco Hits und Roy Moore der Orchestrierung angenommen. Dazu kommen eine mitreißende Choreographie von Anthony van Laast und ein überwältigendes Bühnenbild von Stephan Prattes, die von Regisseur Andreas Gergen in einer grandiosen Inszenierung umgesetzt wurden.

Moritz Mausser, Martin Enenkel, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Moritz Mausser, Martin Enenkel, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Tanja Golden, Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Tanja Golden, Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Wenn nun die Hauptperson auftritt und im Tonfall des von ihr verehrten Oskar Werner in gepflegtem, etwas hochnäsigem Wienerisch seine Meinung kundtut, glaubt man tatsächlich, Falco vor sich zu haben. Ein derart authentischer Darsteller wie der junge Moritz Mausser musste erst gefunden werden. Er lässt das Publikum den Aufstieg des Falken vom unbekannten Tingeltangel-E-Bassisten bis zum Höhenflug als Number One der Charts in den USA unmittelbar miterleben. Viel Raum wird der Liebe und der folgenden Ehe mit Isabella (Katharina Gorgi) gewidmet.

Falco muss schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass das vermeintlich gemeinsame Kind nicht von ihm ist. Eine Frau hält jedoch eisern zu ihm. Seine Mutter (Shlomit Butbul) ist die Warnerin in seinem Leben, die jedoch bei ihrem Sohn kein Gehör findet. Ihr Hansi ist vielmehr den Produzenten ausgeliefert, so einem gewissen Horst (Andreas Lichtenberger), der ihn auch in einer veritablen Schaffenskrise nicht mit dem Druck, immer neue Hits zu produzieren, verschont. Dass dabei der so österreichisch anmutende Titelsong „Rock Me Amadeus“ aus niederländischer Elternschaft stammt, ist nur eine der vielen staunenswerten Fakten. Die größte Rolle spielt jedoch sein Alter Ego. Die in Gesang ausgetragenen Diskussionen mit Alex Melcher zählen zu den bestens herausgearbeiteten Szenen, da sie einen tiefen, aufschlussreichen Blick in Falcos Seele ermöglichen. An Emotionen wird nicht gespart. Ihren Höhepunkt erreichen sie zweifellos am Ende, wenn Falco mit seinem letzten Song „Out of the Dark“ von einem Leben voll innerer Zerrissenheit Abschied nimmt und, wie es in Wien halt so üblich ist, nach seinem Tod zu ewiger Größe aufsteigt.

Moritz Muasser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Moritz Mausser, Ensemble © VBW-Deen van Meer

Abla Alaoui, Ensemble © Disney

Abla Alaoui, Ensemble © Disney

Der GLÖCKNER von NOTRE DAME Das Disney-Musical frei nach Victor Hugo

David Jakobs (Quasimodo), Ensemble © VBW-Deen van Meer

David Jakobs (Quasimodo), Ensemble © VBW-Deen van Meer

Zwischen Glockenstube, Narrenfest und Wunderhof turnt behände der Buckel des verliebten und wunderschön singenden Quasimodo.

Gleich vorweg: Es gibt kein Happy End. Die Walt Disney-Studios lassen im Zeichentrickfilm die Guten am Leben. Nur der böse Frollo wird in die Tiefe gestürzt. Im Musical sind sowohl Esmeralda als auch Quasimodo dem Tod geweiht. Schuld daran kann nur Peter Parnell sein, er hat das Buch verfasst, das von Michael Kunze getreulich ins Deutsche übersetzt wurde. Bis zum letalen Showdown gibt es reihenweise Songs mit üppiger Musik von Alan Menken und Texten von Stephen Schwartz. Am Pult stand am 18. November 2022 Carsten Paap, der eine nahezu erdrückende Klangpracht aus dem Orchester der Vereinigten Bühnen Wien holte. Grandios ist auch die Bühne (Alexander Dodge). Vor einer der berühmten Fensterrosetten der gotischen Kathedrale wechseln dynamisch die Schauplätze vom heiligen Ort bis in die Spelunken in den finsteren Gassen von Paris. An Glocken wurde nicht gespart und sie werden auch geläutet, fallweise sogar zur Unzeit. Aber damit sind wir schon beim Inhalt dieser traurigen Liebegeschichte zwischen einem Zigeunermädchen und dem verkrüppelten Monster, das von seinem Onkel in den Turm hinauf verbannt wurde.

Cast of Der Glöckner von Notre Dame © Disney

Cast of Der Glöckner von Notre Dame © Disney

Mit mächtigem Bariton lässt Andreas Lichtenberger keinen Zweifel an der bösen Natur seines Erzdiakons Claude Frollo, der unter dem kreuzbestickten Mäntelchen der Frömmigkeit den Fremdenhass und die strikte Ablehnung des fahrenden Volks, angeführt vom gleich listigen wie brutalen Clopin Trouillefou (Mathias Schlung), predigt. Dummerweise verliebt Frollo sich in Esmeralda (Abla Alaoui), ein Zigeunermädchen, das klarerweise seine Zudringlichkeiten ablehnt. Sie ist hübsch, kann verführerisch tanzen und virtuos mit dem Tamburin die Zuschauer begeistern. Höchst angetan von ihr ist auch der Offizier Phoebus de Martin (Dominik Hees), und wäre da nicht dieses geistliche Ekel, würde es auch was mit den beiden. Die arme Kreatur dazwischen ist Quasimodo, mit dem der sportliche Charles Kreische Mitgefühl einfordert, vor allem wenn er mit den singenden „Steinfiguren“ Zwiesprache hält. Bei so viel emotionalem und akustischem Druck sind begeisterte Standing Ovations unvermeidlich.

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