Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Erwin Bail, Doris Drechsel, Thomas Bauer © Karin VOGT

Erwin Bail, Doris Drechsel, Thomas Bauer © Karin VOGT

ADOLF LOOS und der dreckige Hang zu „süßen Mädeln“

Doris Drechsel, Thomas Bauer © Karin VOGT

Doris Drechsel, Thomas Bauer © Karin VOGT

Gerichtsakten entlarven den genialen Architekten als kriminellen Päderasten.

2015 ist der Strafakt „Adolf Loos“ im Zuge einer Haushaltsauflösung aufgefunden worden. Seinerzeit war die Öffentlichkeit vom Strafprozess ausgeschlossen gewesen. Zum einen war der Angeklagte zu prominent, um ihn vor neugierigen Gerichtskibitzen und einer auf Sensationsenthüllungen harrenden Wiener Bevölkerung an den Pranger zu stellen. Zum anderen ging es um den Schutz der Kinder, deren Zeugenaussagen das ekelhafte Bild eines gewissenlosen Verführers an den Tag brachten. Ein weiterer Grund für die Geheimhaltung des Verfahrens war wohl auch die Presse, die teils von modern-fortschrittlich Denkenden geführt wurde. Sie konnten oder wollten nicht wahrhaben, dass ein in ihren Augen Unschuldiger wegen eines Sexualverbrechens vor dem Richter stand, einer der ihren, die es mit der vom Gesetz geschützten Jugend ihrer Geliebten durchaus nicht so tragisch nahmen, zumal diese „süßen Mädeln“ ja nur aus den ärmlichen Verhältnissen der Vorstadt stammten und für ein paar Schilling von den Eltern bereitwillig zur Verfügung gestellt wurden.

 

Erwin Bail vom Theater Experiment am Lichtenwerd hat in die Akte Einsicht genommen und lässt nun in einem packenden und mutigen Gerichtsdrama sowohl den Angeklagten als auch die Zeugen postum zu Wort kommen. In einem Aktenschrank entdecken die „Archivare“ Doris Drechsel und Thomas Bauer die Bananenschachtel mit den Mappen. Sie beginnen darin zu lesen und beweisen damit einen guten Magen, der sich bei der Lektüre der Protokolle allzu gern umdrehen möchte. So sagt ein zehnjähriges Mädchen aus, dass er sie dort geschleckt hätte wo sie wischerlt, weil der Saft einer Melone in ihre (Loos wörtlich) Fut rinnt. Die Kinder erzählen mit ihnen zugänglichen Ausdrücken das Geschehen; wie sie beispielsweise von Loos gebadet und nackt in seltsamen Stellungen gezeichnet wurden oder dass sie das, mit dem ein Mann Lulu macht, küssen hätten sollen.

Abseits von ihnen verteidigt sich Adolf Loos, verkörpert von Erwin Bail. Er zeigt keine Reue, hat nicht das geringste Unrechtsbewusstsein. Die Verlogenheit seiner Ausreden ist greifbar und das soziale Engagement, Kinder nach Paris bringen zu wollen, stellt sich deutlich als übler Modus Operandi eines Päderasten heraus. In Einspielungen, gesprochen von Paul Wiborny, sind Zeitungsberichte zu hören, verfasst von Alfred Polgar, als Versuch einer Apologie für den von konservativen Kreisen angefeindeten Künstler und Freund. Wenngleich viele Jahre seither vergangen sind und alle Beteiligten die kühle Erde deckt, ist es dennoch ein notwendiges Unterfangen, die abartige Seite einer nach wie vor gefeierten Persönlichkeit (das Wohnzimmer, also der Tatort, von Adolf Loos war bei der Eröffnung des neuen Wien Museums unkommentiert zu bewundern) ohne falsche Rücksichten frei zu legen. Übrigens: Verurteilt wurde Adolf Loos 1928 am Landesgericht für Strafsachen Wien I wegen des Verdachts der Schändung sowie Verführung zur Unzucht mit Minderjährigen bedingt zu vier Monaten schweren Kerker.

Erwin Bail © Karin VOGT

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